Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Daher ist es für uns wichtig, dass alle Sponsoringmaßnahmen in einem transparenten Prozess eingeleitet werden, an dem neben der Schulleitung auch die Schulkonferenzen, also Eltern und Schüler, sowie der Schulträger beteiligt sind.

Sponsoring muss darüber hinaus auch klar in einem zeitlichen und materiellen Umfang vertraglich festgelegt werden. Es sollte unserer Ansicht nach eine kommunale Berichterstattung über alle Maßnahmen in einer Kommune durchgesetzt werden.

Ebenso ist es wichtig, dass aus allen fließenden Mitteln ein Pool gebildet wird, um so zu verhindern, dass nicht nur reiche Schulen in reichen Städten oder Stadtteilen Nutznießer solcher Fördermaßnahmen werden.

(Beifall von der SPD)

Ein Teil dieser Mittel sollte ebenso an alle Schulen einer Kommune fließen, auch an solche, die eben nicht die Möglichkeit der Drittmittelbeschaffung haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Bildungshoheit und Bildungsautonomie des Staates dürfen nicht den wirtschaftlichen Interessen der werbenden Wirtschaft untergeordnet werden. Das Abstandsgebot und das Diskursgebot staatlicher Bildungseinrichtungen müssen erhalten bleiben.

Aus diesem Grunde unterstützen wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und stimmen der Überweisung an den Schulausschuss zu. Wir freuen uns auf die Diskussion dort. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön. – Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mir schlecht vorstellen, dass die FDP-Landtagsfraktion im weiteren Beratungsgang und zu einem späteren Zeitpunkt dem hier von den Grünen vorgelegten Antrag noch etwas Positives abgewinnen kann und sich entschließen könnte, ihm zuzustimmen. Es spricht sehr, sehr viel dafür, dass wir bei unserer klaren Bewertung und Ablehnung bleiben.

Frau Beer, wie Sie das Thema Sponsoring von Schulen hier angefasst haben, war wirklich kleinteiligster staatlicher Steuerungswahn, was hier alles wie festgelegt werden sollte.

Ich würde mir wünschen, dass Sie ähnliche Kontrollziele hätten, wenn es um die Bildungsinhalte und die Qualität des Bildungswesens geht. Wenn wir da nämlich Controllingfragen ansprechen und sagen, wir brauchen Qualitätssicherung und Standardsicherung, dann gibt es bei Ihnen einen großen Aufschrei. Aber beim Sponsoring wollen Sie auf einmal schon ein Controlling, was die kleinteiligsten Finanzströme in der Finanzierung von Schulen angeht, und Sie glauben wieder an die große, starke, ordnende Hand des Staates, nur weil es bei Ihnen einen Pawlowschen Reflex gibt, wenn mal irgendwo Sponsoring auch auf Schulen zukommt.

(Beifall von der FDP)

Ich halte diese Debatte so wie Sie sie hier intonieren für rückwärts gewandt – bei aller Notwendigkeit einer hinreichenden und ausreichenden öffentlichen Finanzierung. Dazu stehen wir. Sie sehen ja, wir handeln. Wir werden den Bildungsbereich zukünftig finanziell besser ausstatten, als Sie das während Ihrer Verantwortung in den letzten zehn Jahren gemacht haben.

(Zurufe von der SPD)

Wir werden zusätzliche Ressourcen auf diesen Bereich konzentrieren. Denn wir sehen die Notwendigkeit, das öffentliche Bildungswesen hinreichend öffentlich zu finanzieren und nicht verfallen zu lassen. Wir sehen ja bei Pisa, was im Ergebnis bei dieser starken Unterfinanzierung herauskommt.

Unser Motto ist: Gartenschlauch statt Gießkanne. Wir müssen uns sehr viel differenzierter auch die Standorte in einem sozial problematischen Umfeld ansehen, die vielleicht nicht die gleichen Zugangsvoraussetzungen wie andere haben, auch was die Mittelakquise angeht. Sie werden dort besonders gefördert, wo ein besonderer Förderbedarf bei Schülern vorliegt.

Gleichzeitig gilt aber, Frau Beer: Jeder zusätzliche Euro, der in die Schulen kommt und zu einer besseren Finanzausstattung beiträgt, ist gut. Wir brauchen ein Rahmengerüst. Das haben wir auch im aktuellen Schulrecht. Es ist völlig klar, dass wir nicht jugendgefährdende Werbung annehmen werden, die auf die Schulen zukommt. Es ist auch völlig klar, dass es keine Konditionierung hin zu inhaltlichen Aussagen des Unterrichts geben darf. Das sind Selbstverständlichkeiten, die in der Vergangenheit praktiziert worden sind, auch bei dem, was Sie im Schulrecht formuliert haben. Das ist doch nicht ernsthaft die Gefahr, die heute an dieser Stelle besteht.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Verbraucherzentrale!)

Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir mehr Geld für den Bildungsbereich bekommen, wie wir das zusätzliche Interesse von privatem Engagement mobilisieren, damit ergänzend zu einer hinreichend öffentlichen Finanzierung weitere Qualitätssprünge möglich sind, die alleine die Staatlichkeit nicht gewährleisten kann.

Ich glaube, Frau Beer, mit einem bisschen Realitätssinn betrachtet: Junge Menschen, die nachmittags oder am Wochenende zum Sportverein gehen, die sich in Stadien aufhalten, sehen dort Bandenwerbung. Wenn es gelingt, die alte marode Turnhalle, die zusammenbricht, zu sanieren, und es einen Sponsor gibt, der irgendwo, wie es in jeder anderen Sportstätte der Fall ist, ein bisschen Bandenwerbung aufstellen möchte, dann ist das eher ein Fall, bei dem man sich unterhalten kann, ob man das jetzige Regelungswerk nicht noch lockern und über Öffnungsklauseln nachdenken muss.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Herr Witzel, das ist doch gar nicht das Problem!)

Aber keinesfalls sollte man hier zu weiteren Einschränkungen kommen.

Ein letzter Gesichtspunkt, der mich bei Ihnen wundert, ist Anspruch und Wirklichkeit, wenn es um Schulautonomie geht. Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass an einer Schule, die verantwortungsbewusst mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag umgeht, Schüler in irgendeiner Weise genötigt werden, bestimmte Kekssorten oder Bonbons oder sonst etwas zu essen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Da wundert mich Ihre Wahrnehmung, die Sie in diesen Bereichen haben, schon sehr.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Uns geht es um mehr Schulautonomie, Frau Beer, und zwar nicht als Worthülse in Sonntagsreden, sondern weil wir das als neue Regierung in Angriff nehmen werden. Sie reden gerne davon, wir machen es.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir möchten mehr Schulautonomie. Wir werden deshalb – Sie werden in Kürze unsere neuen gesetzlichen Regelungen sehen – die Themen in Angriff nehmen, die wir angekündigt haben. Es gibt mehr personelle Mitbestimmung in der Schule über die Auswahl des Schulleiters, damit mehr Eigenverantwortung für die Schulgemeinde, in Leitungsfragen den Kurs der Entwicklung dieses Schulstandorts zu begleiten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Aber die Schü- lermitbestimmung wird abgeschafft!)

Ich würde mir sehr wünschen, wenn wir Regelungen finden, wie wir die kommunale Entscheidung und Verantwortung jeder einzelnen Schule stärken, sich auch um weitere private Mittel zu bemühen.

Ich glaube, gerade Klassenfahrten – Frau Beer, Sie hatten die Debatte in der letzte Legislaturperiode nicht mitbekommen – sind ein sehr gutes Beispiel. Wenn die werbende Wirtschaft sagt, sie unterstützt das, wofür die öffentliche Hand zu wenig Geld ausgibt, um so soziales Miteinander von Schülern zu ermöglichen, dass sie Klassenfahrten machen können, nachdem wir gemeinsam festgestellt haben, wie wenig Euro pro Klasse das Land in der Vergangenheit zur Verfügung gestellt hat, dann sollten wir uns über diese Finanzspritze freuen und nicht jeden verteufeln, der als privater Sponsor bereit ist, den Bildungsbereich zukünftig besser auszustatten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Witzel. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Sommer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit ihrem Antrag „Keine Aufweichung des Werbeverbots an Schulen“ ein Thema aufgegriffen, das aus meiner Sicht von den Schulen sehr verantwortungsvoll behandelt wird. Sicher ist mir auch bekannt, dass es immer wieder mahnende Stimmen gibt, die eine bedenkliche Ausweitung der reinen Produktwerbung in den Schulen befürchten.

In diesem Sinne hat sich jedenfalls im Juni dieses Jahres der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meininger, im Gespräch mit der „Welt“ geäußert. Auch die Studie der Verbraucherzentrale, mehrfach erwähnt, auf die sich die grüne Fraktion in ihrem Antrag stützt, enthält solche kritischen Äußerungen.

Der uns heute vorliegende Antrag zeigt, dass es aber einen offensichtlichen Widerspruch in den Aussagen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gibt. Ich greife das auf, was Herr Witzel anmerkte. Sie treten für die selbstständige Schule ein. Sie wollen selbstständige Schulen und verhindern mit solchen Anträgen den Wettbewerb unter den Schulen. Das passt nicht zusammen. Zur Eigenverantwortlichkeit der Schulen gehört auch der Wettbewerb. Eigenverantwortung bedeutet, dass Schulen selbst darüber entscheiden, wie sie mit Werbung und Sponsoring umgehen.

Das Schulgesetz macht ganz klare Aussagen. Schulleitung, Schulkonferenz und Schulträger müssen sich im Grundsatz und auch im Einzelfall einig werden, wo die Grenzen der Werbung liegen sollen. Es ist klargestellt, dass die Präsentation der Werbung nicht im Vordergrund steht, sondern angemessen und zurückhaltend sein soll.

Sponsoring und Werbung sind behutsam zu handhaben. Das hat seinen Grund. Nicht umsonst findet sich die grundlegende Vorschrift in einem Runderlass des Innenministeriums des Landes zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung. Hier findet man auch klare Leitlinien für den Umgang mit Sponsoring. Über den Inhalt dieses Erlasses gibt es einen großen Konsens unter den Bundesländern. Darum ist meiner Ansicht nach eine Befassung der KMK mit diesem Thema nicht notwendig.

Das aktuelle Schulgesetz enthält Regelungen zur Werbung in Schulen und zu den Voraussetzungen von Sponsoring-Verträgen. Es sind die gleichen Regelungen, die es schon im Schulverwaltungsgesetz und der Allgemeinen Schulordnung gab. Es gibt bereits eine neunseitige Handreichung des Ministeriums „Schulsponsoring heute“, in der die Rechtslage anhand praktischer Beispiele ausführlich erläutert wird. Die Handreichung ist elektronisch in unserem Bildungsportal verfügbar.

Die neue Landesregierung beabsichtigt zurzeit nicht, an der geltenden Rechtslage etwas zu ändern. Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Bezirksregierungen die Schulen über das erlaubte Verfahren noch einmal in Kenntnis setzen und zur Beratung zur Verfügung stehen. – Herzlichen Dank. Einen guten Abend!

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Ministerin. – Es hat sich noch Frau Löhrmann gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ganz kurze Feststellung: Ich bin dankbar, dass die Ministerin sagt, an der geltenden Gesetzeslage solle aus ihrer Sicht nichts geändert werden. Diese Aussage haben wir heute sehr gerne gehört. Herr Witzel dagegen will etwas anderes.

Es gab einen Vorlauf: Damals war noch Frau Behler im Spiel, die eine viel breitere Öffnung für Werbung wollte. Wir haben es seinerzeit geschafft, Herrn Clement als Ministerpräsidenten von unserer Meinung zu überzeugen. Daraufhin ist das noch geändert worden. Das war uns Grünen sehr, sehr wichtig. Deswegen haben wir uns auch, Herr Trampe-Brinkmann, für eine gesetzliche Regelung eingesetzt und sie auch durchgesetzt, sind also mitnichten untätig gewesen.

Herr Witzel hat hier seine Sprechplatte „Neoliberalismus pur, Wettbewerb ist dieses und jenes“ aufgelegt und gar nicht gemerkt, worüber wir hier eigentlich gesprochen haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Wider- spruch von der FDP)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hat etwas mit Werten zu tun. Und da wissen Sie ja, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner nicht immer so gut aufgestellt sind, wie Sie selber sich das wünschen würden. – Herzlichen Dank und einen schönen Abend.