Ich verweise etwa auf Art. 12 der Landesverfassung, in dem ausdrücklich die Gemeinschaftsschule als christliche Gemeinschaftsschule statuiert ist, die allerdings offen ist – selbstverständlich – für alle Weltanschauungen, für alle Bekenntnisse. Beides schließt einander also nicht aus: der christliche Charakter unserer Bildungs- und Kulturtradition auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Offenheit gegenüber allen Religionen und allen Weltanschauungen in unserem Land.
Das heißt aber auch: Die Darstellung dieser grundlegenden Bildungs- und Kulturwerte kann an öffentlichen Schulen weiterhin zulässig bleiben; denn sie steht eben für eine von konkreten Glaubensinhalten losgelöste Werteordnung, Werte wie die unantastbare Menschenwürde und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Das hat, Frau Kollegin Löhrmann, das Bundesverwaltungsgericht in Überprüfung der Verfassungskonformität des baden-württembergischen Kopftuchgesetzes, das wir bis in die Details übernehmen, ausdrücklich bestätigt.
Das Kopftuchgesetz ist im Übrigen im Landtag von Baden-Württemberg nicht nur mit den Stimmen FDP und CDU, sondern auch mit Unterstützung der Sozialdemokraten angenommen worden. Deswegen möchte ich die Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion ausdrücklich ermutigen, sich unserem Gesetzentwurf anzuschließen, wie das in Baden-Württemberg geschehen ist, damit wir wirklich einen möglichst
Es fehlt in Ihrer Fraktion auch nicht an Stimmen – das gilt auch für die Bundestagsfraktion –, die genauso positiv zu dem Kopftuchverbot Stellung beziehen, wie wir das heute tun. Ich erwähne nur Ihre türkischstämmige Kollegin Akgün, die Bundestagsabgeordnete aus Köln, die in glasklaren Worten gesagt hat, dass das Kopftuch als politisches Symbol an unseren Schulen nichts verloren hat und dass das in ihrer Wahrnehmung ein Ausdruck der Ungleichbehandlung von Mann und Frau ist.
Die türkisch stämmige Rechtsanwältin Seyran Ates, die am 8. März 2004 den Frauenpreis der Berliner Senatsverwaltung erhalten hat, hat – das fand ich sehr bemerkenswert – eine falsch verstandene Toleranz in dieser Frage beklagt und ausgeführt:
Deutschland hat eine belastende Geschichte. Aber das gibt niemandem das Recht, das Kopftuch als Alibi zu benutzen. Es gehört nicht in die Schule. Es hat nichts mit Toleranz zu tun. Es ist Ausdruck extremer Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Deutsche denken, sie respektieren damit eine andere Kultur, aber dieser Respekt hat falsche Wurzeln. Er begünstigt die Fortschreibung von zweierlei Recht für Männer und Frauen. Der übertriebene Anspruch an die eigene Toleranz macht sie blind und fördert so schlimmste Formen von Intoleranz.
Seyran Ates spricht nicht nur vom Kopftuch, sondern auch von Menschenrechtsverletzungen, von Zwangsverheiratungen, von sogenannten Ehrenmorden. Das ist schon ein schlimmer Begriff, der für Verbrechen steht, die in der Mitte der Gesellschaft auch bei uns in Nordrhein-Westfalen geschehen, über die im politischen Raum viel zu lange geschwiegen worden ist. Das sind Verbrechen, die Ausdruck von Parallelgesellschaften sind, wie wir sie, meine Damen und Herren, in Nordrhein-Westfalen ebenso wenig wie in Deutschland insgesamt akzeptieren können.
Diese erschreckenden Fehlentwicklungen sind im Übrigen Beleg dafür, dass die alte Multikulti-Politik erkennbar gescheitert ist. Sie muss durch eine aktive Integrationspolitik abgelöst werden. Darüber werden wir gleich, aber sicherlich auch in den nächsten Wochen und Monaten hier intensivst debattieren. Die falsch verstandene und erfolglose
Dabei geht es nicht darum, kulturelle wie religiöse Vielfalt einzuschränken. Ganz im Gegenteil: Es geht um die uneingeschränkte Anerkennung einer freiheitlichen Werteordnung, deren Wesensgehalt, meine Damen und Herren, gerade Selbstbestimmung, gleiche Rechte für alle, für Männer wie für Frauen, und auch die Offenheit und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Weltanschauungen ist. Das ist das Wesensmerkmal der Werteordnung, die wir in Zukunft auch in Richtung derjenigen, die sich hier in fundamentalistischen Parallelgesellschaften eingerichtet haben, aktiver verteidigen müssen.
Wir brauchen, meine Damen und Herren, einen offenen und ehrlichen Dialog mit allen Muslimen. Wir sehen unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger als Bereicherung an für unsere Gesellschaft gerade in Nordrhein-Westfalen. Aber wir müssen ihnen auch sagen, dass wir Parallelgesellschaften nicht dulden und dass wir ein klares Bekenntnis zu unserer Werteordnung verlangen, ein Bekenntnis zu einer Werteordnung, die die Basis für das freiheitliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen ist. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Die erste: Ja, wir nehmen den Hinweis, die Warnung des Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Herrn Kufen, sehr ernst, im Rahmen der Debatte, die wir heute und in den kommenden Wochen und Monaten zu führen haben, kein Porzellan zu zerschlagen. Aber, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe erhebliche Zweifel, ob nicht schon mit der Vorlage
Der zweite Hinweis, damit keine Missverständnisse entstehen können: Natürlich besteht die SPDFraktion darauf, dass Mäßigungs-, Zurückhaltungs- und Neutralitätspflichten von Lehrerinnen und Lehrern, also das, was sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt, auch eingehalten werden. Näheres dazu wird gleich meine Kollegin Schäfer ausführen.
Der dritte Punkt – um auch das zu verdeutlichen, das klang gerade auch bei Herrn Kollegen Papke an –: Es ist in der Tat so, dass in unserer Landtagsfraktion, in anderen SPD-Fraktionen in den Landtagen und in der Bundestagsfraktion über die Frage des Kopftuchs diskutiert wird. Die Fragen: „Wofür steht dieses Kopftuch? Ist es ein politisches Symbol? Ist es ein religiöses Symbol? Ist es ausschließlich ein politisches Symbol?“, Herr Kollege Papke, sind eben nicht so eindeutig zu beantworten, wie Sie es gerade getan haben. Die Gutachterinnen und Gutachter, die wir 2004 angehört haben, haben das auch nicht beantworten können, sondern gesagt: Im Zweifelsfalle handelt es sich um ein religiöses Symbol. – Natürlich wird bei uns über die Frage diskutiert: Was soll dieses Symbol hinsichtlich der Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft oder in Teilen der islamischen Gesellschaft nach außen deutlich machen?
Sind nicht die Themen Zwangsheirat, das Sie angesprochen haben, und Ehrenmorde – ich wage gar nicht, diesen Begriff zu nennen, weil er sehr unglücklich ist – viel wichtiger? Herr Kollege Papke, die Täter, die wir konsequenter verfolgen müssten, deren Taten wir verhindern müssten, tragen keine Kopftücher. Daran können wir es nicht festmachen.
Nach diesen Vorbemerkungen sagt meine Fraktion trotz aller Notwendigkeit der Diskussion, wie ich es dargestellt habe – und wir werden diese Diskussion führen –, ganz eindeutig: Den vorliegenden Gesetzentwurf lehnen wir ab.
Dinge klären. Wir sehen einen Regelungsbedarf. Das heißt, das Problem muss auch eine gewisse Größenordnung haben, um zu sagen: Da müssen wir als Parlament oder Landesregierung initiativ werden und ein Gesetz vorlegen. Wir müssen sagen können: Wir haben einen dringenden Handlungsbedarf; deshalb müssen wir etwas tun. Allein an diesen Kriterien, meine Damen und Herren, lässt sich feststellen, dass die notwendige Dimension nicht gegeben ist.
Kollegin Schäfer wird gleich darauf eingehen, aber zwei Zahlen will ich noch nennen – sie sind schon häufig genannt worden –: 22 von 116.000 Lehrerinnen sind betroffen. Ich denke, dass ausreichend dienstrechtliche Regelungen bestehen, um sich damit auseinander zu setzen.
Nächster Punkt, meine Damen und Herren: Sie begeben sich ohne Not, Sie führen uns ohne Not auf ein verfassungsrechtlich außerordentlich bedenkliches Glatteis.
Es ist richtig, dass Sie sich an das badenwürttembergische Gesetz vom 1. April 2004 anlehnen. Sie haben auch zu Recht auf die Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht vom Juni 2004 hingewiesen. Aber wir alle wissen doch auch – die Experten haben uns darauf hingewiesen –, dass das Grundrecht auf Religionsfreiheit in streitigen Fragen vom Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit höher bewertet worden ist als vom Bundesverwaltungsgericht. Die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts in dem damals laufenden Klageverfahren, das mittlerweile nicht mehr aufrechterhalten worden ist, gingen eindeutig in diese Richtung.
Schließlich begeben Sie sich in eine, wie ich finde, außerordentlich riskante Auseinandersetzung über Werte. Es ist doch nicht so, dass irgendjemand aus der SPD-Fraktion oder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diese Wertediskussion nicht führen will. Aber machen Sie den richtigen Einstieg dazu, meine Damen und Herren,
indem Sie die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts wegwischen? Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt – ich darf zitieren –:
„Schließlich bedarf die Einführung einer Dienstpflicht, die es Lehrern verbietet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Religionszugehörigkeit erkennbar zu machen, auch deshalb einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, weil eine solche Dienstpflicht in verfassungsgemäßer … Weise nur begründet und durchgesetzt
werden kann, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleich behandelt werden.“
Damit, meine Damen und Herren, sind wir bei dem sogenannten Privilegium Christianum. Ich muss eindeutig sagen: Wenn eine Mehrheit dieses Hohen Hauses den Gesetzentwurf verabschiedet, laufen Sie Gefahr, dass durch das Gesetz auch die beiden christlichen Kirchen betroffen sind. Dass Sie das nicht wollen, unterstelle ich Ihnen. Wenn ich Herrn Witzel neben Herrn Papke sitzen sehe, frage ich mich allerdings, ob das nicht zumindest bei Ihnen, Herr Witzel, auch Zielsetzung ist.
Sie haben sich ja noch im September in einer Presseerklärung ziemlich eindeutig dazu eingelassen. Sie haben die Pläne von Ministerin Sommer, die sich damals dazu geäußert hatte, begrüßt, aber hinzugefügt, ein Verbot religiös aufdringlicher Symbole im Unterricht dürfe sich nicht auf das Kopftuch beschränken. Die religiöse Neutralität an öffentlichen Schulen müsse insgesamt gewahrt werden. Ich fordere Sie auf, Herr Witzel, Herr Papke und die FDP-Fraktion: Reden Sie Tacheles.
Bekennen Sie eindeutig, dass Sie diese Chance nutzen, um auch ein Stück weiter auf dem Weg hin zu einem laizistischen Staat zu kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie: Ist diese Diskussion über den Gesetzentwurf eigentlich der Gesamtdiskussion zum Thema Integration, die wir führen müssen, angemessen? Wir werden gleich noch Gelegenheit haben, darüber ausführlicher zu reden.