Protokoll der Sitzung vom 09.09.2009

Kommunalwahl oder daran, dass sich der Ministerpräsident bei der Interpretation der Ergebnisse verheddert, sondern vor allen Dingen daran, wie er rechts außen auf Stimmenfang geht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Rüttgers, Ihre gezielten würdelosen Entgleisungen bei Ihren Auftritten in Duisburg und anderswo sind ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Sie um Ihren Machterhalt fürchten. Als mir meine Mitarbeiter letzte Woche von den entsprechenden Passagen erzählt haben, dachte ich: Das kann nicht sein, das glaube ich nicht. Als ich die Ausschnitte dann zum ersten Mal mit eigenen Augen gesehen habe, dachte ich: Das ist ein Fake. Aber nun wissen wir alle: Es war kein Fake.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Sagt Herr Laschet ja auch!)

Mit Ihren abwertenden Äußerungen über die Arbeitsmoral und Arbeitsqualität der rumänischen Arbeiter knüpfen Sie leider an frühere Entgleisungen an, Herr Ministerpräsident.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Und die armen Chine- sen heute Abend!)

Angefangen bei der viel zitierten Kinder-statt-InderKampagne, über den – darüber ist nicht so häufig berichtet worden – Wahlkampf 2005, als Sie einen EU-Beitritt der Türkei als das Ende der christlichabendländischen Kultur bezeichneten und der damaligen Bundesregierung vorwarfen, das Land – ich zitiere – fahrlässig mit rumänischen und bulgarischen Arbeitskräften zu überschwemmen, über Aussagen bei Michel Friedmann, dass die katholische Religion und ihr Menschenbild anderen Religionen überlegen seien,

(Ewald Groth [GRÜNE]: Um Gottes willen!)

bis hin zu Ihrer ganz persönlichen Begründung für den Fortbestand der Hauptschulen, die lautete – ich zitiere –: „Wie wollen wir sonst sicherstellen, dass diejenigen, die überwiegend praktisch veranlagt sind oder eine Zuwanderungsgeschichte haben, eine auf sie zugeschnittene gute Ausbildung bekommen?“

(Zuruf von der SPD: Zynisch! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wiederholungstäter!)

Ob Ihre aktuellen Äußerungen nun rassistisch oder „nur“ fremdenfeindlich oder rechtspopulistisch sind, ist müßig herauszufinden.

(Zuruf von Minister Andreas Krautscheid)

Beides verbietet sich für einen Spitzenpolitiker,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

der sich im demokratischen Spektrum verortet; und als einen solchen betrachte ich Sie, das sage ich ausdrücklich dazu. Entscheidend ist, Herr Ministerpräsident, dass Sie, der Sie nie etwas unbewusst

tun, bewusst und gezielt am rechten Rand und an den Stammtischen auf Stimmenfang gehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und das wiederholt! – Wolfgang Jörg [SPD]: Auf Kosten der Betrof- fenen!)

Dass Sie das alles bewusst und wiederholt tun, macht es so gefährlich. Denn es ist gefährlich, wenn ein Politprofi wie Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, der Vizevorsitzende einer Partei, die so viel Wert auf das C in ihrem Namen legt, ganz bewusst und aus wahltaktischen Motiven fremdenfeindliche Ressentiments bedient. Damit, Herr Ministerpräsident, sind Sie bei Oskar Lafontaine und nicht bei Johannes Rau.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das alles nennt Herr Lindner von der FDP „gut gemeint, nur etwas rustikal“. – Das ist eine Verharmlosung sondergleichen.

(Gisela Walsken [SPD]: So ist Herr Lindner! Das passt!)

Verrannt hat sich der Ministerpräsident auch nicht. Das war gezielter Rechtspopulismus. Die von der FDP, die müssten das eigentlich am besten wissen, denn Herr Möllemann hat es vorgemacht, meine Damen und Herren von der FDP.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Ministerpräsident, die von Ihnen getroffenen Äußerungen vertragen sich nicht mit dem Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Gisela Walsken [SPD]: Genau so ist es!)

In unserem wunderbaren Land leben 18 Millionen Menschen, von denen über 4 Millionen einen Migrationshintergrund haben. Das sind etwa 23 % der Bevölkerung. Auch wenn viele Menschen Sie vielleicht nicht gewählt haben – oft konnten sie gar nicht wählen, weil sie kein Wahlrecht hatten –, so müssen Sie, Herr Rüttgers, vom Anspruch her auch deren Ministerpräsident sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Nordrhein-Westfalen ist das Einwanderungsland der Bundesrepublik. Wir haben in diesem Land – darauf sind wir zu Recht stolz – eine Integrationsoffensive und als erstes Bundesland einen Integrationsminister. Wir zeigen an vielen Orten ziemlich gut, wie das Zusammenleben mit verschiedenen Nationalitäten gelingen kann, übrigens gerade im Ruhrgebiet. Mit diesem Vorgehen, Herr Dr. Rüttgers, machen Sie viel kaputt, was bei uns über Jahre gewachsen ist und worauf wir zu Recht stolz sein können, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Jetzt komme ich zu der Entschuldigung: Erst kam sie gar nicht und dann sehr spät und auch etwas verquast. Ob eine Entschuldigung – so ist es nun mal bei Entschuldigungen – hinreichend ist, entscheidet nicht der, der sie ausspricht, sondern der, der von der Beleidigung, die vorher vollzogen wurde, betroffen ist. Da führen Sie den Generalkonsul an, aber der Gewerkschafter sieht es anders und offensichtlich auch der rumänische Staatspräsident, meine Damen und Herren. Bei ihnen liegt die Entscheidung, ob die Entschuldigung hinreichend und glaubwürdig ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Laschet, dass Sie sich dafür hergeben, den Ministerpräsidenten wider besseres Wissen zu verteidigen! Wenn Sie den Kritikern von Rüttgers vorwerfen, das Integrationsklima zu beschädigen, dann verwechseln Sie leider Ursache und Wirkung. Damit beschädigen Sie wie Ihr Ministerpräsident auch sich und Ihre vierjährige Arbeit als Integrationsminister.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, im „Bonner GeneralAnzeiger“ vom 7. September 2009 steht ein sehr interessanter Kommentar. Ich zitiere:

Rüttgers hingegen wechselt die Masken so schnell, dass er inzwischen in die Gefahr gerät, das Publikum nur noch zu verwirren. Ist es noch der Arbeiterführer, den das Schicksal der NokiaWerker rührt, oder hat man gerade den neoliberalen Zeitgeistprediger vor sich; spielt da einer gezielt mit den Ressentiments gegen Ausländer und Andersdenkende?

Jürgen Rüttgers läuft Gefahr, dass das Publikum zu dem Schluss kommt, er habe nur wenige Prinzipien, dafür aber einen unbändigen Machtwillen.

(Beifall von der SPD)

Das trifft es ziemlich genau, meine Damen und Herren. Der Ministerpräsident des Landes NordrheinWestfalen ist ein Mann ohne Eigenschaften. Ihn interessiert nur seine eigene Macht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Je mehr er um diese Macht fürchtet, desto größer ist die Gefahr, dass er das wiederholt, was letzte Woche leider passiert ist.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: So ein Unsinn!)

Meine Damen und Herren, Frau Kraft hat gesagt, er möge sich erklären. Das erwarten wir natürlich auch.

So etwas kann aus unserer Sicht aber nur mit einer einzigen Maßnahme bekämpft werden: durch Machtentzug. Jürgen Rüttgers braucht wie Roland Koch einen Denkzettel. Den kann ihm nur die nordrhein-westfälische Zivilgesellschaft verpassen – am besten schon am 27. September bei der Bundes

tagswahl. Dann sollten die Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen ihm in den Wahlkabinen zurufen: Es reicht, Herr Dr. Rüttgers. Wir wollen das nicht. Wir wollen nicht, dass in unserem Land mit einer solchen Art und Weise Stimmen geholt werden. – Wir wollen, dass dieses Signal von diesen Wahlen ausgeht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Nordrhein-Westfalen hat eine bessere Regierung, Nordrhein-Westfalen hat einen besseren Ministerpräsident verdient.

(Anhaltender Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnetenkollegin Löhrmann. – Bevor als nächster Redner für die Landesregierung der Ministerpräsident das Wort erhält, darf ich doch einmal daran erinnern, dass – bei allem Verständnis für das Engagement in der Debatte – Formulierungen wie zum Beispiel „bescheuert“ oder „Schwachkopf“ bitte zu unterbleiben haben; denn andernfalls müssten wir das rügen.

(Beifall von CDU und FDP)

Mit diesem Hinweis darf ich es an dieser Stelle auch bewenden lassen. – Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. Rüttgers. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht vor, über meine Äußerungen zu Nokia zu reden. Ich habe mich für meine Äußerungen entschuldigt. Damit habe ich gesagt, was ich dazu sagen konnte und wollte.