Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Kollegin Asch das Wort für die antragstellende Fraktion. Bitte schön, Frau Kollegin Asch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind beim letzten Punkt dieser Tagesordnung angekommen. Dass die Lesben und Schwulen auf dem letzten Platz – noch nach den Strafgefangenen – gelandet sind, scheint mir doch symptomatisch zu sein.
Meine Fraktion fordert mit ihrem Antrag die Landesregierung auf, einen Bericht vorzulegen, der erläutert, was in der Lesben- und Schwulenpolitik in der Zeit der schwarz-gelben Landesregierung für Lesben und Schwule unternommen beziehungsweise was zum Abbau von Diskriminierung geleistet wurde. Meine Fraktion – den meisten Lesben und Schwulen, mit denen ich in Nordrhein-Westfalen gesprochen habe, geht es nicht anders – kann kaum ein Fortkommen oder Fortschritte erkennen.
Ich habe zurückgeschaut und mich gefragt: Was hat die Landesregierung in diesem Bereich unternommen? – Die erste Aktion, mit der man kurz nach der Wahl direkt einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen hat, war, dass Minister Laschet das Handbuch für Multiplikatoren in Schule und Jugendhilfe einfach aus dem Verkehr gezogen hat.
Sinnigerweise trug dieses Handbuch den Titel „Mit Vielfalt umgehen – Sexuelle Orientierung und Diversity in Erziehung und Beratung“, und daher hätte eigentlich jeder und jede wissen müssen, wie Sie als Landesregierung mit Vielfalt umzugehen gedenken. Das war 2005.
Wie ging es dann weiter? – Als Erstes wurde dann in Folge am 01. Januar 2006 die AkzeptanzKampagne gestrichen. Die Begründung war, die Akzeptanz sei bereits erreicht. Ob das auch der Grund war, warum noch im gleichen Jahr die För
dermittel für die Lesben- und Schwulenarbeit gekürzt wurden, weiß ich nicht. Ich vermute allerdings, auch hier stand die Aussage dahinter: Die Akzeptanz ist bereits erreicht.
Auch in den folgenden Jahren kann ich beim besten Willen nichts Wesentliches ausmachen, das die Landesregierung in der Lesben- und Schwulenpolitik vorzuweisen hat.
Ich will hier nur zwei Beispiele aufführen, die nicht nur für die Homosexuellen in Nordrhein-Westfalen enttäuschend waren.
Mein erstes Beispiel: Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Möglichkeit, die Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften mit verheirateten Beamten und Beamtinnen herbeizuführen, auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben. Erst hieß es: Nicht jetzt, nicht heute, nicht zu diesem Zeitpunkt. Das machen wir im Rahmen einer großen Reform. – Später wurde dann verkündet, dass die große Reform in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Angriff genommen werden soll. Und dass die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft auch bei der jetzigen Änderung der dienstrechtlichen Vorschriften keine Rolle spielt, hat mich dann nicht mehr verwundert.
Das zweite Beispiel betrifft die Versorgungswerke. Auf unsere Anfrage, was denn die Landesregierung unternimmt, um die berufsständischen Kammern zu bewegen, den Ansprüchen der Europäischen Kommission gerecht zu werden und die gebotene Gleichstellung umzusetzen, war man sich aufseiten der Landesregierung nicht zu schade, sich auf das Argument der Satzungsautonomie der Körperschaften zurückzuziehen. – Also auch hier sehe ich kein Fortkommen, keine Aktion und keine Aktivität der Landesregierung.
Ich will, meine Damen und Herren, nicht unterschlagen, dass es an der einen oder anderen Stelle auch Unterstützung gab und gibt. Allerdings beschränkt sich diese Unterstützung nur auf den ideellen Teil. Sie finden schöne Worte – Herr Laschet macht das ja immer sehr nett –,
Ich erwähne beispielhaft, dass der Minister die ARCUS-Stiftung mit seiner Anwesenheit unterstützt hat, aber der Diskussion über eine Zustiftung, die das Land Geld kosten würde, geht man lieber aus dem Weg.
Genau das Gleiche gilt für die wichtige und hervorragende Arbeit von SchLAu NRW. Es reicht eben nicht, meine Damen und Herren, dass zwar im Amtsblatt für ein Projekt von SchLAu geworben wird, aber die weitere Unterstützung ausbleibt. Es reicht eben nicht, immer nur zu sagen: „Es ist toll,
Es gibt noch ein Symptom dafür, dass die Unterstützung für die Schwulen und Lesben in NordrheinWestfalen nicht mit dem nötigen Nachdruck geleistet wird: Innerhalb des Apparates, innerhalb des Ministeriums hat es in den letzten Jahren eine Verschiebung der Prioritäten gegeben. Die Arbeit, für die ursprünglich einmal vier Vollzeitkräfte eingestellt worden sind, soll heute eine einzige Vollzeitkraft erledigen, die zusätzlich 15 weitere Felder mitbearbeiten muss.
Es wird Sie also nicht erstaunen, dass ich den Eindruck habe, dass man die immer noch unverzichtbare Arbeit und die Verwaltung des Mangels den Lesben-/Schwulen-Verbänden überlässt, die am Hungertuch nagen müssen und nur unzureichend finanziell unterstützt werden.
Meine Damen und Herren, ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich mich irre und dass mich und uns alle ein Bericht der Landesregierung vielleicht eines Besseren belehrt. Wenn Sie meinem Antrag zustimmen, dann haben Sie die Chance, den Eindruck, den die schwul-lesbische Community und wir als Grüne haben, zu widerlegen. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. – Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Osterfest und erholsame Osterferien.
Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Ratajczak das Wort. Bitte schön, Herr Ratajczak.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Asch, Sie machen wirklich aus jeder Mücke einen Elefanten. Letztendlich ist es Beschlusslage des Ältestenrates – dort ist auch ihre Fraktion vertreten –, den Tagesordnungspunkt nach vorne zu schieben, und ich kann überhaupt nicht erkennen, dass es in irgendeiner Weise wieder eine Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist, dass es per Zufall der letzte Tagesordnungspunkt ist. Mein Gott! Man kann es auch wirklich übertreiben!
Ich kann auch sagen, dass die Präsidentin Mitte Mai – und darauf bin ich auch sehr stolz – pünktlich zur Vorbereitung des CSD einen Empfang für das Schwule Netzwerk NRW und alle beteiligten Verbände veranstalten wird. Auf der Tribüne sitzen auch Vertreter – darüber freue ich mich sehr –, die sich die Debatte heute hier anhören werden. Herzlich willkommen, Herr Popp und Weggefährten! – Nein, Frau Asch, Sie übertreiben es wieder maßlos, und dies spiegelt wieder einmal Ihre pure Polemik wider.
Nun zur Sache. Ich hätte mir schon gewünscht, Frau Asch, dass Sie etwas zu Ihrem Antrag gesagt hätten und warum es letztendlich besser wäre, einen neuen Bericht zu erstellen, wieder 70 Seiten zu schreiben, und wie das dazu beitragen soll, Schwule und Lesben vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie haben wieder alte Dinge aus dem Hut gezaubert, die fünf Jahre her sind, die schon längst geheilt sind und über die kein Mensch mehr spricht. Sie haben einfach kein neues Thema.
Ich spreche jetzt ein bisschen zu Ihrem Antrag, weil wir diesem natürlich nicht zustimmen können, und ich möchte Ihnen auch die guten Gründe nennen, warum das so ist.
Für alle, denen es nicht so bekannt ist, weil sie nicht in der Community sind, will ich es erläutern: Der Christopher Street Day erinnert an den StonewallAufstand in der Christopher Street vor gut 30 Jahren. Es ist 30 Jahre her, als mit Polizeirazzien massiv gegen Homosexuelle in Gaststätten vorgegangen worden ist. Gott sei Dank ist das lange vorbei.
Gott sei Dank ist auch die Zeit lange vorbei, als Politiker auch aus meinen Reihen im Frühjahr 1971 sagten: Ich will lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder sein. – Diese Dinge sind glücklicherweise schon lange Geschichte.
Und noch eine Zeit ist vorbei – und darüber freue ich mich besonders –, nämlich die Zeit von RotGrün mit ewig langen Berichterstattungen
und regelmäßigen Berichten, die nichts dazu beigetragen haben, um an der Situation etwas zu ändern, sondern einfach nur Leute beschäftigt haben.
Diese Berichte haben den Leuten vor Ort in keinster Weise geholfen. Wenn ich mit meinem Freund nachts irgendwo durch die Stadt gehe, dann werden wir zum Teil genauso angemacht wie früher, und da hilft mir auch kein Bericht, den irgendjemand irgendwann einmal geschrieben hat, Frau Asch. Deshalb müssen wir anders vorgehen, und hier helfen uns auch keine ausführlichen Berichtswesen.
Nein! Wir konzentrieren uns lieber auf das Handeln und nicht auf irgendwelche Berichte und lange Reden.
Frau Asch, Sie haben die Kürzungen angesprochen. Ja, Frau Asch, wir haben die Mittel gekürzt – wie in vielen anderen Bereichen auch. Wir mussten aus haushaltsrechtlichen Gründen in dem Bereich etwas kürzen. Einen Stillstand, den Sie ansprechen, gibt es jedoch nicht.
Wir fördern wichtige Projekte – das ist die Wirklichkeit – wie psychosoziale Beratungsstellen, Antigewaltprojekte. Das Programm SchLAu haben Sie angesprochen. Das alles sind wichtige Projekte, die tatsächlich helfen, Diskriminierung zu vermeiden. Auch die aktuelle Studie der europäischen Agentur für Grundrechte sagt: Jede vierte Lesbe und jeder zehnte Schwule haben bereits körperliche Bedrohung erfahren. Davor verschließen wir nicht die Augen, Frau Asch.
Natürlich gibt es das. Aber da hilft uns kein Bericht weiter, sondern wir müssen weitere Dinge entwickeln.
Die Selbstmordrate ist bei homosexuellen Jugendlichen um das Vierfache höher als bei heterosexuellen Jugendlichen. Natürlich beschäftigen uns diese Dinge. Natürlich stören uns Schimpfwörter wie „Schwule Sau“ oder „Schwuchtel“, was immer noch in den Schulen tagtäglich gesagt wird. Natürlich müssen wir daran weiterarbeiten. Aber auch da helfen uns keine Berichte weiter, die Sie jetzt einfordern. Das war vielleicht 1998 so. Das ist schon lange her. Damals war es vielleicht gut, weil es ein neues Politikfeld war. Aber heute sind wir in anderen Zeiten; da hat sich das geändert.
Notwendig sind andere Dinge, beispielsweise Homophobie bei islamischen Jugendlichen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Hier müssen wir neue Akzente setzen, neue Ideen entwickeln. Auch dafür brauchen wir keine langen Berichte, sondern es sind möglicherweise Gespräche mit den Verbänden nötig, wie wir das regeln können.
Herr Kollege, Sie sagen die ganze Zeit, was man nicht machen muss. Ich bin daran interessiert zu erfahren, was man konkret machen muss, denn Gespräche können Sie schon die ganze Zeit führen.
Es gibt Mittel wie beispielsweise SchLAu und viele andere Aufklärungsarbeit in den Schulen. Natürlich muss man überlegen, ob man mit den vorhandenen Mitteln umgehen kann. Eventuell müssen andere Schwerpunkte gesetzt werden, wie es beispielsweise in diesem Bereich geschieht. Da passiert ja schon etwas. Man
darf die Augen nicht verschließen und muss möglicherweise in eine neue Richtung gehen. Als Beispiel nenne ich die ARCUS-Stiftung, Frau Steffens. Dort wird ja schon in eine neue Richtung gegangen. Diese Stiftung wird mit Privatmitteln unterstützt.
Erstens. Antidiskriminierung heißt für mich nicht, immer etwas Besonderes zu sein. Ein solcher Bericht macht einen immer etwas besonders. Ich halte uns nicht für etwas Besonderes. Es gibt auch keinen Bericht für Brillenträger. Warum soll es immer einen Bericht für so etwas geben? Das halten wir nicht für notwendig.