Jetzt komme ich zu der Abstimmung über den gesamten Entschließungsantrag Drucksache 14/8951. Wer stimmt ihm zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit des Hohen Hauses angenommen.
4 Einsturzkatastrophe in Köln: Landesregierung muss gegen organisierte Verantwortungslosigkeit beim U-Bahn-Bau vorgehen!
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Becker das Wort.
Ich bitte Sie, relativ ruhig den Plenarsaal zu verlassen und die Gespräche nach draußen zu verlagern, damit sich der Redner an diejenigen wenden kann, die im Hohen Hause verbleiben und zuhören wollen.
Danke schön, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 3. März hat sich in Köln ein schweres Unglück ereignet, bei dem zwei Menschen ihr Leben gelassen haben, bei dem ein wertvolles, weit über Köln und Deutschland hinaus bekanntes Stadtarchiv eingestürzt ist und bei dem wir letztlich nur einem glücklichen Umstand und sehr wachsamen Bauarbeitern zu verdanken haben, dass es nicht zu einer Katastrophe mit deutlich mehr Toten und Verletzten gekommen ist. Heute, vier Wochen nach diesem Unfall, kennen wir immer noch nicht alle Umstände und schon gar nicht alle Ursachen dieses Unglücks. Trotzdem geht seit Kurzem der U-Bahn-Bau in Köln weiter.
Ein Oberbürgermeister hält sich für nicht verantwortlich, tritt als OB-Kandidat zurück, bleibt als OB im Amt. Ein Technikvorstand, der über das Parteibuch in dieses Amt gekommen ist, tritt nicht zurück, hält sich ebenfalls für nicht verantwortlich. Und ein Ministerpräsident geht nicht ans Telefon, wenn ihn der Oberbürgermeister anruft.
Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit schaut fassungslos nach Köln. Der MP schaut weg, er geht nicht einmal ans Telefon.
Das ist kein Quatsch. – Nach dem Versagen der Herren Schramma, Reinarz und letztlich der Landesregierung ist festzustellen: Wir haben es mit staatlich organisierter Verantwortungslosigkeit zu tun.
Meine Damen und Herren, es ist behördliche Praxis, dass sich bei Investitionen im U-Bahn-Bau der Bauherr selbst als Aufsicht kontrolliert. Deswegen gehört dieses Thema in den Landtag. Die Verantwortung wird durchdelegiert. Aber es gibt Verantwortung, und es gibt auch Handlungsbedarf, um die Verantwortlichkeit wieder durchzusetzen. Um diesen Punkt geht es heute.
Meine Damen und Herren, für die technische Bauaufsicht sind die Bezirksregierung Düsseldorf und der Verkehrsminister zuständig. Selbstverständlich stellt sich die Frage, was die technische Bauaufsicht getan hat. Diese technische Bauaufsicht ist personell so ausgestattet, dass sie für den U-Bahn-Bau in der Hälfte des Landes lediglich eine zuständige Person hat. Diese eine Person hat möglicherweise beim Durchdelegieren der Verantwortung – nicht sichtbar für die Öffentlichkeit – Unterlassungen begangen oder bisher die Unterrichtung der Öffentlichkeit versäumt.
Zur technischen Bauaufsicht stellen wir folgende Fragen, Herr Minister: Welche Auflagen zur Kontrolldichte, zur Kontrolltiefe und zu den Berichtspflichten gab es? Welche Stichproben wurden durch die technische Bauaufsicht gemacht, um festzustellen, durch wen und mit welchen Ergebnissen die Aufsicht durchgeführt wurde? Zu welchem Zeitpunkt ist die Bezirksregierung von der Stadt oder den Kölner Verkehrsbetrieben über die ersten Erkenntnisse des hydraulischen Grundbruchs informiert worden? Zu welchem Zeitpunkt hat die Bezirksregierung Düsseldorf von dem seit September 2008 vorliegenden Gutachten des Aachener Hochschulinstituts für Geotechnik Kenntnis genommen? Hat die Bezirksregierung jemals Einsicht in die Bautagebücher genommen? Sind die Kölner Verkehrsbetriebe der gesetzlichen Informationspflicht nachgekommen, die technische Bauaufsicht über alle relevanten Erkenntnissen oder Veränderungen bei der Bauausführung zu informieren? Was hat die technische Bauaufsicht bis heute getan, um sich diese Informationen, wenn sie nicht alle vorliegen, zu beschaffen?
Meine Damen und Herren, jeder und jede von uns weiß, bei Einfamilienhäusern und insbesondere bei Mehrfamilienhäusern gibt es eine Reihe von Auflagen, und es wird intensiv geprüft. Das unterscheidet sich offensichtlich von diesem Vorgang hier im Land. Wir stellen die Frage, ob es nicht in Köln angesichts der mehrfachen Kostenexplosion bei dem
U-Bahn-Bau möglicherweise zu einer Haltung gekommen ist, die die steigenden Sicherheitsanforderungen in Konkurrenz zu den steigenden Baukosten gesetzt hat. Das soll heißen: Es stehe die Frage im Raum, ob die Bauherrenschaft in Kombination mit der Aufsicht nicht zu einem falschen Blick auf die Relevanz von Sicherheitsforderungen gekommen ist.
Ich möchte noch etwas zu der gesellschaftlichen Folie sagen. Die gesellschaftliche Folie für diese Entwicklung in den letzten Jahren allerorten ist der permanente Abbau von öffentlicher Kompetenz, von öffentlichen Stellen, von Aufsichtskompetenz. Wenn wir uns in diesem Hause an vielen Stellen über Ihre Haltung in der Regierung und Ihre Haltung zur öffentlichen Verwaltung auseinandersetzen, dann stellen wir fest: Bei Ihnen ist immer wieder das Primat „Privat vor Staat“ im Raum. Sie begreifen bis heute nicht, dass sich das mit den berechtigten Sicherheitsanforderungen der Öffentlichkeit gerade an öffentliche Verwaltung und öffentliche Bauten bricht.
Dieser Bruch ist an vielen Stellen zu merken. Deswegen sagen wir Ihnen: Kehren Sie um! Sorgen Sie mit uns zusammen dafür, dass in den Kommunen, in den Bezirksregierungen, im Land die Aufsicht nicht eine Schimäre bleibt oder wird, sondern dass Aufsicht von der Öffentlichkeit wieder ausgeübt wird. Darauf hat die Öffentlichkeit einen Anspruch. Darauf haben die Menschen einen Anspruch, die sich unsicher wähnen, insbesondere in Köln. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs und der angrenzenden Gebäude im Zuge des U-Bahn-Baus am 3. März 2009 haben zwei junge Männer auf tragische Art und Weise ihr Leben verloren. Ich bringe an dieser Stelle für die CDULandtagsfraktion unsere Betroffenheit und unser Mitgefühl mit den Angehörigen zum Ausdruck.
Die weiteren Bewohner der vom Einsturz betroffenen Häuser haben ihren Besitzstand verloren und sehen sich deshalb wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt.
Darüber hinaus haben wir den Verlust unbezahlbarer Kulturgüter zu beklagen, die nicht nur zum Erbe der Stadt Köln gehören, sondern in vielfältiger Weise Auskunft über unsere Wurzeln sowie über Politik, Geschichte, Religion und Kultur weit über die Stadt Köln hinaus geben.
Unser Dank gilt den Hilfskräften, die unermüdlich gesucht haben, um die Opfer zu bergen. Nach wie vor wird daran gearbeitet, wenigstens einen Bruchteil dessen zu bergen und zu erhalten, was dem Stadtarchiv anvertraut worden ist. Außerdem wurde unverzüglich mit der Sicherung des Umfeldes der Unfallstelle begonnen.
Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung durch den Erdrutsch in der Kölner Severinstraße drängt sich unweigerlich die Frage nach den Gründen, nach der Verantwortung, nach technischen Mängeln oder nach menschlichem Versagen auf. Zweifellos müssen alle diese Punkte ihrer Klärung zugeführt werden.
Darüber hinaus gilt es aber auch, festzuhalten, dass die Suche nach Verantwortlichkeiten die größte Sorgfalt erfordert. Außer Frage steht dabei, dass die Ursachen und Umstände, die zum Einsturz der Kölner U-Bahn-Baustelle geführt haben, rückhaltlos, in vollem Umfang, ohne Ansehen der Personen und sachgerecht durchgeführt werden müssen.
Dieser Prozess hat unmittelbar nach dem Unglück begonnen und ist keineswegs abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Untersuchungen eingeleitet und das Verfahren aufgenommen. Wir konnten der Presse entnehmen, dass am vergangenen Dienstag zeitgleich über 40 Büros von Bau- und Ingenieurfirmen sowie der KVB durchsucht wurden. Auf der Grundlage beschlagnahmter Akten werden die Vorgänge untersucht und wird dem Verdacht der fahrlässigen Tötung und der Baugefährdung nachgegangen.
Unser Urteil ist ganz deutlich, Herr Becker. Alle diese Fragen sind bisher noch nicht hinreichend beantwortet. Wir wollen keineswegs in irgendeiner Form dazu kommen, eine Verurteilung vorzunehmen, eine öffentliche Anklage zu erheben oder wie auch immer. Dafür ist es nach unserem Eindruck noch viel zu früh.
Jetzt ist nämlich die Stunde der Justiz, der überdies nicht nur die Ermittlungen zukommen, sondern die, wie es in unserem Rechtsstaat vorgesehen ist, gegebenenfalls Anklage erhebt sowie die Zuweisung von Verantwortung und am Ende möglicherweise auch die Verurteilung verantwortlicher Personen vornimmt. Daneben sind, wie es sein muss, seitens der verantwortlichen Aufsichtsbehörden, der Regierungspräsidien in Köln und Düsseldorf, auch dienstrechtliche und aufsichtsrechtliche Prüfungen in Gang gesetzt worden.
Meine Damen und Herren, keine dieser Aufgaben kommt der Politik zu. Wohl aber sind wir dazu aufgefordert, die Aufarbeitung der Vorgänge zu begleiten. Erst dann, wenn gesicherte Erkenntnisse über Ursachen und Verantwortlichkeiten vorliegen, obliegt es möglicherweise dem Gesetzgeber und damit der Politik, Änderungen am Rechtsrahmen vorzunehmen, innerhalb dessen zukünftig Großprojek
Die Frage, ob es sich um ein Versagen der Bauaufsicht handelt, ist vor diesem Hintergrund genauso ungeklärt, wie die Ursachen, die zum Einsturz geführt haben, ebenfalls noch abschließend zu benennen sind.
Eingedenk all dieser Unsicherheiten kann ein Antrag, der in fettgedruckten Lettern gleich in der Überschrift das Ende der organisierten Verantwortungslosigkeit fordert, ja diese sogar als strafrechtlich verortet kennzeichnet, keine hinreichende Seriosität für sich reklamieren.
Auf dieser Grundlage und mit diesem Duktus lehnen wir eine politische Diskussion über dieses Thema überhaupt ab.
Die Kölner Ereignisse erfordern ganz gewiss die Befassung des Parlaments. Dafür wäre dieser Antrag aber nicht erforderlich gewesen. Bei diesem Thema verbietet sich jeder Versuch einer politischen Vorteilnahme. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben die Bilder des eingestürzten Stadtarchivs mit den Nebengebäuden klar vor Augen. Wir trauern um zwei junge Menschen, die bei dieser Katastrophe ihr Leben verloren haben. Ihren Angehörigen gehört unser Mitgefühl.
Dass es angesichts kriegsartiger Zerstörungen nicht noch mehr Opfer gegeben hat, ist dem mutigen Einsatz der Rettungskräfte und auch der Bauarbeiter vor Ort zu verdanken. Auch ihnen gebührt unser Dank.
Die Sinnlosigkeit des Todes dieser beiden Menschen fordert uns auf, mit allzu schnellen Erklärungen vorsichtig zu sein. Jedoch sind wir aufgerufen, Fragen zu stellen und Lehren aus diesem Unglück zu ziehen.
Nachrangig gegenüber den Opfern und dennoch unermesslich ist der Schaden an unersetzbaren Archivmaterialien. Als gelernter Historiker weiß ich: Archive sind unser kulturelles Gedächtnis.
Das Historische Archiv der Stadt Köln war das größte kommunale Archiv nördlich der Alpen. Es verfügte über 65.000 Urkunden ab dem Jahr 922, unzählige Pläne und Karten sowie über 800 Nachlässe und
Sammlungen. Menschen, die diesem Archiv ihre Nachlässe anvertraut hatten, konnten eigentlich davon ausgehen, dass sie in guter Obhut sind. Beispielhaft sei auf die Nachlässe von Heinrich Böll und Jacques Offenbach verwiesen. Doktorarbeiten und Habilitationen werden vielleicht nie mehr zu Ende geführt werden können.
Ich möchte an dieser Stelle den vielen Helfern danken, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz versuchen, so viele Archivalien für die Nachwelt zu retten wie möglich.
Sehr geehrte Damen und Herren, nun beginnt die Ursachenforschung. Die Staatsanwaltschaft hat bekanntermaßen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die genaue Unglücksursache zu ermitteln. Es wurde umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. Presse- und Medienberichten konnte man entnehmen, dass es zu nicht genehmigten zusätzlichen Brunnenbohrungen im Unglücksbereich gekommen sein soll. Weiterhin ist bekannt geworden, dass es bereits im September 2008 zu einem hydraulischen Grundwassereinbruch gekommen ist.
In der „Rheinischen Post“ vom 19. März 2009 wurde gar unter der Schlagzeile „Köln war gewarnt“ berichtet, dass eine Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen schon im September 2008 vor Gefahren beim Kölner U-Bahnbau gewarnt hatte. Die Statikberechnungen für die unterirdischen Betonwände wären laut Hochschulstudie fehlerhaft.