Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Ich rufe auf:

4 Staatlichen Waffenhandel stoppen!

Eilantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9460

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 22. Juni 2009 fristgerecht diesen Eilantrag eingebracht.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Abgeordneten Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Düker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der „Westdeutschen Zeitung“ von heute konnten wir entnehmen, dass in den letzten zwei Jahren 36.000 ausrangierte Polizeiwaffen über die bundeseigene Gesellschaft VEBEG nach Amerika an einen Großhändler verkauft worden sind. 4.000 ausrangierte Polizeiwaffen stehen angeblich noch zum Verkauf an.

Um es gleich vorwegzusagen – weil ich schon Herrn Engel und andere sagen höre: Sie haben es doch auch gemacht –: Die Information, die wir vom Innenministerium erhalten haben, dass es Waffen

verkäufe bereits vor dem Jahr 2005 gegeben hat, zweifele ich natürlich nicht an. Aber es muss deutlich gesagt werden: Das war nie Gegenstand einer parlamentarischen Befassung. Im Haushalt findet man in allgemeinen Einnahmepositionen keinen Vermerk über die Waffenverkäufe. Ich nehme für mich als Parlamentarierin dieses Hauses in Anspruch, dass ich schon damals, unter Rot-Grün, das Thema problematisiert und im Landtag infrage gestellt hätte, ob das so richtig ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir alle nach den Amokläufen der letzten Jahre sensibler geworden sind, sollte das Parlament diese Verkäufe nicht mehr als sogenanntes laufendes Geschäft der Verwaltung behandeln, sondern diskutieren und selbstbewusst darüber entscheiden. Deswegen stellen wir heute unseren Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn es macht einen riesigen Unterschied, ob die Wasserschutzpolizei ein ausrangiertes Bötchen weiterverkauft oder ob 40.000 alte Polizeiwaffen in Umlauf kommen und eigentlich niemand weiß, in welche Hände sie geraten, da sie über den – wie wir alle wissen – sehr liberalen amerikanischen Waffenmarkt veräußert werden. Inzwischen liegen Informationen vor, dass offenbar im Jahr 2008 eine dieser Waffen bei einer Straftat benutzt worden ist.

Der Verkauf konterkariert auch das Ziel der Innenministerkonferenz. Ich zitiere aus dem Beschluss der Sitzung am 5. Juni 2009 in Bremerhaven:

also die Innenministerkonferenz –

sieht es vor dem Hintergrund der neuerlichen Amoktat als erforderlich an, … die Verfügbarkeit von Schusswaffen zu begrenzen und den Schutz vor einer missbräuchlichen Verwendung zu erhöhen …

Ich kann mich diesem Beschluss der Innenministerkonferenz nur voll und ganz anschließen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich sage ganz klar: Niemand kann mit einem noch so scharfen Waffenrecht Amokläufe verhindern. Niemand kann auch ausschließen, dass Polizeiwaffen in falsche Hände geraten und damit Straftaten begangen werden.

Aber unser aller Ziel muss es doch sein, diese Gefahr, so weit es geht, zu minimieren,

(Beifall von den GRÜNEN)

das heißt, den Zugang zu Waffen in unserer Gesellschaft zu erschweren und ihn nicht noch durch staatlichen Waffenhandel zu erhöhen. Deswegen lautet unser Petitum heute: Nehmen Sie doch alle den Beschluss, diese Selbstverpflichtung der In

nenministerkonferenz ernst, und stoppen Sie den staatlichen Waffenhandel. Jede Waffe, die in Umlauf kommt, ist eine Waffe zu viel. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Lohn das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Land NordrheinWestfalen hat ab 2006 seine Polizistinnen und Polizisten komplett mit neuen Dienstwaffen ausgestattet. Das war gut so. Es erhöht die Sicherheit unserer Beamtinnen und Beamten.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Dafür haben wir landesweit nur Dank und Lob geerntet.

Zwangsläufig musste in dem Zusammenhang auch geklärt werden, was mit den alten Waffen passieren soll. In der Frage der Verwertung der Altwaffen hat die neue Landesregierung nichts anderes gemacht als die alte rot-grüne Landesregierung in den Jahren zuvor.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben nach einer gewissenhaften Abwägung zwischen zugegebenerweise möglichen Risiken und der Erzielung eines Verkaufserlöses diese Altwaffen ab dem Jahr 2006 über die Treuhandgesellschaft VEBEG des Bundesfinanzministers in die USA veräußert. Der Bundesfinanzminister ist bekanntermaßen Herr Steinbrück von der SPD.

Sehr strenge Auflagen, natürlich die Beachtung sämtlicher Gesetze und die ausdrückliche Beschränkung auf den Export in die USA haben dazu beigetragen, dass Sicherheitsstandards weitestgehend eingehalten werden müssen, sodass hoffentlich nicht von einer Risikoerhöhung ausgegangen werden muss. Bis heute wurden meines Wissens 37.000 alte Polizeipistolen über die VEBEG in die USA verkauft. Es wurde insgesamt ein Erlös von knapp 3,5 Millionen € erzielt.

Verehrte Damen und Herren, das ist legal, das ist legitim und keinesfalls unmoralisch, wie uns die Opposition heute suggerieren will. Man darf in Zeiten der Finanzkrise wohl auch betonen, dass wir dieses Geld, diese 3,5 Millionen €, in dieser Zeit auch gut gebrauchen können.

(Thomas Stotko [SPD]: Verkaufen Sie sie doch meistbietend bei Ebay!)

Frau Düker – Kollege Rudolph ist leider nicht da – bezeichnet den Verkauf der alten Pistolen als unverständlich, als Sicherheitsrisiko und sogar als Skandal.

(Demonstrativer Beifall von den GRÜNEN)

Darüber hinaus versuchen Sie, einen Zusammenhang mit Amoktaten herzustellen. Diesen Zusammenhang gibt es nicht. Sie wissen wie ich: Bei Amokläufen geht das Risiko in erster Linie vom Menschen und nicht vom Vorhandensein von Waffen aus. Versuchen Sie trotzdem, krampfhaft einen Bezug zu Amoktaten herzustellen, dann drängt sich mir der Eindruck auf, als wenn Sie auf dem Trittbrett „Trauer der Angehörigen“ ausschließlich auf Öffentlichkeitswirksamkeit zielen.

(Beifall von der CDU)

Gleichzeitig verdrängen Sie dabei Ihr eigenes Regierungshandeln. Deswegen will ich Sie gerne daran erinnern. 2003 haben Sie als alte Landesregierung Dienstwaffen der Polizei im großen Umfang verkauft. Darunter waren sogar großkalibrige Gewehre, nicht nur Pistolen. Damals haben Sie keinerlei Amokbedenken gehabt oder sonstige Skrupel gezeigt, obwohl der Amoklauf von Erfurt aus dem Jahre 2002, Frau Löhrmann, gerade nur wenige Monate her war. Ihre Erinnerung reicht anscheinend nicht so weit zurück.

Verehrte Damen und Herren von der Opposition, wie können Sie da heute dreist das als Skandal bezeichnen, was Sie als alte Landesregierung selbst vielfach und jahrelang praktiziert haben?

(Beifall von CDU und FDP)

Zugegebenermaßen ist Waffenverkauf durch den Staat ein Thema, das einer sensiblen Behandlung bedarf. Deswegen ist es richtig, sich die Frage zu stellen, ob es eventuell schwerwiegende moralischpolitische Gründe gibt, auf den Verkauf von Waffen zu verzichten und die Waffen zu verschrotten.

Die Kernfrage muss dabei sein, ob von einem möglichen Waffenverkauf zusätzliche Gefahren für Deutschland ausgehen können. Ich bin bei der Bewertung des jetzt zugrunde liegenden Sachverhaltes zu der Überzeugung gelangt, dass das hier nicht der Fall ist. Durch das Anbieten der Altwaffen wird keine neue Nachfrage erzeugt. Wir bedienen lediglich die Nachfrage, die auf dem amerikanischen Markt existiert. Wenn wir die Waffen dort nicht hingeliefert hätten, wäre die Nachfrage von anderen bedient worden. Im Ergebnis wäre so oder so keine Waffe weniger im Umlauf als heute. Insbesondere wäre in Deutschland nicht eine Waffe weniger im Umlauf als heute.

Zu dem angesprochenen Fall in Hamburg kann ich nur sagen: Ich kann es nicht bestätigen. Mir ist in der Tat kein einziger echter Fall bekannt, bei dem eine der ausgesonderten Polizeiwaffen zur Tatwaffe eines Verbrechens wurde. Der Hamburger Fall muss da noch weiter aufgeklärt werden. Im Ergebnis komme ich zu dem Schluss, dass ein zusätzliches Sicherheitsrisiko durch den Verkauf der Altwaffen nicht ersichtlich ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf der anderen Seite der Verwertung der Altwaffen steht ein Erlös für den Landeshaushalt von 3,5 Millionen €. Das ist kein kleiner Betrag. Auch wenn wir uns daran gewöhnt haben, mit Milliardenbeträgen zu jonglieren – 3,5 Millionen € sind und bleiben verdammt viel Geld. Damit kann man auch viel Sinnvolles tun: Man kann zum Beispiel, was dann plastischer ist, das Jahresgehalt von 300 zusätzlichen Polizeianwärtern finanzieren.

(Beifall von der CDU)

Man kann zum Beispiel drei neue Kindergärten bauen, man kann zum Beispiel ein Jahr lang 70 Jugendsozialarbeiter zusätzlich bezahlen oder 11.000 neue Schutzhelme für unsere Polizistinnen und Polizisten erwerben. Das ganze Geld bleibt bei uns im Landeshaushalt.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir mit strengen Auflagen und nach einer kritischen Risikobewertung zu der Aussage kommen, dass Verkaufserlöse und Verantwortung für Gefahrenabwehr kein Widerspruch sein müssen.

Eine Gesetzesänderung, wie sie die Grünen fordern, ist nicht erforderlich. § 63 Landeshaushaltsordnung ermöglicht auch heute schon unter bestimmten Voraussetzungen, auf einen Verkauf zu verzichten. Deswegen werden wir den Antrag der Grünen ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lohn. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Stotko das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.