Protokoll der Sitzung vom 09.09.2009

Die Landesregierung musste, der wirtschaftlichen Lage geschuldet, auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung ein paar kräftige Schritte zurückgehen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir nach der Krise den verlorenen Boden schnell wiedergutmachen werden. Wir halten an unserer Grundüberzeugung fest – sie wird auch unsere Arbeit nach Ende der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise bestimmen –: Erst gilt es zu arbeiten und zu sparen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt die Früchte des Verzichts ernten zu können.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich freue mich sehr darüber, dass als Ergebnis der Föderalismuskommission II die verfassungsrechtliche Festlegung dieses ehernen Grundsatzes steht. Mit der Neuregelung auf der Bundesebene sind die wesentlichen Forderungen umgesetzt worden, für die sich die nordrhein-westfälischen Kommissionsmitglieder im Rahmen der Beratungen eingesetzt haben.

Der Grundsatz „strukturell ausgeglichener Haushalt“ rückt Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit in den Mittelpunkt der öffentlichen Haushaltspolitik. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind zukünftig nur zur symmetrischen Berücksichtigung konjunktureller Entwicklungen und zur Bewältigung außergewöhnlicher Notsituationen möglich. Ein Atmen mit der Konjunktur bleibt den Haushalten also erlaubt.

Zur Umsetzung der grundgesetzlichen Vorgaben auf Landesebene wird die Landesregierung zeitnah einen Vorschlag unterbreiten. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser gemeinsames Ziel sollte es dabei sein, durch eine Änderung der nordrhein-westfälischen Verfassung die Bundesregelung 1:1 für unser Land zu übernehmen, und zwar noch in dieser Wahlperiode.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich hoffe, dass wir hier auf Landesebene einen ähnlich breiten parlamentarischen Konsens finden werden, wie er auf Bundesebene gefunden worden ist.

Meine Damen und Herren aus den Reihen der SPD, Sie werden das Struck’sche Erbe, an dem auch Bundesfinanzminister Steinbrück einen wesentlichen Anteil hatte, doch sicherlich auch hier in Nordrhein-Westfalen durch Taten würdigen wollen. Wir alle sollten schließlich wissen: Ein Verzicht auf weitere strukturelle Verschuldung, wie Bund und Länder ihn vereinbart haben, ist dringend geboten. Zwar kann auch ein verfassungsrechtlich verankertes und ausgefeiltes Regelungssystem gute Finanzpolitik nicht ersetzen; es trägt aber dazu bei,

das Bewusstsein für die erforderliche Haushaltskonsolidierung zu schärfen.

Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer Richtungsentscheidung: Sollen unsere Kinder und Enkel weiterhin alleine sehen, wie sie mit unseren Schulden fertig werden? Wann endlich wollen wir denn die Rechnungen für den Genuss von gestern und vorgestern tatsächlich begleichen?

Am 17. Juni dieses Jahres verstarb einer der bedeutendsten Gesellschaftswissenschaftler unserer Zeit: Lord Ralf Dahrendorf. In seiner Augustausgabe hat das Magazin „Cicero“ dessen Beitrag mit dem Titel „Vom Sparkapitalismus zum Pumpkapitalismus“ veröffentlicht. Bei der Lektüre dieses Beitrags hat sich mir eine kleine Grafik besonders ins Gedächtnis gebrannt, die ich kurz schildern möchte:

Die Zeichnung stellt einen Redner dar – ganz offensichtlich einen Politiker –, der von seinem Pult aus seinen Zuhörern in der einen Situation verkündet: Wir stecken mitten in der Krise; wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. – Ein weiteres Bild, die gleiche Szene, doch schon ist er der festen Überzeugung: Wir müssen mehr über unsere Verhältnisse leben, um aus der Krise rauszukommen.

Die aktuelle Krise ist sicherlich ein Jahrhundertereignis, weil ein weltweiter Zusammenbruch der Nachfrage mit einer Finanzmarkt- und Vertrauenskrise einhergeht. Losgelöst von dieser hoffentlich einmaligen Krise müssen wir uns aber die Frage stellen, ob wir in Zukunft jeden neuen Aufschwung auf Pump finanzieren wollen. Das Fazit von Lord Dahrendorf in dem eben erwähnten Beitrag lautet jedenfalls – ich zitiere –: Was nottut, ist Konsolidierung.

Dem kann ich mich anschließen. Wir müssen auf Dauer den Wohlstand erst erwirtschaften, bevor wir ihn konsumieren. Nur wenn es uns gelingt, den Teufelskreis aus Schulden, Zins und Zinseszins zu durchbrechen, werden wir den Menschen ihre Freiheit zurückgeben können. Haushaltskonsolidierung ist die Abkehr von der Zwangsverstaatlichung des Menschen. Er wird wieder in den Mittelpunkt gestellt. Das Geld, das nach einem strukturellen Haushaltsausgleich nicht mehr in Zinszahlungen versickert, kann den Bürgerinnen und Bürgern wieder unmittelbar zurückgegeben werden.

Wir sollten die Konsolidierungsdividende also erst auf der Habenseite verbucht haben, bevor wir über ihre Verteilung entscheiden.

Über Rückflüsse, zum Beispiel durch steuerliche Entlastungen der Bürger und Unternehmen oder durch höhere Ausgaben für Infrastruktur und Innovation, ist relativ schnell entschieden. Wie sie auch ausfallen werden: Sie werden dann, wenn wir den Grundsatz beherzigen, jedenfalls nicht mehr auf Pump geschehen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung gewährleistet aktuell die Stabilität, die unser Land braucht, damit es gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Wir halten Kurs bei der Erneuerung unseres Landes und investieren in die wichtigste Ressource, die wir haben: unsere Kinder und Enkel. Diese zukunftsweisende Politik für kommende Generationen werden wir nach der Krise beherzt vorantreiben und den Konsolidierungskurs der Jahre 2006 bis 2008 fortsetzen.

Um unser Ziel, den strukturellen Ausgleich des Landeshaushalts, zu erreichen, werden wir die notwendigen Schritte gehen. Dies wird mit vielen Beschwernissen und großen Herausforderungen verbunden sein. Uns allen sollte es aber den Schweiß der Edlen wert sein.

Angesichts der von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Schuldenbremse werden Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, sich nicht mehr in die Büsche schlagen können. Der Debatte über das notwendige Maß staatlicher Aufgabenwahrnehmung sind Sie über Jahrzehnte und damit schon viel zu lange ausgewichen.

Wir werden diese Debatte mit der gebotenen Sachlichkeit, aber auch der notwendigen Durchsetzungskraft führen. Letztlich wird die Einsicht siegen, dass nur ein Staat, der nicht überall seine Finger drin hat, im Ernstfall Krisen bewältigen und den Schwachen wirklich helfen kann. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Zur Einbringung des Entwurfs für das Gemeindefinanzierungsgesetz 2010 erteile ich Herrn Innenminister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gemeindefinanzierungsgesetz 2010 steht, wie es bei den Gemeindefinanzierungsgesetzen immer der Fall ist, im Kontext der gesamtstaatlichen Wirtschaftsentwicklung, die der Finanzminister gerade intensiv geschildert hat.

Im Jahr 2008 hatten wir eine sehr gute Finanzlage der Kommunen, die historisch höchsten Steuereinnahmen und einen positiven Finanzierungssaldo zu verzeichnen. All das waren gute Nachrichten, wenngleich damals schon – das muss man konzedieren – mit der Entwicklung der Kassenkredite auch etwas Besorgniserregendes festzustellen war. Im Gegenzug allerdings gingen auch die fundierten Schulden um 2 Milliarden € zurück, sodass sich insgesamt eine als positiv zu bezeichnende Entwicklung gezeigt hat.

Im Zusammenhang mit den Verbindlichkeiten, über die die Opposition immer gerne mit Schuldzuwei

sungen diskutiert, möchte ich an dieser Stelle – auch den Damen und Herren auf der Tribüne – noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir natürlich in den letzten Jahren Probleme der Vergangenheit zu bewältigen hatten. Allein in den Kommunen belief sich, wenn man die Eigenbetriebe, die Kernhaushalte, eben alles zusammenfasst, der Aufwuchs an Verbindlichkeiten in den Jahren 2000 bis 2005 auf 10 Milliarden € und davon allein in den letzten zwei Jahren – 2003 bis 2005 – auf 5 Milliarden €.

Dagegen ist der Anstieg im Verlauf der letzten drei Haushaltsjahre deutlich niedriger ausgefallen. Wenn uns also heute jemand von der Opposition Vorwürfe macht, heißt das: Die Vorwürfe weisen im Grunde genommen sofort auf Sie zurück. Es geht nämlich darum, dass die Ursachen für die kommunalen Schwierigkeiten in den 40 Jahren gelegt worden sind, in denen die Sozialdemokraten hier regiert haben, vor allen Dingen in den letzten 10 Jahren unter der Beteiligung der Grünen.

Im Jahr 2009 hat sich die Wirtschaftsleistung verschlechtert. Insbesondere für das erste halbe Jahr ist ein Rückgang beim Gewerbesteueraufkommen in Höhe von 17,5 % zu attestieren. Jetzt zeigt sich wieder, dass die Gewerbesteuer keine verlässliche, dauerhafte Einkommensart der Kommunen ist, sondern eine ganz besonders konjunkturanfällige „Achterbahnsteuer“, und dass ein sinkendes Aufkommen sofort Löcher in kommunale Haushalte reißt.

Insofern bleibt zu konzedieren, dass wir allein mit der Frage nach der jährlichen Finanzierung der Kommunen zu kurz greifen. Wir brauchen endlich eine durchgreifende Reform der Gemeindefinanzierung unter Sicherstellung einer dauerhaften, planbaren Einkommensquelle. Das ist jedenfalls das Ziel, das angestrebt werden muss.

Im Jahr 2009 ergibt sich ein zusätzliches Problem aufgrund der gestiegenen Ausgaben. Sie alle haben die Diskussionen erlebt: über Tarifvertragserhöhungen für die in den Kindergärten Beschäftigten, über Personal und soziale Leistungen, über Aufstockungen bei Harz IV und die steigende Arbeitslosigkeit: All das hat die Kommunen natürlich zusätzlich belastet.

Dennoch ist festzustellen, dass die Anzahl der Haushaltssicherungskommunen mit 60 im Jahr 2009 deutlich niedriger liegt als in den Jahren unter den Vorgängerregierungen. 2004 hatten wir noch 180 und 2005 noch 198 Haushaltssicherungskommunen. Zugegebenermaßen ist das eine oder andere auch auf das neue kommunale Finanzmanagement zurückzuführen. Dennoch ist die deutliche Verringerung der Anzahl der Haushaltssicherungskommunen Fakt.

Wenn es um das Gemeindefinanzierungsgesetz 2010 geht, ist, wie Sie wissen, auf Artikel 79 der Landesverfassung abzustellen. Hier ist zwischen

der Leistungsfähigkeit des Landes und den Notwendigkeiten abzuwägen, die sich bei der Gemeindefinanzierung ergeben.

Der Finanzminister hat, wie ich glaube, die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Landeshaushalt sehr eindringlich geschildert. Das heißt, wir reden hier nicht davon, dass das Land in Saus und Braus lebte, während die Kommunen auf der anderen Seite verelendeten, sondern wir haben gemeinsam das Paket zurückgehender Einnahmen zu tragen.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass wir den Verbundsatz nach wie vor bei 23 % und es damit bei einem der höchsten im Bundesgebiet belassen haben. Das halte ich im Sinne der Kommunen für richtig und fair.

Wir sind noch in Diskussionen – das wissen Sie alle hier im Plenum – über die Neugestaltung des Finanzausgleichs. Mit den kommunalen Spitzenverbänden beraten wir noch über das Thema „Kosten der deutschen Einheit“. Dass wir an dieser Stelle zielführende Kommissionen eingesetzt haben, ist bekannt. Und wir werden versuchen, im Konsens einen Abschluss zu erreichen. Dabei müssen viele Dinge berücksichtigt werden. Ihnen ist bekannt, dass auch im GFG 2010 Etliches Beachtung gefunden hat, zum Beispiel der Steuertausch bezüglich der Kfz-Steuer oder die Förderung von Kindern unter drei Jahren. All diese Dinge beeinflussen natürlich den Steuerverbund technisch.

Für uns ist wichtig – das möchte ich gerne wiederholen –, dass wir auch im Jahre 2010 mit 7,72 Milliarden € einen sehr hohen, nämlich den zweithöchsten Zuweisungsstand seit Bestehen des Steuerverbundes, haben. Für die Kommunen bedeutet das die gute Nachricht, dass sie für das Jahr 2010 sehr gut ausgestattet werden, aber natürlich verbunden mit der Feststellung, dass sie damit nicht aus den Problemen heraus sind. Genauso wie der Landeshaushalt ständig der Konsolidierung bedarf, muss das auch in kommunalen Haushalten passieren. Denn wir leben nun einmal in einer Zeit, in der die Steuerquellen nicht mehr sprudeln. Darauf muss sich jeder Haushaltsgesetzgeber einstellen.

Dass alles unter dem Vorbehalt der im November erscheinenden endgültigen Zahlen über die Steuereinnahmen steht, ist klar. Aber mir ist wichtig, noch einmal festzuhalten, dass wir mit unserer Referenzperiode den Kommunen Planungssicherheit gewähren und von daher die Möglichkeit eröffnen, ihre Haushalte aufzustellen. Das ist ein großer Vorteil. Auch hier haben wir über die Jahre Verlässlichkeit gezeigt.

Im GFG 2010 gibt es zum ersten Mal eine Besonderheit bezüglich der Einbindung der Städteregion. Sie erinnern sich sicherlich an das von diesem Parlament beschlossene Aachen-Gesetz. Finanzneutral haben wir das neue Gebilde im GFG abgebildet.

Bei den Mitteln des Steuerverbundes gibt es für die Kommunen wiederum ein extrem hohes frei verfügbares Volumen, nämlich von 86 %. Auch das ist, glaube ich, bundesweit ein vorbildliches Ergebnis. Wir wollen mit Hilfe der Schlüsselzuweisungen den Kommunen die Möglichkeit einräumen, frei über das Geld zu verfügen und sie nicht über Zweckzuweisungen binden. 86 % ist eine hervorragende Quote.

Darüber hinaus – darauf sind wir ein Stück weit stolz – erhalten die Kommunen immer noch die uns wichtigen entsprechenden Sonderpauschalen. Die Schulpauschale/Bildungspauschale beträgt nach wie vor 600 Millionen € und die Sportpauschale 50 Millionen €. Wir wissen um die Wichtigkeit von Bildung und Sport gerade im kommunalen Leben. Dort soll ein Schwerpunkt gesetzt werden.

Heute wird die erste Modellrechnung für die Kommunen zur Verfügung gestellt, sodass ein exaktes Herunterbrechen auf die einzelne Kommune möglich ist. Das alles können Sie über das Internet, aber auch über eine händische Version nachverfolgen.

Mit dem Gesetzentwurf zum GFG 2010 wird die Landesregierung ihrer Verantwortung gegenüber allen Kommunen gerecht. Wir haben gezeigt, dass wir über die Jahre ein verlässlicher Partner sind. Zur Konsolidierung aufzufordern sind alle, die mit Haushalt zu tun haben. Ich finde es richtig und wichtig, dieses zu betonen.

Aber wir sollten auch die positiven Botschaften nicht vergessen. Gerade mit den 2009 und 2010 zur Verfügung stehenden Mitteln des Konjunkturpaketes verbinden sich für die Kommunen eine Menge Chancen, in die Bereiche zu investieren, die wir in der Zukunft besonders brauchen. Bildung ist da ein ganz starkes Stichwort. Ich bin sicher, dass es, wenn wir unsere Investitionen an dieser Stelle nach wie vor verstärkt einsetzen, Chancen gibt, aus der wirtschaftlichen Misere wieder herauszukommen und, was den Steuerverbund und die Zuweisungen der Kommunen betrifft, insgesamt zu besseren Ergebnissen zu kommen.

In diesem Sinne herzlichen Dank und alles Gute für unsere Kommunen auch im Jahre 2010!

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben im Ältestenrat vereinbart, unmittelbar nach den Einbringungsreden die Aussprache zu eröffnen.

Ich erteile für die SPD-Fraktion der Vorsitzenden Frau Hannelore Kraft das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war schon ein merkwürdiger Duktus, der diesen beiden Reden, die wir gerade gehört haben,

anhaftete: Der Finanzminister zieht Bilanz und hält seine Abschiedsrede, und der Innenminister hält eine Abwicklungsrede. Feurige Haushaltsreden in diesem Hause haben schon einmal anders ausgesehen, meine Herren!