Ja, Sie können ruhig auf die Uhr klopfen, aber ich habe noch ein bisschen Redezeit. – Wir brauchen, wenn wir tatsächlich eine weltoffene, tolerante und solidarische Gesellschaft wollen, ganz andere Rechte, nämlich gleiche Rechte für alle. Das Wahlrecht, mindestens das kommunale Wahlrecht für alle Menschen, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, wäre eine vernünftige und tatsächlich progressive Politik.
Dazu habe ich hier leider von keiner Fraktion irgendetwas gehört. Von den Grünen hätte ich es eigentlich erwartet, aber habe leider nichts gehört. Am weitestgehenden waren noch die Vorstellungen der SPD-Fraktion; das muss man an dieser Stelle so deutlich sagen. Was Sie von der Koalition von CDU und FDP machen, kann man wirklich nur ablehnen. Das ist ein Rückschritt und leider alles andere als progressiv.
Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Jetzt hat noch einmal der Innenminister, Herr Dr. Wolf, das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Wer angesichts der Regelungen, die jetzt zur Verabschiedung anstehen, von einer Verschlechterung spricht, kann entweder nicht lesen oder will nicht verstehen.
Wir haben eindeutig Verbesserungen herbeigeführt. Wir haben eine Regelung gesetzlich verankert, wo es bislang durch die Experimentierklausel ins Belieben gestellt wird, dass Integrationsrat oder -ausschuss frei gewählt werden können. Dass aber eines von beiden eingerichtet werden muss – im
Zweifel der Integrationsrat –, steht fest. Von daher ist die Situation in keiner Weise verschlechtert, sondern beinhaltet aus meiner Sicht die gesetzlich abgesicherte Freiheit der Kommunen. Es geht nicht darum, die Kommunen zu bevormunden, sondern es geht darum, ihnen die Freiheit zu lassen, meine Damen und Herren.
Angesichts des Sachvortrags der Kollegin Altenkamp noch einmal: Weder 1994 noch 1999 noch 2004 haben Sie das zuwege gebracht. Sie hätten es tun können. Sie haben es nicht gemacht. Wir tun es jetzt. Und wir haben noch dazu die Freiheit der Ausgestaltung gelassen. Mit Blick auf die geschätzten Kollegen der LAGA: Es bestehen keine Bedenken, den Integrationsrat zwei Drittel/ein Drittel auszugestalten. Diese Entscheidung obliegt den Kommunen. Wir stehen dazu, dass die kommunalen Vertreter das sachgerecht umsetzen mit Blick auf ihre unterschiedlichen Verhältnisse.
Meine Damen und Herren, wenn man Frau Altenkamp reden hört, müsste man glauben, sie verwechselt passives und aktives Wahlrecht. Diejenigen, die sich lange Zeit eingesetzt haben, sind natürlich in der Lage, sich passiv aufstellen zu lassen. Es gibt auch Deutsche, die als Mitglieder, sogar als Vorsitzende von Integrationsausschüssen arbeiten. Das ist mir zumindest von einer Kommune hier in der Nähe bekannt. Tun wir doch nicht so, als ob es das nicht längst gäbe. Die Kommunen sollen an dieser Stelle die Freiheit haben.
Allerdings haben sich viele damit schwer getan – übrigens auch offensichtlich in der SPD-Fraktion früher, Frau Altenkamp –, das Wahlrecht aktiv zu erweitern. Die Einbürgerung stellt nun einmal den Gipfel der Integration dar. Und insofern muss man davon ausgehen, dass sich jemand mit der deutschen Staatsangehörigkeit natürlich dann auch zu uns bekennt und seine Wahlmöglichkeiten beim Rat hat. Das ist, meine ich, die Abwägung gewesen, die vorgenommen werden musste. Und es ist auch hier, meine Damen und Herren, entgegen dem Sachvortrag wider besseres Wissen eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Die werden die regierungstragenden Fraktionen beschließen. Sie haben es zu Ihrer Zeit nie geschafft. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Innenminister. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Beratung.
Wir wenden uns als Erstes dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/8329 zu. Hierzu hat uns der Geschäftsführer der Fraktion mitgeteilt, dass die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorschlägt, ihren Gesetz
entwurf zurückziehen. Das geschieht dann, wenn dem niemand widerspricht; ansonsten müssten wir darüber abstimmen. Widerspricht dem jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf zurückgezogen.
Wir kommen zum Gesetzentwurf Drucksache 14/8883 der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP. Wir haben als Erstes über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9431 abzustimmen. Wer diesem Änderungsantrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen zweitens über den Änderungsantrag Drucksache 14/9476 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab, der sich auf den Gesetzentwurf der Koalition Drucksache 14/8883 bezieht. Wer dem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Stimmen des Hohen Hauses abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform ab, der in Drucksache 14/9390 empfiehlt, den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen Drucksache 14/8883 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer dem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordnete Sagel. Damit ist diese Empfehlung mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 14/8883 in der geänderten Fassung in zweiter Lesung verabschiedet.
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, muss ich Zweierlei mitteilen:
Erstens muss ich eine Rüge aussprechen, die den Abgeordneten Sören Link betrifft. In der Plenarsitzung am 28. Mai 2009 hat er bei Tagesordnungspunkt 1 – Aktuelle Stunde – einen Zwischenruf in Bezug auf die Rednerin Pieper-von Heiden gemacht. Das war unparlamentarisch.
Meine Damen und Herren, Sie können sich wieder beruhigen. Der Abend ist noch lang. Sie haben noch genügend Gelegenheit, Spaß zu haben.
Bevor es in der Tagesordnung weitergeht, habe ich eine zweite Rüge auszusprechen, die den Abgeordneten Rainer Schmeltzer betrifft. In unserer letzten Plenarsitzung am 28. Mai 2009 hat er auch in der Aktuellen Stunde – Tagesordnungspunkt 1 – einen Zwischenruf in Bezug auf den Redner Witzel geäußert. Auch das war unparlamentarisch, Herr Kollege. Ich muss auch Sie dafür rügen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform Drucksache 14/9401
Wir haben Block I für die Redezeiten – fünf Minuten – festgelegt. Ich werde strikt auf die Zeit achten und bitte Sie, sich daran zu halten.
Ich eröffne die Beratung. – Herr Kollege Lux, Sie haben das Wort für die Fraktion der CDU. Fünf Minuten!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der heutigen Änderung des Kommunalwahlgesetzes geht es um die Aufhebung der Mindestsitzklausel aufgrund des Urteils des Landesverfassungsgerichtshofes.
Ich darf in Erinnerung rufen, dass wir mit dieser Mindestsitzklausel unterhalb der Hürde einer Sperrklausel im Kommunalwahlrecht eine Regelung einführen wollten, die darauf abzielt, dass auch die Einzelbewerber und die ersten und einzigen Vertreter einer Liste einen zumindest vergleichbaren Rückhalt bei den Wählern erreichen müssen wie die gewählten Mitglieder anderer Listen. Dieser Regelung hat der Landesverfassungsgerichtshof widersprochen. So liegt der heutige Gesetzentwurf vor, dem wir selbstverständlich zustimmen werden.
intensiv und lebhaft – darüber diskutiert, ob nicht doch eine Sperrklausel unterhalb von 5 % eingeführt werden könnte oder sollte. Diese Forderung nach Wiedereinführung einer Sperrklausel wird politisch landesweit quer durch die Parteien – zumindest bei CDU, SPD und Grünen – diskutiert. Das ist kein Geheimnis.
Deutlich gemacht werden muss: Diese Diskussion und Forderung werden politisch gewünscht. Auch im Anhörungsverfahren im KoPo forderten einige der geladenen Politiker die Abgeordneten auf, die Position des Gesetzgebers gegenüber dem Verfassungsgericht deutlicher und nachdrücklicher nach dem Motto zu vertreten: Wenn der Gesetzgeber eine Sperrklausel für notwendig und richtig hält, kann das Verfassungsgericht das eigentlich nicht ignorieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser weit verbreiteten politischen Forderung nach Wiedereinführung einer Sperrklausel stehen massive verfassungsrechtliche Hürden entgegen, die nicht mal eben so weggewischt werden können. Das hat nicht nur der Landesverfassungsgerichtshof in seinen Urteilen sehr dezidiert ausgeführt, sondern auch das Bundesverfassungsgericht. Nicht von ungefähr kommt es, dass es aktuell – das sollte sich jeder klarmachen –in keinem Bundesland eine Sperrklausel im Kommunalwahlrecht gibt. In manchen Bundesländern hat es noch nie eine kommunale Sperrklausel gegeben.
Der Landesverfassungsgerichtshof hat seine Ablehnung einer Sperrklausel unter anderem damit begründet, dass es keinen empirisch belegten Nachweis dafür gibt, dass durch die Abschaffung der Sperrklausel eine erhebliche Funktionsstörung der kommunalen Vertretung eingetreten oder zu erwarten ist. In der mündlichen Verhandlung hat der Verfassungsgerichtshof zudem den Nachweis der Notwendigkeit gefordert, warum in NordrheinWestfalen – abweichend von allen anderen Bundesländern – die Einführung einer Sperrklausel unerlässlich sei. Mit der oft zitierten relativen Größe der NRW-Kommunen kann das sicherlich nicht begründet werden, denn auch in den anderen sperrklauselfreien Bundesländern gibt es durchaus auch Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern.
Meine Damen und Herren, für die vor uns liegende Kommunalwahl am 30. August dieses Jahres liegt die Einführung einer Sperrklausel außerhalb jeder rechtlichen Realisierbarkeit. Deshalb ist der plötzliche Aktionismus absolut unverständlich.
Ob und wie die Situation nach der Kommunalwahl aussieht, werden wir dann sehr akribisch prüfen. Wer jetzt so tut, als bestehe akuter Handlungsbedarf, der streut den Bürgern ganz bewusst Sand in die Augen oder versucht, von Versäumnissen und Untätigkeit in der Vergangenheit abzulenken.
Wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, mit diesem Thema wirklich ernst wäre, hätten Sie in den vergangenen zehn Jahren – zumindest nach der Kommunalwahl 2004 – irgendwelche Aktivitäten entfaltet, um zu einer Sperrklausel zu kommen.
Bis Mai 2005 haben Sie den Innenminister gestellt und hier im Landtag die Mehrheit gehabt. Aber in all den Jahren seit Ihrer Niederlage vor dem Verfassungsgericht haben Sie nichts unternommen, um unter anderem die drohende erhebliche Funktionsstörung empirisch-wissenschaftlich zu belegen.
Sie haben auch in dieser Sache einmal mehr Ihre Glaubwürdigkeit und Ihren Anspruch auf Ernsthaftigkeit verspielt. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Beratungen zum Kommunalwahlgesetz gab es ganz offensichtlich noch eine gewisse Grundübereinstimmung zwischen allen Fraktionen hier im Haus, zumindest was das Problembewusstsein anging. Denn immerhin sah das Gesetz die Regelung einer Mindestsitzzahl vor, die einer noch weiteren Zersplitterung der Räte und Kreistage im Lande entgegenwirken sollte. Wir haben uns damals schon für eine echte Sperrklausel ausgesprochen, weil dieser Notbehelf für uns unter dem entscheidenden Mangel gelitten hat, dass gerade in den Großstädten, wo wir eine Fragmentierung am stärksten befürchten müssen, von einer solchen Mindestsitzregelung so gut wie keine Wirkung ausgegangen wäre.
Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist die Mindestsitzzahl vom Tisch. Das Problem bleibt aber bestehen. Bei der nächsten Kommunalwahl droht uns eine weitere Zersplitterung – mit allen bekannten Folgen.