Protokoll der Sitzung vom 18.03.2009

Die gesamte Verbesserung der Infrastruktur und der Forschungslage würde nur wenig bringen, wenn sie nicht auch von den Lehrenden an den Hochschulen genutzt wird. Es ist zu kurz gedacht, nur auf die Eigeninitiative der Lehrenden zu setzen. Nicht jeder Professor, nicht jede Professorin ist ein Naturtalent beim Erklären von Forschung. Wir fordern daher verpflichtende hochschuldidaktische Weiterbildung. So kann schnell und effektiv eine wirkliche Verbesserung der Qualität in der Lehre im Sinne der Studierenden erreicht werden.

Wir brauchen eine Neuausrichtung der leistungsorientierten Mittelvergabe. Sie haben die Vergabe zu sehr in Richtung Forschung verschoben. Es muss wieder ein Gleichgewicht her. Die Leistungen der Lehre können unter anderem über die Absolvierenden-Quoten und durch eine Evaluation ermittelt werden. All das wird dazu beitragen, dass es an den Hochschulen eine deutliche Verbesserung gibt.

Eines Ihrer ablehnenden Argumente ist, dass es dies so oder so ähnlich alles bereits einmal gegeben hat und es abgeschafft wurde, da es nicht genügend effektiv war. Aber neue Systeme – und das Bachelor-/Master-System stellt eine solche Veränderung dar – erfordern auch Änderungen der Rahmenbedingungen.

Mit Blick auf die Abbrecherzahlen wird klar: Didaktische Begleitung ist notwendiger denn je. Die Politik der Landesregierung bewirkt mit ihrer Deregulierung ein Ungleichgewicht zwischen Forschung und Lehre. In Zeiten des Fachkräftemangels und der starken demografischen Veränderungen brauchen wir jeden und jede. Mit einer Verbesserung der Hochschuldidaktik können und müssen wir mehr Menschen an unsere Hochschulen binden und zum erfolgreichen Abschluss bringen.

Herr Prof. Dr. Wildt hat in der Expertenanhörung sehr treffend von Spaß an der Lehre gesprochen. Der ist in der Tat notwendig. Damit dieser entstehen kann, sind aber eine entsprechende Infrastruktur und vor allem eine hohe Verbreitung von hochschuldidaktischen Weiterbildungen nötig. An beiden müssen wir in NRW dringend arbeiten. Entsprechend darf ich Sie für unseren Antrag um Zustimmung bitten. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Boos. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich sind sich alle Fraktionen hier im Hause im Grundsatz einig, dass qualitätvolle Lehre sehr wichtig ist für unsere Hoch

schulen. Insofern ist qualitativ hochwertige Lehre, im Übrigen neben exzellenter Forschung, auch das beste Aushängeschild für unsere Hochschulen im internationalen Wettbewerb um gute Studenten.

Worin sich allerdings die Koalitionsfraktionen von den Antragstellern klar unterscheiden, ist der Weg, der einzuschlagen ist, um diese Qualität am besten zu erreichen. Die Grünen – in dieser Debatte ist deutlich geworden, dass sich die SPD dieser Denkweise anschließt – propagieren hier einen ordnungspolitischen Zentralismus, der die Einrichtung und den Ausbau von hochschuldidaktischen Einrichtungen automatisch und pauschal an allen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen vorsieht.

Das wundert einen auch nicht bei dem Staatsdenken der Grünen. Sie sind ja Lieblinge von Zentralismus, von Steuerung, von Bürokratie und von Bevormundung,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Siehe selbst- ständige Schule!)

immer geleitet von der Auffassung: Je mehr Staat und je mehr bürokratische Reglementierung man hat, desto eher könne man Studenten ansprechen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir gehen dort, Frau Löhrmann, den eher freiheitlichen Weg.

(Beifall von der FDP)

Wir sind der Auffassung, es geht um einen Qualitätswettbewerb, entsprechend auch von unterschiedlichen Ansätzen und Konzepten. Das ist in der Tat unsere Freiheitsphilosophie,

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

die uns von dem grünen Denken unterscheidet. Insofern sind wir nicht der Auffassung, dass das Land zentral Vorschriften erlassen muss, wie sich die hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildung aller Hochschullehrer in Nordrhein-Westfalen gestalten soll.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Groth?

Immer gerne doch.

Bitte schön, Herr Kollege Groth.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Witzel, nachdem Sie ideologisch alles klargemacht haben, möchte ich Sie doch noch einmal fragen, ob Sie nicht auch anerkennen, dass die Anreizsysteme etwas anderes von den Hochschullehrern erwarten und dass sich auch deshalb die

Wenigsten um eine vernünftige Lehre kümmern. Wenn weiterhin eine Karriere nur durch Forschung möglich ist, dann müssen wir andere Anreizsysteme setzen. Bitte vernünftige Antwort, nicht weiter ideologisch werden! Es lohnt nicht heute Abend.

Herr Groth, ich beantworte Ihre Frage dahin gehend, dass ich der festen Auffassung bin, dass die besten Anreize für Hochschulen, das zu leisten, was wir beide wollen, nämlich Lehre in hoher Qualität, dadurch erreicht werden, dass der Markt entscheidet, indem Studenten die Freiheit haben, sich bei Hochschulen zu bewerben, und mit den Füßen abstimmen, wenn erkennbar, basierend auf Evaluation und Transparenz der Lehrleistungen, einzelne Hochschulen ihre Arbeit nicht so gut machen wie andere. Das sind die Grundsätze, Herr Groth, von Markt und Wettbewerb. Wenn Menschen, die in Freiheit sind, die Entscheidungsoption haben bei gleichzeitiger Markttransparenz, handeln zu können, dann entstehen die qualitativ besten Ergebnisse und besten Allokationsprozesse.

Herr Groth, wir sind ausdrücklich nicht Ihrer Auffassung – Sie haben das so insinuiert –, jede Hochschule solle unter Verzicht auf Qualität machen, was sie will, oder es sein lassen; wir wollen Qualitätswettbewerb und somit die Hochschulverantwortung stärken. Das ist unser Anreizsystem.

Herr Groth, deshalb wollen wir den Hochschulen auch kein zentralstaatliches hochschuldidaktisches Korsett aufzwängen, das jedem Dozenten, jedem Professor in unserem Land vorgibt, wie detailgenau er seine Lehre zu organisieren hat. Denn dieses Parlament hat ein Hochschulfreiheitsgesetz verabschiedet. Der Grundsatz der Freiheit der Lehre betrifft in unseren Augen nicht nur die Inhalte in Prüfungsordnungen, sondern auch die Durchführung und Organisation des Lehrbetriebs.

Jeder hier im Raum, der einmal ein Seminar oder eine Vorlesung in früheren Zeiten besucht hat, weiß, dass erfolgreiche Lehre nicht zuletzt auch von der Individualität des Angebots, von der Individualität des Hochschullehrers und vom besonderen Umgang mit der zu vermittelnden Materie abhängt. Genau das ist es doch, was die Studenten zu fesseln vermag und dazu führt, dass ihre Neugier und Begeisterung für ein Fach geweckt wird.

Das alles möchten Sie ersetzen durch einen didaktischen grünen Einheitsbrei, den Sie den Hochschulen aufzwingen wollen, zumal es – das kann man nicht oft genug hervorheben – bereits in der Vergangenheit, unter Ihrer Regierungsverantwortung, den Versuch gab, an zahlreichen Standorten in Nordrhein-Westfalen hochschuldidaktische Zentren zu etablieren. Dieser Versuch in Ihrer zehnjährigen Regierungszeit ist gescheitert, wie auch Sie gescheitert und jetzt fünfte Kraft im Parteienspektrum sind. Das Konzept hat sich nicht bewährt, die Zent

ren fanden keine Nachfrage und sie haben landesweit keine nennenswerte Wirkung entfaltet.

Deshalb, meine Damen und Herren, sagen wir als FDP-Landtagsfraktion: Eine qualitativ hochwertige Lehre ist wichtig.

(Beifall von der FDP)

Sie ist es für den Erfolg einer Hochschule und dort auch unverzichtbar wie exzellente Forschung. Aber die Hochschulen selbst als Träger dieser Verantwortung sind diejenigen, die am besten wissen, wie sie es konkret im Detail organisieren sollen.

(Zustimmung von Holger Ellerbrock [FDP])

Deshalb setzt die Koalition der Erneuerung gemeinsam mit der Landesregierung darauf, dass dieses Verantwortungsbewusstsein für den besten Leistungsprozess auch weiterhin vorherrscht und das beste Anreizsystem darstellt. Die Landesregierung wird damit ihrer Aufgabe in doppelter Hinsicht gerecht. Sie gewährleistet die Qualität der nordrheinwestfälischen Hochschullehre,

(Zustimmung von Holger Ellerbrock [FDP])

ohne den für uns wichtigen Grundsatz einer freien Lehre dabei einzuschränken.

(Zustimmung von Holger Ellerbrock [FDP])

Wir sehen daher keine Veranlassung, an diesem Kurs etwas zu ändern. – Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Hochschuldidaktik ist sicherlich ein ganz wichtiges Thema. Wir haben durch die Debatte gesehen, dass das Land Nordrhein-Westfalen mit den eingeleiteten Reformen auf einem guten Weg ist, die Voraussetzungen für bessere Hochschuldidaktik tatsächlich zu schaffen.

Was allerdings die Opposition vorlegt, hat mit dem, was angekündigt worden ist, wenig zu tun. Frau Seidel, Sie haben gesagt, Lehre sollte wieder Spaß machen. Da frage ich: Was soll denn, ausgehend von Ihrer Antragsinitiative, irgendjemandem in der Hochschule Spaß machen? – Denn das, was Sie vorschlagen, ist der Zentralismus, den Sie in der Vergangenheit bereits praktiziert haben – mit dem bekannten Ergebnis.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich darf Ihnen das Evaluationsergebnis in den Eckpunkten einmal vortragen; das Evaluationsergebnis bezogen auf die hochschuldidaktischen Zentren, die in den 70er- und 80er-Jahren in NordrheinWestfalen eingerichtet und kultiviert wurden; einer Evaluation, die nicht wir durchgeführt haben, sondern die Ihre Landesregierung im Jahre 1999 durchgeführt hat.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Diese Evaluation hat ein absolut ernüchterndes Ergebnis hervorgebracht. Es stellt nämlich fest, es hätte zu wenig Nachfrage gegeben, die Zentren hätten einen extrem geringen Wirkungsgrad entfaltet und – was besonders schön ist – manche Wissenschaftler an diesen Zentren hätten sich mit völlig anderen Dingen als der Hochschuldidaktik beschäftigt.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dieserlei Berichterstattung über zentralistische Maßnahmen im Bereich der Hochschuldidaktik spricht Bände: Entweder macht es wirklich keinen Spaß, oder diejenigen, die doch daran teilnehmen, beschäftigen sich mit anderen Dingen, die vielleicht noch Spaß machen. Den Studierenden jedenfalls ist es offensichtlich nicht zugute gekommen.

Und dann gehen Sie in die Debatte hinein und bemühen ein Zitat des Abgeordneten Brinkmeier, der sich in der Anhörung um einen Vergleich zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Hochschulsystem gekümmert hat. Das zitieren Sie und nehmen damit das amerikanische Hochschulsystem in Anspruch, um Ihren Antrag zu begründen. Das finde ich schon sehr bemerkenswert.

Dann nehmen Sie aber bitte zwei Dinge zur Kenntnis: Das amerikanische Hochschulsystem ist dadurch gekennzeichnet, dass es im Bereich der Didaktik wie auch ansonsten keinerlei Regulierung, aber satte Studienbeiträge und gute Lehre gibt; hier hatten wir keine Studienbeiträge und schlechte Lehre. Also offensichtlich ist es gut, dass wir über Studienbeiträge erst einmal Anreize dafür schaffen, dass die Studierenden an unseren Hochschulen endlich bessere Lehre einfordern können.