Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

(Beifall von der FDP)

Lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen: Mit den Minijobs haben viele Menschen die Möglichkeit, sich etwas hinzu zu verdienen. Jeder Versuch, diese Möglichkeit wieder abzuschaffen, erhöht zwangsläufig die Schwarzarbeit und nicht die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

(Beifall von CDU und FDP)

Und noch eines: Das Geld, das viele Minijobber verdienen, fließt oft direkt wieder in den Konsum. Das kurbelt die Wirtschaft an. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brakelmann. – Jetzt hat Herr Dr. Romberg für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Brakelmann hat

es eben schon gesagt: Mit der Reform der Minijobs im Jahre 2003 wurde unter anderem die Begrenzung der Stundenzahl für die Minijobs auf 15 Wochenstunden aufgehoben. Die Sozialdemokraten waren also maßgeblich an diesem Schritt beteiligt, der mit dem vorliegenden Antrag rückgängig gemacht werden soll. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die SPD Stück für Stück von Ihrer früheren Agendapolitik verabschiedet.

(Beifall von der FDP)

Zunächst zur aktuellen Lage: Nach Auskunft der Minijobzentrale ist die Zahl der Minijobber im vierten Quartal 2008 leicht angestiegen und betrug 6,8 Millionen Beschäftigte. Vor allem die Beschäftigung im Haushalt hat zugelegt. Sie wuchs um 6,9 %. Interessant ist sicherlich auch noch folgende Zahl: 66 % der ca. 1,8 Millionen Arbeitgeber, deren Belegschaft auch geringfügig Beschäftigte umfasst, haben nicht mehr als zwei Minijobber. So viel zur Annahme, Minijobber hätten im großen Stil reguläre Vollzeitbeschäftigung verdrängt.

Beim SPD-Antrag fehlt definitiv die Darlegung eines Handlungsbedarfs. Man muss kreativ selbst recherchieren, um zu sehen, wer die Sozialdemokraten auf eine solche Idee gebracht hat.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Wer denn?)

Fündig wird man in der DGB-Schrift „Mini-Jobs im Widerstreit politischer Interessen“ aus der Reihe „Positionen + Hintergründe“ vom Februar 2008.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dadurch haben wir Sie angeregt, ins Thema einzusteigen!)

Dort wird behauptet, dass der Wegfall der Stundenbegrenzung zu einem Einfallstor für niedrige Stundenlöhne geworden ist. Das war es dann aber auch schon. Tatsache ist allerdings, dass auch bei Minijobs Tarifregelungen und Betriebsvereinbarungen gelten. Daher stehen die Behauptung des DGB und die Handlungsaufforderung der SPD in Ermangelung fundierter Argumente wirklich auf sehr tönernen Füßen.

Aus diesem Grund verweise ich darauf, dass die FDP-Bundestagsfraktion im Gegensatz zur SPD Vorschläge zu einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung der Minijobs unterbreitet hat. In einem Antrag vom Mai letzten Jahres schlägt die FDPFraktion eine Ausdehnung der Abgaberegeln für Minijobs auf Einkommen bis 600 € vor.

Ferner fordern wir, dass die Gleitzone, innerhalb derer reduzierte Sozialabgaben zu entrichten sind, auf Einkommen zwischen 600 und 1.000 € angehoben wird. Mit dieser verringerten Sozialabgabenbelastung wollen wir erreichen, dass die Arbeitnehmer ein höheres Nettoeinkommen erzielen. Auf diese Weise kann auch das Arbeitsplatzangebot für diesen Sektor erhöht werden.

Derartige Vorschläge wären geeignet, den Kampf gegen die Schwarzarbeit erfolgreicher als bisher zu führen. Der Vorschlag der SPD würde aber genau das Gegenteil bewirken und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die gerade in der Wirtschaftskrise notwendig ist, deutlich erschweren. Arbeitsplätze für geringfügig Beschäftigte würden schlicht und ergreifend verschwinden.

(Beifall von der FDP)

Zukunftsweisende Impulse sehen anders aus, liebe Sozialdemokraten. Sie haben wieder den Rückwärtsgang eingelegt und fahren ungebremst in die Vergangenheit. Viel Spaß dabei. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brakelmann, Sie sagen, dass Sie den Antrag und die Rede nicht so richtig verstanden haben. Ich versuche, es Ihnen zu erklären. Vielleicht verstehen Sie es, wenn ich es Ihnen sage.

(Peter Brakelmann [CDU]: Ich glaube nicht!)

Frauen haben die geringeren Einkommen, 23 % weniger. Es gab gerade eine breite Diskussion rund um den Equal Pay Day. Selbst Herr Minister Laschet hat sich dazu geäußert, dass das nicht gerecht ist und dass es so auch nicht funktionieren kann. Wir haben zwar die Regelung „Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit“, aber wir haben nicht „Gleicher Lohn bei gleichwertiger Arbeit“. Außerdem haben wir das Problem – das haben Sie schon ein wenig verstanden –, dass sich der größte Teil der Frauen in diesem Minijob-Bereich befindet. Frauen sind also überproportional im Niedriglohnsektor und im Minijob-Bereich.

Das Ganze hat natürlich einen Grund. Früher gab es das klassische Modell der Versorgungsehe. Der Mann war der Hauptverdiener, und es gab diesen Spruch: Du kannst ja ein bisschen was dazu verdienen. – Daher kommt noch diese Denkart, die in vielen eher konservativen Köpfen vorhanden ist, dass die Frau etwas dazu verdient. Das ist aber nicht mehr so.

Wer gestern aufmerksam die Medien verfolgt hat, hat mitbekommen, dass es bezogen auf den Unterhalt jetzt eine Rechtsprechung gibt, nach der die Frauen nicht mehr versorgt werden. Das heißt, das Modell der Versorgungsehe und des „Wir verdienen als Frauen ein bisschen was dazu“ ist vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das gibt es in dieser Gesellschaft nicht mehr. Frauen müssen selber für ihren Lebensunterhalt sorgen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die wollen das auch!)

Und Sie wollen das auch.

Wenn man die 63,3 % der Frauen in Minijobs fragt, ob sie nur einen Minijob haben wollen, erfährt man: Die Frauen wollen mehr verdienen, sie wollen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, damit sie Rentenpunkte bekommen und wissen, wovon sie im Alter leben sollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach einer Studie der Zeitschrift „Brigitte“ – man muss nicht „Brigitte“ lesen, um sich mit der Studie zu beschäftigen; aber die Studie ist gut – wollen die jungen Frauen beides: Sie wollen einen gut bezahlten Job und Familie und sie wollen, dass die Männer ein bisschen mehr von der Familienarbeit übernehmen, aber sie wollen sich selbst versorgen.

(Ralf Witzel [FDP]: Minijobs sind für viele Be- schäftigte höchst attraktiv!)

In welchem Zusammenhang die Minijobs stehen, kann ich Ihnen gerne erklären. Da brauchen Sie von der Seite gar nicht dazwischen zu rufen. Die Minijobs sind das Lukrativste für die Arbeitgeber. Nachdem Sie die Ladenöffnungszeiten verändert haben – Sie standen ja an der Speerspitze der Bewegung –, ist es in NRW ganz deutlich zu dem Trend gekommen, dass die Arbeitgeber die Vollzeitbeschäftigungen in kleine Minijobs zerlegt haben. Denn damit hatten sie nicht mehr Personalkosten. Diejenigen, die die Schwarze-Peter-Karte gezogen hatten, waren die Frauen, weil es jetzt im Verkauf nur noch diese 400Euro-Jobs gab und die Vollzeitjobs abgeschafft waren.

Auch in Nordrhein-Westfalen ist es so, dass in diesem Niedriglohnbereich 43 % der Frauen Minijobs haben. Die Zahl der Minijobs hat von 1995 bis 2006 um mehr als 15 % und jetzt noch einmal zugenommen. Das heißt, es ist ein unheimlich arbeitgeberfreundliches Modell. Und das kann es nicht sein.

Wir müssen dafür sorgen, dass man einmal – egal, ob es Laumanns Idee mit Clement war und die Grünen zugestimmt haben und die FDP es noch weiter wollte – eine Bilanz zieht und sagt, dass das kein tragfähiges Modell für die Frauen ist. Man muss überlegen, wie man es ändert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt einen Vorschlag von der SPD, aber es gibt noch viele andere Modelle. Man kann überlegen, ob man in bestimmten Bereichen sagt: Die Arbeitnehmerinnen werden noch von den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet und die Arbeitgeber nicht, und wir machen ab dem ersten Euro. Es gibt zahlreiche Modelle, die man diskutieren kann.

Frau Kollegin Steffens, kann ich Sie kurz unterbrechen?

Aber natürlich.

Ihr Kollege Schmeltzer möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Barbara Steffens*) (GRÜNE) : Herr Kollege Schmeltzer darf gerne zwischenfragen.

Bitte schön.

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Würden Sie mir recht geben, dass es, wie die Aufzählung der Tatsachen des Bürokratieabbaus von Herrn Brakelmann zeigt, jetzt gut ist, dass nicht mehr 15, 16, 17 und mehr Stunden nachgewiesen werden müssen, sondern dass es da ein bisschen Freiraum gibt, da – je höher sich die Stundenzahl bei einem 400-Euro-Job bemisst – der Stundenlohn immer weiter in den Keller geht?

(Ralf Witzel [FDP]: Den Stundenlohn handeln erwachsene Menschen als Vertragsparteien in Vertragsfreiheit selber aus!)

Das ist genau der Zusammenhang. Der Stundenlohn wird natürlich niedriger. Wir sehen ja, was manche Unternehmen mittlerweile für Stundenlöhne zahlen. Man muss nicht wie bei KiK vor Gericht gehen und Recht bekommen, dass es sittenwidrige Löhne sind, sondern die 400-Euro-Jobber gehen gar nicht vor Gericht und haben genauso sittenwidrige Löhne. Das Volumen ist das eine, bei dem die Arbeitgeber die Stundenlöhne immer weiter nach unten fahren. Das ist der eine Punkt.

Bei dem anderen Punkt, bei dem Sie vom Bürokratieabbau gesprochen haben, hat Herr Brakelmann auch ein bisschen quergedacht. Die Arbeitgeber wussten immer, für wie viele Stunden die Leute beschäftigt waren. Und das wissen sie auch heute noch, weil man das nachhalten muss. Der Bürokratieabbau geht da gegen Null.

Man könnte eher Bürokratie abbauen, indem man sagt, nicht jede Frau muss klagen, wenn sie einen sittenwidrigen Lohn bekommt, sondern man sollte dafür ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften einführen. Dann hätte man einen Bürokratieabbau. So beschäftigen wir die Gerichte mit KiK über Wochen und Monate. Dort könnten Sie zum Bürokratieabbau schneller und effektiver beitragen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das wird der Werbefunktionär Brakelmann sicher gern aufnehmen!)