Deswegen hoffe ich, dass wir Ihre Unterstützung erhalten und sich nicht die Position des Innenministeriums durchsetzt: Haushaltssicherung, Nothaushalt, da geht nichts. Das Land muss endlich Sozialfarbe bekennen, damit in den Kommunen wieder Jugendliche mit Behinderung ausgebildet werden dürfen.
Damen und Herren! Frau Steffens, Sie haben gerade dargelegt, aus welchem Anlass Sie den Antrag gestellt haben. Halten Sie es wirklich für verantwortbar, aus einem Einzelfall
in Oberhausen einen Antrag zu stellen, der bei Jugendlichen, ihren Eltern und Freunden zu großer Verunsicherung führt,
und Pressemitteilungen ins Land zu schicken, durch die der Eindruck entsteht, dass in allen Nothaushaltskommunen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr ausgebildet werden darf?
Sie wissen, ich begrüße es jedes Mal, wenn wir einen Antrag haben, der sich mit der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen befasst. Gerade vor dem Hintergrund der UN-Konvention ist das Thema, jugendliche Menschen mit Behinderungen in Arbeit bringen, für die CDU-Fraktion, für die Landesregierung ein ganz wichtiges.
Aber nun haben Sie Aussagen getroffen, dass den Nothaushaltskommunen die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in der kommunalen Verwaltung als eine freiwillige Leistung untersagt wird. Natürlich gehe ich einem solchen Vorwurf nach. Meine Recherchen haben Folgendes ergeben:
Ihre Schlussfolgerung, dass die Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Behinderungen dadurch gesunken seien, ist falsch. Betroffen sind nicht Nothaushaltskommunen im Allgemeinen, sondern wenn überhaupt, dann nur Gemeinden, die überschuldet bzw. von Überschuldung bedroht sind. Das sind zurzeit in Nordrhein-Westfalen drei Gemeinden: Duisburg, Hagen und Oberhausen.
Außerdem wurde in diesen Gemeinden – es ist wichtig, darauf hinzuweisen – nicht die Ausbildung untersagt, sondern nur die, die über den unmittelbaren und unabweisbaren Bedarf hinausgeht. So steht es da, und so habe ich es aus den Regierungspräsidien Münster, Köln und Arnsberg erfahren.
Deswegen sage ich noch einmal: Wir haben im Ruhrgebiet 53 Städte und Gemeinden, und genau drei sind von dieser Überschuldung betroffen. Es gibt somit keinen generellen Ausbildungsstopp in Kommunen mit einem Haushaltssicherungskonzept.
Liebe Frau Steffens, Sie zitieren in Ihrem Antrag, dass es in Nordrhein-Westfalen 6.720 Ausbildungsstellen weniger als im Vorjahr gibt. Das ist richtig, aber es ist nur eine Seite der Medaille. Denn richtig ist auch: Es gibt in diesem Jahr 9.310 Bewerber
weniger als 2008. Das heißt, das Angebot an Ausbildungsplätzen ist um 6,6 % gefallen, aber die Bewerberzahl ist auch um 6,8 % gesunken.
Doch, darum geht es, weil Sie sagen: Es fehlen Ausbildungsplätze, und schuld daran seien die Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept, die nicht ausbilden dürften.
(Barbara Steffens [GRÜNE]: Sie sind schuld! – Horst Becker [GRÜNE]: Die Kommunalauf- sicht ist schuld!)
Die Kommunalaufsicht verbietet es nicht in der Weise, wie Sie es von Ihrem Einzelfall aus darstellen. Ich sage es noch einmal: Es ist nach meinen Recherchen und meinen Gesprächen ein Einzelfall, der sich in anderen Kommunen so nicht wiederholt.
Ich habe mich, weil ich zufällig von Ihrem Schreiben und Ihrem Präzedenzfall nichts gewusst habe, auf die Stadt Duisburg konzentriert. Ich will Ihnen gerne sagen, wie es in der Stadt Duisburg, die in ihrer Finanzlage absolut mit Oberhausen vergleichbar ist, aussieht. Dort in Duisburg ist das Bild völlig anders, als es Ihr Antrag vermittelt.
Im April dieses Jahres gab es einen gemeinsamen Antrag von vier Fraktionen im Duisburger Rat. Dabei waren auch die Grünen. Sie haben beschlossen, dass die Stadt Duisburg auch in diesem Jahr trotz der prekären Finanzlage Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Wenn Sie mit Ihren Kollegen gesprochen hätten, wüssten Sie, dass es in der Stadt Duisburg 62 Ausbildungsplätze gibt. So viel zur Möglichkeit einer Kommune im Nothaushalt, die überschuldet oder von Überschuldung bedroht ist.
Nein, ich verstehe nicht – das sage ich Ihnen ganz offen –, wie man von einem Einzelfall aus einen Antrag macht, der den Eindruck erweckt, in ganz Nordrhein-Westfalen wären Kommunen im Nothaushalt nicht mehr in der Lage, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, und davon seien besonders die Menschen mit Behinderungen betroffen.
Ich muss Ihnen nicht sagen, dass ich mich für Menschen mit Behinderungen besonders einsetze. Deswegen ärgert mich, nein, es irritiert mich und es macht mich böse, wenn falsche Signale in die Landschaft gehen, die gerade wieder diese Menschen treffen, die es schwer genug haben und denen wir im Ausschuss, in der Fraktion und in der Landesregierung immer eine besondere Aufmerksamkeit widmen.
Wie würden Sie das denn interpretieren, dass der Regierungspräsident von Düsseldorf, Herr Büssow, sagt: Es ist daher nicht zu akzeptieren, wenn gerade Nothaushaltsrechtskommunen wie die Stadt Oberhausen Modellprojekte auch mit dem Ziel der Ausbildung Behinderter initiieren.
Er sagt klar, dass man im Nothaushalt nicht ausbilden darf. Das ist kein Einzelfall, sondern das ist die Position der entsprechenden Stelle für den gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf.
Dann würde ich mich mit dieser einzelnen Kommune, mit diesem einzelnen Regierungspräsidenten, wie Sie es auch getan haben, auseinandersetzen.
Frau Steffens, ich habe von Ihrem Einzelfall nichts gewusst, bis Sie ihn jetzt hier dargestellt haben. Der Antrag spricht pauschal von einer Situation, die für alle Nothaushaltskommunen gilt.
Vielleicht ermöglichen Sie, dass ich noch ein paar Takte dazu sage. Ich möchte einfach darauf hinweisen: Sollte es da eine solche Situation geben, werden wir uns, angeschlossen an das, was generell im Land gilt, sicherlich einsetzen, um Verbesserungen herbeizuführen.
Vielleicht nur einige Hinweise, um zu zeigen, wie sehr sich die Landesregierung gerade für behinderte junge Menschen und ihre Chancen auf Ausbildung einsetzt.
Da brauchen Sie gar nicht so abfällig zu reagieren. Das möchten Sie vielleicht auch nicht so gerne hören, Herr Becker.
Es ist einmal die Aktion „100 zusätzliche Ausbildungsplätze für behinderte Jugendliche und junge Erwachsene in NRW“. Es gibt die Maßnahme „Integration lernbehinderter Menschen in Ausbildung“.
Es gibt im Ausbildungskonsens die besonderen Anstrengungen für Menschen mit Behinderungen. Es gibt auch in dem Programm „Teilhabe für alle“, das uns jetzt in der zweiten Fortschreibung vorliegt, weitere Hinweise.
Abschließend verweise ich ebenso wie Sie, Frau Steffens, auf die gestrige Rede des Ministerpräsidenten, in der er noch einmal ausdrücklich betonte – ich darf das sinngemäß zusammenfassen –, dass auch Nothaushaltskommunen ausbilden dürfen und sollen.
(Horst Becker [GRÜNE]: Da schauen Sie noch einmal richtig ins Protokoll! – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])
Ich will zum Abschluss auch noch darauf hinweisen, dass er das von Ihnen schon zitierte Angebot gemacht hat, junge Menschen im Rahmen ihrer berufspraktischen Ausbildung in die Kommunalverwaltungen aufzunehmen.
Angesichts der Situation von Menschen mit Behinderung in der Ausbildung lohnt es sich, sich im Fachausschuss weiter mit diesem Vorschlag zu beschäftigen und diese Perspektive zu konkretisieren. Wir stimmen der Überweisung dieses Antrages zu, und ich würde mich freuen, wenn die Beratungen im Fachausschuss helfen, genau solche Situationen, wie Sie sie uns dargestellt haben, zu verhindern. – Vielen Dank.