Wir haben eine Reihe von Punkten, die wir diskutieren müssen. Wir haben vor einiger Zeit mit unserem Wallraff-Antrag, dem Antrag zu prekären Beschäftigungsverhältnissen, hier schon einen Anstoß gege
ben. Das eine oder andere kann man in der Diskussion wieder zusammenführen. Auch da verweigert sich die Regierungsseite, an der Stelle etwas zu tun.
Herr Brakelmann, ich glaube, Sie müssen wirklich noch einmal überlegen, von welchem Weltbild „Frau“ Sie ausgehen, was den Anteil der Frauen am Erwerbsleben betrifft. Vielleicht wäre es gut, wenn Sie einmal mit Frauen aus dieser Gesellschaft diskutieren würden. Wir haben regelmäßig Veranstaltungen, in denen wir mit Frauen und mit Beratungsstellen über die Strukturen diskutieren. Da geht es genau um die Frauen, die am Ende in die Armut kommen, weil Sie während ihrer Erwerbszeiten kein ausreichendes Einkommen haben, und mit denen wir überlegen müssen, wie man eine adäquate Lebenssituation im Alter hinbekommt. Ich würde mir wünschen, dass Sie etwas früher beginnen, darüber nachzudenken.
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident, fraktionslos, aber nicht standpunktlos – auch nicht in dieser Debatte.
Immer weniger Menschen haben eine gute Arbeit, Millionen von Menschen haben gar keine Arbeit, Millionen von Menschen arbeiten zu Hungerlöhnen, Millionen von Menschen arbeiten in unsicheren Jobs – das ist die Situation –, und Millionen von Menschen arbeiten sich kaputt vor lauter Überstunden und Arbeitshetze.
An dieser Entwicklung hat die Politik von Rot-Grün und Schwarz-Rot einen erheblichen Anteil. Mit der Liberalisierung der Finanzmärkte, der Privatisierung öffentlicher Unternehmen und den Hartz-Gesetzen haben die Regierungen Schröder und Merkel der Ausbreitung schlechter Arbeit – unsicher, gering bezahlt, ohne ausreichende Sozialversicherung und ohne Mitbestimmung – den Weg geebnet. Das ist die Politik, die wir hier in den letzten Jahren erlebt haben.
Die Folgen: Von dem, was die Beschäftigten an Werten schaffen, bekommen sie einen immer geringer werdenden Anteil. Die Linke sagt deshalb ganz klar: Die Hartz-Gesetze bedeuten Enteignung und führen zum Abbau von Demokratie. Denn es hat Konsequenzen, wenn Menschen nicht genügend Geld für das Nötigste haben und keine Zukunftsperspektiven entwickeln können. Ihnen wird
die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Leidtragende sind mehrheitlich die Frauen, die die Mehrheit der Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen stellen. Das ist die reale Situation, die wir hier erleben.
Gute Arbeit steht für die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu denen, die ihn mit ihrer Hände Arbeit erwirtschaften, und für eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an der Erwerbsarbeit.
Sie von der SPD fordern mit Ihrem Antrag die Landesregierung auf, zum Schutz der Beschäftigten im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse unverzüglich eine Initiative in den Bundesrat einzubringen, die die Beschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 15 Stunden vorsieht. Für Beschäftigungsverhältnisse mit unregelmäßigen Arbeitszeiten könne – so Ihr Antrag – eine entsprechende monatliche Arbeitszeit vorgesehen werden.
Damit wollen Sie jetzt wieder eine Regelung einführen, die Sie unter Schröder selbst abgeschafft haben. Am 01.04.2003 wurde mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das sogenannte Hartz II, die geringfügig entlohnte Beschäftigung neu geregelt. Damals wurde von RotGrün die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze für nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse von 325 auf 400 € monatlich angehoben und die Begrenzung auf 15 Arbeitsstunden pro Woche aufgehoben. Die Zahl der Minijobs stieg seitdem stark an. Vor allem im Einzelhandel wurden in den letzten Jahren Zigtausende von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen vernichtet. Das Resultat war auch Lohn- und Sozialdumping.
Ich finde es gut, dass es den Antrag der SPD gibt, aber ich frage Sie: Warum setzen Sie die Sache nicht in Berlin durch? Sie sind doch in Berlin in der Regierung, Sie stellen sogar den Arbeitsminister. Von daher ist es völlig heuchlerisch, hier im Landtag einen solchen Antrag zu stellen, obwohl Sie selbst die Möglichkeit hätten, das in Berlin durchzusetzen.
Wir sagen aber auch ganz klar: Das, was Sie jetzt machen, reicht nicht aus, weil damit die Ursachen schlechter Arbeit nicht bekämpft werden. Wir brauchen eine andere Politik. Die Linke fordert die Beendigung der Subventionierung geringfügiger Beschäftigung, die sofortige Beendigung der Minijobpolitik, die Förderung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gerade für Frauen …
Mein letzter Satz: Dazu hat sie bereits im vergangenen Jahr ein umfassendes Programm „Gute Arbeit – Gutes Leben. Ein Manifest für eine gerechte
Sie legen hier einen Showantrag vor. Sie hätten längst die Möglichkeit, das in Berlin durchzusetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es klar zu sagen: Eine Bundesratsinitiative zu starten, wie es im Antrag der SPD-Fraktion steht, um die 15-StundenGrenze wieder einzuführen, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Denn wir haben die 15-Stunden-Grenze lange Zeit gehabt. Die Wahrheit ist, dass Sie diese 15Stunden-Grenze mit keiner existierenden Behörde kontrollieren können. Sie ist unkontrollierbar. Deswegen spielte diese Grenze keine Rolle, obwohl sie viele Jahrzehnte in den Gesetzen in Deutschland stand. Ich finde, es war damals richtig, als wir das neue System mit den 400 € eingeführt haben, um diese 15-Stunden-Grenze abzuschaffen.
Zum Schutz derer, über die wir hier sprechen, haben wir hinsichtlich der Frage „Bekommen die das ihnen zustehende Gehalt oder den ihnen zustehenden Lohn pro Stunde?“, eine ganz andere Regelung. Unsere Rentenversicherungen prüfen nämlich in den Unternehmen, ob die 400 €-Verträge eingehalten worden ist. Wenn für mehr als 400 € gearbeitet wird, ergibt sich logischerweise eine Sozialversicherungspflicht, und dann müssen Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden. Es passiert gar nicht so selten, dass da gefummelt wird. Die Rentenversicherungen prüfen sehr stark und sehr korrekt, viel straffer, als das früher die Krankenversicherungen getan haben.
Es gibt die Regelung, dass bei der Ermittlung, wie die 400 € erreicht werden, grundsätzlich der Tariflohn oder die Betriebsvereinbarung zählt. Das heißt, wenn jemand unter Tariflohn beschäftigt hat, die Leute an die 400 € drangekommen sind und die Rentenversicherung prüft, fallen die Leute oft unter die Sozialversicherungspflicht, weil bei der Sozialversicherungspflicht nicht das wirklich geflossene Geld zählt wie bei der Steuer, sondern das Geld, das ihnen zugestanden hätte. Diese Regelung, dass nicht das Zuflussprinzip, sondern das Entstehungsprinzip gilt, hat eigentlich dafür gesorgt, dass wir in diesem Bereich, Frau Kieninger, eine gute Grundlage haben, um für eine bestimmte Lohnhöhe zu sorgen.
dem Equal Pay Day, passt, ist ein grundsätzliches Problem. In diesem Jahr wird die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland 60 Jahre alt. In unserer Verfassung ist die Gleichstellung von Männern und Frauen richtigerweise – das denken wir sicherlich alle – festgeschrieben. Trotzdem wissen wir alle, dass wir 60 Jahre, nachdem diese Verfassung in Kraft trat, nach wie vor bei der Entlohnung zwischen Frauen und Männern Unterschiede haben. Selbst im europäischen Vergleich sehen wir in Deutschland nicht besonders gut aus. Das ist die Wahrheit.
Das soll man aber nicht in allererster Linie zu einem Problem der Parteien machen. Denn in diesen 60 Jahren hat es auch lange Regierungszeiten der Sozialdemokraten gegeben, in denen sich bei dieser Frage auch nichts geändert hat. Das ist vielmehr eine Frage, die auch damit zusammenhängt – das habe ich als Arbeitsminister sehr im Auge –, dass wir leider viele Wirtschaftsbereiche haben, in denen vorwiegend Frauen arbeiten und in denen wir bei Weitem nicht die starke Tarifbindung wie etwa in industriellen Bereichen haben, in denen vorwiegend Männer arbeiten.
Schauen Sie sich zum Beispiel den Einzelhandel an! Dort haben wir leider kaum noch eine Tarifbindung. Deshalb gab es auch gestern das Urteil, das eine Entlohnung bei KiK – Sie haben es angesprochen – für sittenwidrig erklärt. Ich freue mich über dieses Urteil.
Ich habe mich in der Zeit, in der ich hier Minister bin, sehr bemüht, in diesen Bereichen voranzukommen. Es gibt ein einziges Bundesland in ganz Deutschland, in dem wir einen allgemein verbindlichen Lohn im Hotel- und Gaststättenbereich haben –
ein arbeitsplatzmäßig vorwiegend von Frauen besetzter Bereich. Darauf, dass wir das wieder hingekriegt haben, bin ich stolz. Dass wir eines von wenigen Bundesländern in Deutschland sind, in dem es einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag im Frisörhandwerk gibt, ohne Frage ein Bereich, in dem relativ stark Frauen ihre Arbeitsplätze haben, ist ein Erfolg der Politik des jetzigen Arbeitsministers und der jetzigen Landesregierung.
Deswegen glaube ich, dass wir in diesem Bereich einiges erreicht haben, dass es aber weiterhin eine gesellschaftliche Aufgabe bleibt, deutlich zu machen, dass – und das muss man als Skandal bezeichnen – einer Frau für die gleiche Arbeit in vielen Bereichen bis zu 20 % weniger gezahlt wird als einem Mann. Das ist mit nichts zu rechtfertigen.
Einen Satz noch zu den 400-Euro-Verträgen: Ich persönlich muss Ihnen ganz offen sagen, ich bin nicht dafür, dass wir sie plattmachen, wie es unterschwellig immer wieder gefordert wird. Denken Sie auch einmal an die vielen Menschen in unserem Land, die nicht die Möglichkeit haben, durch Karriere, durch beruflichen Aufstieg mehr Geld zu verdienen, sondern die nur die Möglichkeit haben, dadurch, dass sie mehr arbeiten, auch einmal eine bestimmte Zeit lang zu mehr Geld zu kommen. Deswegen finde ich es nicht verwerflich, wenn beispielsweise ein Student neben seinem Studium einen 400-Euro-Job macht.
Ich finde es nicht verwerflich, wenn eine Hausfrau neben ihren Aufgaben im Haushalt, neben der Kinderbetreuung und bei einem vielleicht schmalen Einkommen ihres Mannes mal einen 400-Euro-Job macht, um zusätzliches Geld für den Haushalt zu besorgen.
Und ich finde auch nichts Verwerfliches daran, wenn ein Rentner, der eine niedrige Rente bekommt, einen 400-Euro-Job macht, um seine Rente aufzustocken. Und es ist auch nicht schlimm, wenn jemand nach Feierabend, nach seiner regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, durch einen Zusatzjob mehr Geld verdient, weil er in einer Lebenssituation ist, wo er mehr Geld verdienen muss.
Unsere Freunde müssen diejenigen sein, die sich durch Arbeit mehr Geld besorgen und nicht dadurch, dass sie nur lamentieren. Deswegen ist die Regelung der 400-Euro-Jobs alles in allem vertretbar und richtig. Sie ist eine Regelung, die eine Volkswirtschaft wie die Bundesrepublik Deutschland braucht. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags mit der Drucksache 14/8703 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – und an den Ausschuss für Frauenpolitik, an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie mitberatend. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.