Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Sie glauben doch nicht, dass die Menschen im Land das nicht merken würden. Die Schüler und Schülerinnen merken doch, was hier passiert und womit sich die Lehrer und Lehrerinnen anschließend in mühsamer Arbeit auseinandersetzen müssen. Das kommt doch bei den Menschen an.

Das Gleiche ist Ihnen bei der Umsetzung des Abiturs nach zwölf Jahren passiert. Sie haben in der Tat die Beschlusslage übernommen. Die Durchfüh

rung haben Sie aber komplett versemmelt; das kann ich Ihnen an dieser Stelle sagen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben die Sekundarstufe I verkürzt. Das war niemals Absicht von Rot-Grün. Sie haben die Optionalität des Abiturs nach zwölf oder 13 Jahren wieder zurückgenommen. Das war niemals Absicht von RotGrün. Außerdem haben Sie ohne jede Absicht – das wollten Sie gar nicht – durch die Hintertür den Ganztag am Gymnasium eingeführt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was ist passiert? Sie sagen, dass Sie mit der Schulzeit und der Lebenszeit junger Menschen pfleglich umgehen wollen. Wie pfleglich gehen Sie denn mit einem Unterrichtstag junger Menschen gerade in den unteren Klassen um?

(Beifall von Hannelore Kraft [SPD])

Die Eltern attestieren Ihnen, dass die Zustände am Gymnasium durch die Verdichtung der Unterrichtszeit ohne Ganztag unerträglich sind. Ich sage Ihnen: Das Abitur nach acht Jahren ohne ordentliche Einführung eines Ganztages ist ein Ding der Unmöglichkeit. In anderen Ländern ist das übrigens überall so gelaufen – auch in Rheinland-Pfalz. Sie haben es aber nicht getan. Was tun Sie? Sie lassen die Kommunen dabei im Regen stehen.

Außerdem haben Sie durch dieses Abitur einen Leistungsdruck aufgebaut – wir sind nicht gegen Leistung; das sage ich ausdrücklich –, der sich mittlerweile in die Grundschulen hinein fortsetzt;

(Hannelore Kraft [SPD]: In die Familien!)

auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie Noten im zweiten Schuljahr eingeführt haben.

Die Eltern nehmen zunehmend Nachhilfeunterricht für ihre Kinder in den Grundschulen in Anspruch. Der Nachhilfemarkt boomt.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Das müsste für Sie ein Alarmsignal sein. Sie nehmen das aber schlicht und einfach nicht zur Kenntnis.

(Beifall von der SPD)

Vielmehr sagen Sie: Alles ist wunderbar. Wir haben soundso viele Stellen geschaffen; damit ist alles gut. – Stellen geben aber keinen Unterricht. Lehrer geben Unterricht. An den Schulen brauchen wir Lehrer.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie sind offensichtlich nicht in dem Maße da, wie Sie es den Menschen in Nordrhein-Westfalen immer wieder erzählen wollen.

Herr Ministerpräsident, Sie sind mit den Versprechen „mehr Lehrer gegen Unterrichtsausfall und für

individuelle Förderung“, „kleinere Klassen“ und „weniger Unterrichtsausfall“ angetreten. Die von Ihnen selbst in Auftrag gegebene Umfrage hat Ihnen attestiert, dass nichts davon im Lot ist. Im Gegenteil! Die Menschen sagen Ihnen etwas anderes. 84 % der im Rahmen der CDU-Umfrage Befragten erklären, dass es zu wenige Lehrer gibt. 73 % beklagen zu viel Stundenausfall, 70 % zu große Klassen.

Genau dies haben wir aufgrund unserer Kleinen Anfragen vor einigen Wochen mit den Zahlen Ihrer Landesregierung schwarz auf weiß bestätigt bekommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihre Zahlen dokumentieren, dass an 2.800 Schulen in Nordrhein-Westfalen 4.000 Lehrer und Lehrerinnen fehlen. Das ist das Ergebnis Ihrer schwarzgelben Bildungspolitik.

Die jungen Menschen gehen zu Recht auf die Straße. Dafür haben wir auch Verständnis. Wir treten für Bildungsgerechtigkeit ein und kämpfen nach wie vor für die beste Bildung für alle. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Lachen von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Danke schön, Frau Schäfer. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Recker.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einiges kann so nicht stehen bleiben.

Frau Schäfer, Sie wissen genau: Wir schaffen die Rahmenbedingungen. Wenn wir heute nicht alle Stellen besetzen können, dann liegt das daran, dass man vor sechs oder sieben Jahren nicht mit der Ausbildung der entsprechenden Lehrkräfte begonnen hat. Da hätten diese ihr Studium aufnehmen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Damals hatten sie keine Perspektive, weil Sie überhaupt nicht über vernünftige Einstellungsbedingungen geredet haben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie beschäftigen sie doch nicht, weil Sie das Geld nicht ausgeben wollen!)

Frau Beer, was Sie hier zu der angeblichen Menschenrechtsverletzung in den Raum gestellt haben, ist nicht nur peinlich, sondern auch verwerflich.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage: Junge Menschen haben ein Anrecht auf Demonstration. Es ist auch gut, wenn Studierende und junge Menschen auf die Straße gehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Gegen Ihre Poli- tik!)

Das ist auch wichtig, um Demokratie zu lernen. Entscheidend ist aber, wie man etwas macht. Erfreulicherweise hat sich die SPD von radikalen Auswüchsen distanziert. Das hätte ich auch von Ihnen erwartet, Frau Beer. Sie haben das vorhin leider nicht getan.

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie mich nun noch einige Tatsachen darstellen – auch für die Zuhörer und die Öffentlichkeit.

Meine Damen und Herren, wenn Sie von Menschenrechtsverletzungen sprechen, frage ich Sie: Wie hätten Sie es denn titulieren müssen, als wir damals 7.000 Lehrer weniger hatten und Frau Schäfer noch 16.000 einsparen wollte? Wie hätten Sie das denn nennen wollen, Frau Beer? So sah die reale Situation vorher doch aus.

(Beifall von CDU und FDP – Hannelore Kraft [SPD]: 7.000 Stellen!)

Nächster Punkt: Wir haben über 700 Klassen mit mehr als 30 Schülern weniger. Auch das ist Fakt. Wir haben die Quote nicht versetzter Schüler radikal auf 2,7 % gesenkt. Sie wissen auch genau, dass das von der Opposition heraufbeschworene Chaos bei der Aufhebung der Schulbezirke völlig ausgeblieben ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das stimmt über- haupt nicht! – Schultourismus!)

Endlich haben Kinder und Familien die freie Wahl.

(Beifall von CDU und FDP)

Endlich können sich auch Schulen mit guten Konzepten durchsetzen.

Dass Sie die Forderung nach Abschaffung des gegliederten Systems aufnehmen, wen wundert das? Ein anderes Thema haben Sie seit 40 Jahren nicht gefunden.

Ich sage Ihnen nur: Wenn Helmut Fend, ein Mann, der der CDU-Nähe sicherlich unverdächtig ist, nachweist, dass die Gesamtschule dauerhaft keinen wirkungsvollen Beitrag dazu leisten kann,

(Beifall von CDU und FDP)

die soziale Selektivität zu überwinden, dann sollte das auch Ihnen zu denken geben. Und wenn er dazu auffordert, nach einer pädagogischen Gestaltung der Schule zu suchen, die nicht zuerst die Organisationsstruktur aufreibt, sondern andere Rahmenbedingungen setzt, dann sollten auch Sie darüber nachdenken. Die Forderung nach einer Einheitsschule löst kein einziges Problem.

Ich mache noch einmal deutlich, meine Damen und Herren: Noch nie hat es in der Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen so viel – auch finanzielles – Engagement gegeben wie unter dieser Regierung.