Protokoll der Sitzung vom 06.05.2009

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

weil er einen Türöffner für eine falsche Entwicklung darstellt.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich ist die Forstwirtschaft eigentlich die Mutter der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit heißt, in Generationen zu denken, an morgen und übermorgen. Was werden Ihre Enkelinnen und Enkel Sie möglicherweise eines Tages fragen? Ich habe zurückgedacht an das, was mir von meinem Vater, meinen Großvätern und Urgroßvätern überliefert worden ist. Ich habe noch Geschichten im Ohr, dass gerade in den ländlichen Regionen in unserem Land die Auseinandersetzung mit den Feudalherren, überhaupt in den Wald hineinzukommen, oft schwierig war. Ich möchte keine Rückkehr zu solchen Zeiten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte, dass Sie diese Frage Ihren Enkelinnen und Enkeln mit gutem Gewissen beantworten können.

Ich habe einmal in meinen Lateinkenntnissen gekramt und das dann mit dem Lexikon abgesichert: Was heißt eigentlich „privare“? „Privare“ heißt „berauben“. So bekommt das Leitmotiv des Koalitionsvertrages „Privat vor Staat“ einen ganz anderen, wahrscheinlich den eigentlichen Sinn.

(Widerspruch von CDU und FDP)

Es geht um einen Raubzug durch die öffentlichen Sachen, durch die Res Publica.

(Lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD)

Res Publica sind unsere gemeinschaftlichen Sachen. Diese gemeinschaftlichen Sachen sollen uns, der Öffentlichkeit, der Gemeinschaft geraubt werden, um sie Privaten in den Hals zu schmeißen.

(Christian Lindner [FDP]: Absurd!)

Deshalb muss hier und heute in der Sache abgestimmt werden.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE] – Christian Weisbrich [CDU]: Meinen Sie das im Ernst? – Christian Lindner [FDP]: Es war zuerst das Privateigentum da, dann der Staat!)

Kommen wir zum Vertrag selber. Nehmen wir einmal an, dass wir über das Ob nicht mehr reden können. Aber wenn wir über das Wie reden, dann müssen wir auch über den Vertrag reden, Herr Lindner. Schauen Sie sich diesen Vertrag genau an. Darin wird mit einer Stiftung geworben, die keineswegs gemeinnützig, sondern eine private Familien

stiftung ist. Diese Stiftung ist auch noch auf 20 Jahre begrenzt. Was heißt das denn unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit? Was passiert in 20 Jahren mit den öffentlichen Gütern, mit unserem Wald, mit unserer Heimat?

(Ralf Witzel [FDP]: Der wächst und gedeiht!)

Dann möchte ich noch, gerade mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, auf folgenden Umstand aufmerksam machen: Ich glaube – das kann man wohl anhand der Protokolle und der Stellungnahmen der Landesregierung nachweisen –, dass das Parlament in der Frage Staatswaldsverkauf auf lange Strecke getäuscht worden ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich kann mich noch sehr gut an die Diskussion 2007/2008 erinnern. Damals ging es nämlich nicht – so jedenfalls in den öffentlichen Verlautbarungen – um Waldverkauf. Nein! Es sollten landwirtschaftliche Flächen verkauft werden, in erster Linie Forstgehöfte. Als wir nachgefragt haben, weil wir uns das nicht haben vorstellen können – so haben Sie im Übrigen Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion beruhigt, damit die dem Haushalt zustimmen –, um welche Flächen es denn geht, hat der Minister über eine lange Zeit gesagt: Das müssen wir erst einmal aufstellen. – Im Frühjahr 2008! Jetzt erfahren wir: Zur gleichen Zeit haben Sie mit dem jetzigen Vertragsnehmer schon verhandelt. Das nenne ich eine Täuschung des Parlaments in allen Angelegenheiten.

(Lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich komme zum Verfahren als solches, so wie Sie eben argumentiert haben. Nehmen wir einmal einen kleinen Moment an, die Landtagsverwaltung hätte recht mit Ihrer Argumentation, schon mit dem Nachtragshaushalt sei die Entscheidung getroffen. Aber auf welcher Grundlage ist sie denn dann – nur einmal angenommen, hypothetisch – getroffen worden? Auf einer Grundlage, die heute gar nicht mehr zur Debatte steht, weil die Vertragsnehmer nicht nur virtuell, sondern im Vertrag selber benannt waren: Silva NRW GbR, Treuhand GmbH und BofrostStiftung. Die spielen heute gar keine Rolle mehr. Sie haben also hypothetisch die Einwilligung zu einem Vertrag erteilt, der gar nicht mehr abgeschlossen wird. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Vertrag nicht durch das Parlament bewilligt worden ist, und deshalb ist Ihre mögliche Einwilligung gleich für uns auch hinfällig.

Lassen Sie mich als letzten Punkt Folgendes ausführen: Es ist einmalig, dass eine Region, CDUBürgermeister und ein – ehemaliger – CDU-Landrat geschlossen an den Landtag, an Sie appellieren: Bitte verkaufen Sie den Wald nicht! – Es ist genauso einmalig, dass diese Bitte, gerichtet auch an den Ministerpräsidenten, mit keinem einzigen Gespräch und keinem einzigen Vorschlag von Ihnen beant

wortet worden ist. Das ist einmalig in der Geschichte dieses Hauses.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Barbara Steffens [GRÜNE]: Unglaublich!)

Dann gibt es noch die 4.000 Unterschriften, die in relativ kurzer Zeit gesammelt worden sind.

Deshalb an dieser Stelle an die Kolleginnen und Kollegen gerade in der CDU-Fraktion: Seien Sie konservativ! Seien Sie im wahrsten Sinne des Wortes konservativ! Nicht die Opposition wird es Ihnen danken, sondern die Menschen in der Region, die Naturschutzverbände, die Menschen in NordrheinWestfalen und vor allem die Menschen, die in diesem Land eine Zukunft haben wollen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Geschichte des Landes NordrheinWestfalen – ich gehöre jetzt über 20 Jahre dem Landtag an – hat die Landesregierung immer Flächen gekauft, aber sie hat auch Flächen verkauft.

Das hat auch in früheren Jahren in großem Stil stattgefunden, ohne dass sich jemals in dieser Form die Ausschüsse des Parlaments oder das Parlament damit beschäftigt haben. Das war immer ein ganz normaler Vorgang.

Was hier in letzter Zeit von der Sache her gelaufen ist, ist auch ein ganz normaler Vorgang. Nur: Über diesen ganz normalen Vorgang, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, wird keine seriöse Debatte geführt, sondern man versucht, Klamauk zu machen.

(Gisela Walsken [SPD]: Nicht ganz so normal wie die anderen Vorgänge!)

Der Opposition gehen die Themen aus, und dann versucht man seit Monaten, aus einem solchen Vorgang Klamauk zu machen.

(Zuruf von Annette Watermann-Krass [SPD])

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, um noch einmal die Größenordnung dieser Flächen deutlich zu machen: Es geht bei dieser Debatte um 0,3 % der Waldfläche, die wir in Nordrhein-Westfalen haben.

(Zuruf von Annette Watermann-Krass [SPD])

Es geht um 2,3 % der Staatswaldfläche. Wir unterhalten uns über 2,3 % der Staatswaldfläche in Nordrhein-Westfalen, die aus den Gründen, die genannt

worden sind, verkauft werden. Aber hier – wie in früheren Jahren – werden auch wieder Flächen gekauft, weil wir im Moment eine besondere Herausforderung haben, den Hochwasserschutz. Aus dem Erlös werden auch Mittel entnommen, um Flächen für den Hochwasserschutz zu kaufen, also auch Flächen, die wieder vom Land NordrheinWestfalen gekauft werden.

(Annette Watermann-Krass [SPD]: 9 Millio- nen!)

Ich möchte noch einmal unterstreichen, was Herr Abgeordneter Ellerbrock gesagt hat. Die gleichen Flächen standen schon 2004 und 2005 von der damaligen rot-grünen Koalition zum Verkauf an, und zwar nicht die 2.700 ha, um die es hier geht, sondern über 4.000 ha, Frau Abgeordnete Schulze.

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Ist doch völlig egal!)

Es ist doch völlig egal,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ist egal, ob es stimmt oder nicht?)

ob Sie diese Flächen als Tauschflächen haben wollten. Aber Sie unter Rot-Grün wollten damals diese Flächen verkaufen, und ich habe keinen Protest von Ihnen gehört. Sie hätten protestieren und sich in der damaligen rot-grünen Regierung gegen diesen Verkauf aussprechen können. Aber ich habe von Ihnen nichts gehört. Von daher sage ich: Das Ganze ist Klamauk.

Wer hier den Eindruck erweckt, als würde der Verkauf von staatlichen Flächen an eine Stiftung – damals wären die Flächen möglicherweise nicht an eine Stiftung, sondern an einen privaten Waldbesitzer gegangen, was für mich jedoch kein Problem gewesen wäre – das Ende von Naturschutz und Landschaftsschutz bedeuten, der belügt die Öffentlichkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass in den Verträgen mit dem Käufer alle Auflagen zu FFH-Gebieten, zum Naturschutz und zum Landschaftsschutz übernommen werden. Das gilt selbstverständlich auch für das Wegerecht. Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein funktionierendes Landesforstgesetz und ein funktionierendes Landschaftsgesetz, in dem das Wegerecht geregelt ist, meine Damen und Herren. Es kann doch nicht jeder Waldbesitzer seine Wälder dichtmachen, wie er möchte, sondern das ist doch in unserem Forstgesetz Nordrhein-Westfalen geregelt.

Ich möchte an dieser Stelle auch die privaten Waldbauern in Nordrhein-Westfalen in Schutz nehmen. Was Sie hier mit Ihren permanenten Angriffen gegen die 140.000 privaten Waldbesitzer in NordrheinWestfalen machen, ist in der Tat ungeheuerlich.

(Beifall von der CDU)

Wandern Sie einmal durch das Sauerland. Wir haben im Sauerland so gut wie überhaupt keinen Staatswald. Zwei Drittel des Waldes in Nordrhein-Westfalen sind Privatwald. Haben Sie im Sauerland – ich lade Sie dahin ein –, das Gefühl, dass Sie dort nicht mehr wandern können, weil die Wege gesperrt sind, weil es keine Auflagen im Bereich des Natur- und des Umweltschutzes gibt?

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])