Die Förderschule will ich nicht schlechtreden, sie ist eine der teuersten Schulformen, die sich dieses Land gönnt. Ich bin froh, dass wir sie für diese Kinder haben.
Wir müssen uns nur darum kümmern, dass es auch für Menschen, die eine einfache Arbeit brauchen, in dieser modernen Gesellschaft eine Betätigungschance und eine Teilhabe an Arbeit im ersten Arbeitsmarkt gibt.
Jetzt bitte ich nur um eines: Vor 30 Jahren wäre die gleiche Debatte über Altersarmut geführt worden. Gott sei Dank, sind da die Zahlen heute so, dass nur zwischen 5 % und 6 % der über 65-Jährigen dieses Problem haben.
Da haben Sie recht: Wenn wir die Probleme, die wir bei der Rente bekommen, ignorieren, dann werden wir in 20 Jahren über ganz andere Zahlen reden. Aber das Problem, über das wir heute reden, ist nach meiner Auffassung nicht alleine dadurch lösbar, dass man mehr Geld in die Sozialsysteme gibt. Wir müssen vielmehr diese Spirale schon in der Kindergeneration durchbrechen, indem wir die Kinder zu guten Schulabschlüssen führen, die ihnen die Chance bietet, mit einem guten Beruf später auch gutes Geld zu verdienen. Es darf nicht sein, dass wir jetzt in der zweiten und dritten Generation das weiter fortführen, was wir leider viel zu lange –
Wir haben die Situation, dass sich in einer bestimmten Schicht die Perspektivlosigkeit verfestigt. Dies ist eine Entwicklung seit Ende der 80er-Jahre mit einer zunehmend stärkeren Tendenz. Da hat es – zumindest auf der Bundesebene – unterschiedliche Regierungskoalitionen gegeben. Wir haben alle die Dinge nicht in den Griff bekommen. Aber ich habe nun schon den Eindruck, dass diese Landesregierung Strukturen geschaffen hat, mit denen wir an der Wurzel dieser Probleme ansetzen.
Deswegen glaube ich, dass wir einen sehr guten Job machen. Dass der Haushalt dabei auch eine Rolle spielt, ist auch wahr.
Wenn man dann sagt, die FDP sei gar nicht für die kleinen Leute zu haben, kann ich nur erwidern: Diese CDU-FDP-Regierung macht mehr, um die Chancengleichheit dieser Klientel herzustellen, als vorher die rot-grüne Regierung.
Sie haben dieses Thema in Ihrer Politik doch ignoriert, sonst wüssten wir über diese Fragen viel mehr, als wir heute wissen. Deswegen wäre es ganz gut, wenn Sie einfach ein bisschen zuhören und in den Ausschusssitzungen Ihre Anregungen geben. Wir sollten dieses Thema gemeinsam angehen. Die Leute haben nichts von einer Diskussion über Rechthaberei, wie sie vor allen Dingen in der letzten Debattenrunde von der Opposition geführt wurde. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Auf der Rednerliste steht als Nächstes Herr Kollege Sagel, fraktionslos.
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Zuhören, Herr Laumann, sollen und müssen Sie wohl auch mal. Ihre Krokodilstränen, die Sie heute Morgen wieder vergossen haben, sind wirklich unerträglich.
Jetzt machen Sie einen Runden Tisch und müssen Expertinnen und Experten einladen. Offensichtlich haben Sie nach vier Jahren Regierungszeit immer noch nicht verstanden, wie die Situation in Nordrhein-Westfalen insbesondere für Kinder und Jungendliche ist. Das ist schon ein starkes Stück, was Sie heute hier abgeliefert haben. Ihre schöne neue Welt, die Sie für Nordrhein-Westfalen beschrieben haben, hat mit der Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Wir haben Armut im reichen Nordrhein-Westfalen gerade auch bei Kindern und Jugendlichen. Vom sozialen Aufstieg, von dem Sie, Herr Laschet und Herr Laumann, heute Morgen geredet haben, kann wirklich keine Rede sein. Es ist viel undurchlässiger geworden. Das kann man nicht nur in linken, sondern auch in konservativen Berichten und Zeitungen nachlesen. Das ist die reale Situation hier in Nordrhein-Westfalen haben.
Sie haben immerhin schon festgestellt, dass jedes vierte Kind von Armut hier in Nordrhein-Westfalen bedroht ist oder in Armut lebt. Schauen Sie sich einmal an, wie die soziale Situation ist. Die soziale Gerechtigkeit ist verloren gegangen. Und das hat ausgerechnet die FDP gerade hier erzählt. Wenn ich das von der Heuschreckenpartei FDP höre und sie von sozialer Gerechtigkeit spricht,
dann wird mir wirklich ganz anders. Sie haben doch gerade bei den Elterninitiativkindergärten massiv gekürzt. Viele von denen mussten schließen.
Schauen wir uns die Jugendhilfe an! Sie haben 17 Millionen € bei der Jugendhilfe gekürzt. Ich habe heute Morgen WDR gehört.
In dem Beitrag wurde davon gesprochen, dass Gewalt und rechte Auswüchse drohen. Das ist das, was Sie hier machen. Das ist Ihre Politik.
Das Fehlen von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen hier in Nordrhein-Westfalen – auch das konnte man übrigens heute Morgen im WDR hören – ist auch ein wirklich gravierendes Problem.
Wenn Sie, Herr Kern, hier familiengerechte Arbeitszeiten fordern, kann ich nur sagen: Bei den familiengerechten Arbeitszeiten sieht es so aus, dass Sie als erstes die Ladenöffnungszeiten radikal aufgehoben haben, sodass die Leute jetzt bis abends spät arbeiten müssen. Ist das Ihre familiengerechte Politik? Das kann es doch wohl nicht sein. Das ist ein Witz, was Sie hier erzählen.
Schauen wir uns doch die reale Situation von über 500.000 Kindern in Nordrhein-Westfalen an! Die leben mit Hartz IV. Das heißt, diese Kinder und Jugendlichen erhalten 2,50 € am Tag für Essen. Das ist die reale Situation. Für diese Kinder und Jugendlichen haben Sie kein Geld. Aber Sie haben Milliarden für die WestLB, Sie haben Milliarden für Rettungsschirme für Banker, die jetzt noch mit Millionen-Abfindungen nach Hause gehen. Das müssen Sie sich mal anschauen. Das ist die reale Situation. Diese Kinder gehen hungrig in die Schule und gehen mittags hungrig nach Hause.
Sie reden hier von mehr Gesamtschulen und so weiter. Ich habe es vor einigen Jahren in Münster selber noch erlebt. Wir wollten eine Gesamtschule
einführen. Und wie war die reale Situation? Die CDU hat eine Bürgerinitiative gegründet und verhindert, dass die Gesamtschule eingerichtet werden kann. Das ist Ihre Politik, die Sie in NordrheinWestfalen machen. Das ist Ihre soziale Gerechtigkeit.
Ich sage nur: Danke schön. Denn für original-sozial auch für Kinder steht die Linke, und das ist die Politik, für die wir stehen. Ihre Politik sieht ganz anders aus.
Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal Frau Kollegin Beer gemeldet.
Die Redezeit von Herrn Laumann betrug genau 4 Minuten und 24 Sekunden. Diese Überziehung ist im Prinzip nutzbar. Im Hinblick auf die nächste Aktuelle Stunde bitte ich aber darum, dass wir uns alle ein wenig knapper fassen. Die Zeit ist sehr weit vorangeschritten. Es ist bereits 12:05 Uhr. – Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident, herzlichen Dank! Herr Minister Laumann, ich hätte Ihnen gerne vorhin die Zwischenfrage gestellt, dann hätte ich jetzt nicht noch einmal nach vorne kommen müssen.
Ihre Äußerungen zu Förderschulen haben mich bewogen, diese Gelegenheit wahrzunehmen. Herr Minister Laumann, ist Ihnen bekannt, dass die vorliegenden wissenschaftlichen Studien, die wir auch in der Anhörung am 20.05. präsentiert bekommen werden, besagen, dass die Leistungsentwicklung in den Förderschulen eben nicht die Kinder voranbringt? Die Experten sprechen sogar von der sogenannten Schonraumfalle.
Muss ich das, was Sie hier als Minister, der auch für die Belange von Menschen mit Behinderungen zuständig ist, ausgeführt haben, so verstehen, dass Sie sich gegen den gemeinsamen Unterricht von Kindern gerade in den Gesamtschulen aussprechen?
Wie wird eigentlich die Umsetzung der UNMenschenrechtskonvention von Ihnen nach vorne getrieben, die ganz klar ein inklusives Schulsystem fordert? Am 20. Mai werden Ihnen die Experten nachweisen, dass es nicht teurer ist, inklusiv zu beschulen, dass es eine Chance für alle im System ist.
Behinderungen gehören zusammen. Dann haben sie bessere Chancen in diesem Schulsystem. Das wird von der Landesregierung im Augenblick blockiert. Ich verweise auf die Äußerungen der Ministerin in „Westpol“ vor 14 Tagen, die sinngemäß sagt: So verstehen wir Inklusion nicht, denn wir haben die Förderschulen. – Das entspricht nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen, das ist Zurücksetzung.
Herr Minister Laumann, zum Schluss die Frage: Glauben Sie wirklich, dass arme Kinder am besten nur mit armen Kindern zusammen lernen sollten?