Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass sich der Kollege Körfges deswegen so empört, weil er zu Recht gemerkt hat, dass die Opposition das Thema einfach nur verschlafen hat.

(Beifall von CDU und FDP – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: So ist es!)

Wenn mit diesem Antrag auf eine Gemeinsamkeit hingearbeitet worden sein sollte, dann stellt man ihn doch nicht zu einer direkten Abstimmung. Das macht man nicht. Sie haben es aber getan.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Wer ist „man“?)

Das ist der Beweis dafür, dass es Ihnen nur um die Empörung und den Skandal geht und überhaupt nicht um die Sache.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich will noch hinzufügen – Stichwort: verschlafen –: Sie sprechen hier von einem so wichtigen Thema für die Sozialdemokraten. Das wissen Sie aber doch erst, seitdem es der Ministerpräsident selbst zum Thema gemacht hat. Als über die Sache gere

det wurde, haben Sie kein Sterbenswort dazu gesagt, weder als im März 2008 der Risikoschirm für die WestLB aufgespannt wurde – Fehlanzeige zu dieser Thematik seitens der Sozialdemokraten – noch als wir im Juni die Garantiezusage im Rahmen des Nachtragshaushalts abgeben mussten.

Jetzt kommen Sie nach Kassenschluss mit solch einem Antrag. Das ist unglaubwürdig, und deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Es gibt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Groth für Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Groth.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir jetzt vielfach gehört haben, dass der Ministerpräsident alles will, aber noch nicht durchgesetzt hat, warten wir gerne noch einen Augenblick darauf. Wir wollen aber nun vom Finanzminister wissen, was er bisher im Aufsichtsrat der WestLB geleistet hat.

Sie haben doch noch vor Kurzem neue Vorstandsmitglieder eingestellt. Wie haben Sie sich dafür eingesetzt, dass die Gehaltszahlungen begrenzt werden? Wie haben Sie sich dafür eingesetzt, dass die Bonuszahlungen, die überschießend sind, nicht noch weiter geleistet werden? Oder haben Sie an der Stelle überhaupt nichts gemacht? Dazu können Sie doch einmal eine Antwort geben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind am Schluss der Beratungen.

(Gisela Walsken [SPD]: Es kommt nichts! Hat der Finanzminister sich nicht mehr zu Wort gemeldet? – Gegenruf von Minister Dr. Helmut Linssen: Das haben wir im Präsi- dium beschlossen!)

Wir kommen zur Abstimmung. Die SPD-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen also über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/9718 ab. Wer schließt sich diesem Antrag inhaltlich an? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Eine Enthaltung des fraktionslosen Kollegen Sagel. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir kommen zu:

10 Die Besten für die Jüngsten – Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7342

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Generationen, Familie und Integration Drucksache 14/9463

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/7685

Ich gebe den Hinweis, dass der Antrag Drucksache 14/7342 gemäß § 79 Abs. 2 der Geschäftsordnung bereits vom Plenum an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration mit der Maßgabe überwiesen wurde, dass eine Beratung und Abstimmung nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgt. Diese liegt nun vor.

Ich eröffne die Beratung. – Frau Kollegin Asch steht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits am Pult. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Glück ist in den letzten Jahren Familienfreundlichkeit und die hohe Bedeutung des Bildungserwerbs gerade im Elementarbereich zu einem zentralen politischen Thema geworden. Wir haben bereits heute Morgen Gelegenheit gehabt, über die Kinderfreundlichkeit unserer Gesellschaft zu sprechen. Leider gibt es in dieser Debatte einen kleinen Wermutstropfen. Denn es wird in der Regel rein quantitativ über den Elementarbereich gesprochen, und die Qualität der Betreuung gerät darüber oft in den Hintergrund.

Es gerät in den Hintergrund, dass es für die Persönlichkeitsentwicklung und für die Bildung der Kinder vor allen Dingen wichtig ist, verlässliches, ausreichendes und gut ausgebildetes Personal zur Verfügung zu stellen. Obwohl wir in Deutschland wissen, welch hohe Bedeutung die frühe Förderung von Kindern hat, erlauben wir uns immer noch einen kapitalen Fehler: Unsere Kindergärten, unser Kindertagesstätten sind die einzige Bildungsinstitution, in der das Personal nicht über einen Hochschulabschluss verfügt und in der nicht regelmäßig und konsequent Fort- und Weiterbildung gefördert wird. Das Einrichtungspersonal ist teilweise gezwungen, im Urlaub, privat finanziert, an Fortbildungen teilzunehmen. Wir müssen leider feststellen: Deutschland gemeinsam mit Österreich steht auf dem Niveau der Aus- und Fortbildung und der Weiterbildung der sozialpädagogischen Fachkräfte als europaweites Schlusslicht da – trotz besserer Einsichten.

Die geballte Erziehungswissenschaft – wir haben es in den Anhörungen zu unserem Antrag erlebt –, die Studie der OECD, der Zwölften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung fordern einhellig

und einstimmig die Höherqualifizierung des pädagogischen Personals in der Elementarbildung inklusive Hochschulausbildung, zumindest für das Leitungspersonal von Einrichtungen. Selbst in der nordrhein-westfälischen Koalitionsvereinbarung sind entsprechende Passagen zu finden.

Wir müssen feststellen, die notwendigen Rahmenbedingungen für eine anspruchsvolle und kindgerechte Bildungsarbeit haben sich in NordrheinWestfalen durch das sogenannte Kinderbildungsgesetz nochmals verschlechtert. Das beginnt bei einer schlechteren Kinder-Erzieherinnen-Relation, geht weiter über mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten für Vertretungspersonal während des Besuchs einer Weiterbildungsmaßnahme und endet bei fehlenden zusätzlichen Studiengängen.

Die Landesregierung verweigert sich allen Forderungen nach landesweiten Standards und Qualitätssteigerungen. Auch der Blick in den Haushalt 2010 verrät, dass es in dem neuen Haushalt keinerlei Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen von Kinderpflegerinnen oder Erzieherinnen gibt. Im früheren Gesetz, im GTK, waren immerhin noch 0,25 % der Betriebskostenzuschüsse automatisch für Fortbildungsmaßnahmen vorgesehen. Das gibt es jetzt in den Kindpauschalen überhaupt nicht mehr. In diesen Kindpauschalen sind lediglich die Personalkosten für Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen enthalten. Die Bezahlung von Fachkräften mit einer Hochschulausbildung ist im KiBiz schlichtweg nicht vorgesehen.

Wir fordern deshalb in unserem Antrag, sowohl die Mittel für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen als auch die Schaffung der gesetzlichen und strukturellen Grundlagen für die Einstellung akademisch ausgebildeten Personals. In den Kitas brauchen wir mehr Durchlässigkeit durch die Weiterbildungsangebote, damit sich die Kinderpflegerin zur Erzieherin und die Erzieherin zur Elementarpädagogin mit Hochschulabschluss weiterqualifizieren können.

Wir Grünen – das ist mir besonders wichtig, weil oft polemisch versucht wird, das anders zu drehen – wollen einen Personalmix in den Einrichtungen. Wir brauchen die Kinderpflegerin, die Hauswirtschaftskräfte, die Erzieherin, aber auch akademisch qualifiziertes Personal. Alle sind mit ihren spezifischen Kompetenzen wichtig für die Kinder.

Der Erzieherinnenstreik hat uns ganz deutlich ins Bewusstsein gerufen, dass insgesamt eine Aufwertung der Fachkräfte in den Kindertagesstätten nötig ist. Die Arbeit mit den Kindern bis sechs Jahren muss uns als Gesellschaft genauso viel wert sein wie die mit Grundschulkindern. Deswegen wollen wir durch eine akademische Ausbildung zumindest der Leiterinnen der Einrichtung auch eine Angleichung der Verdienstmöglichkeiten von Elementarpädagoginnen und Grundschullehrerinnen erreichen.

Aber dazu braucht es selbstverständlich – das werden wir heute noch in einem weiteren Tagesordnungspunkt thematisieren – eine bessere Ausstattung der Kindertagesstätten, eine bessere Bezahlung und damit auch höhere Kind- und Kopfpauschalen, weil sonst eine Finanzierung dieses höher qualifizierten Personals nicht möglich ist.

Wir brauchen auch eine sehr viel größere Zahl an Ausbildungsplätzen. Wir wissen, dass Elementarpädagoginnen bis jetzt nicht genügend Ausbildungskapazitäten an den Fachhochschulen und Universitäten unseres Landes haben. Deshalb wollen wir Grünen diese Qualitätsoffensive mit Ihnen gemeinsam auf den Weg bringen. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Milz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Qualität der Elementarbildung ist in der Tat eines der wichtigsten Themen, mit denen wir uns hier beschäftigen. Wir haben dies allein mit dem vorliegenden Antrag seit mehr als einem Jahr getan. Sowohl im Plenum als auch in einer Anhörung und in den Fachausschüssen ist dieses Thema beraten worden. Die engagierten Diskussionen dort zeigen die Bedeutung des Themas. Es ist nicht nur ein Thema von hoher Bedeutung für uns in der Politik, sondern ich meine damit auch all die Menschen, die als Eltern, beruflich oder auch ehrenamtlich täglich ihr Bestes für die Kleinen geben. Für sie ist die Bedeutung genauso klar wie für uns alle.

Aber über die Wege zu dem Ziel, die Qualität in der frühkindlichen Bildung noch zu steigern, ist ebenfalls häufig – sowohl im Zusammenhang wie auch in Teilaspekten – diskutiert worden. Wir haben uns dazu alle sehr viele Gedanken gemacht. Der vorliegende Antrag fasst nach unserer Meinung zwar viele Aspekte zusammen, bringt aber nichts Neues, worüber wir im Moment tatsächlich abstimmen könnten. Denn nach einem Jahr ist vieles von dem, was in dem Antrag an Forderungen an uns herangetragen worden ist, schon erledigt.

Die Landesregierung misst dem Bildungsauftrag in der Kinderbetreuung in den Einrichtungen sowie der Qualifizierung des Personals einen hohen Stellenwert bei. Das sehen wir anders, als Frau Asch es gerade in ihrer Kritik behauptet hat. Das Kinderbildungsgesetz mit all seinen Folgen ist hier schon sehr häufig kontrovers diskutiert worden. Wir als Koalitionsfraktionen haben bereits im Jahr 2005 im Koalitionsvertrag beschlossen, Leitungspositionen in Kindertageseinrichtungen an eine Hochschulausbildung oder vergleichbare Qualifikation zu knüpfen. Inzwischen bieten etliche Hochschulen in NRW

schon entsprechende Studiengänge an. Im Dialog mit den Hochschulen ist es wichtig, die Vorstellungen der Politik über ein einheitliches Berufs- und Ausbildungsbild im Konflikt mit den Freiheiten der Hochschulen zu verdeutlichen. Wenn diese Ausbildungsgänge erst einmal zu ausgebildeten Erzieherinnen mit Hochschulabschluss geführt haben, werden wir uns selbstverständlich irgendwann zum Thema Geld äußern müssen. Ob heute der richtige Zeitpunkt dafür ist, wage ich zu bezweifeln.

Das Kinderbildungsgesetz ist – auch da stimme ich Frau Asch nicht zu – keineswegs eine Verschlechterung in Bezug auf die Qualifikation gewesen. Vielmehr wurden damit erstmals in der Geschichte des Landes Qualifikations- und Personalvereinbarungen unter Einbeziehung aller Trägerzusammenschlüsse – einschließlich der kommunalen Spitzenverbände – geschlossen. Alle in den Einrichtungen tätigen Berufsgruppen werden dabei individuell betrachtet. Man hat sich sogar die Mühe gemacht, mögliche Hindernisse, Lebensleistungen und Ausnahmen mit zu beleuchten. Das ist etwas, was wir vorher, im alten GTK, überhaupt nicht hatten.

Bei allen Angeboten ist natürlich darauf zu achten, dass Aus-, Fort- und Weiterbildung so gestaltet werden, dass sie aufeinander aufbauen und damit auch Kontinuität entsteht. Das Stichwort „lebenslanges Lernen“ gilt hier genauso wie in anderen Berufen auch. Wir sind auf einem guten Weg, und sicherlich müssen wir noch besser werden; das ist unbestritten. Neue Herausforderungen erfordern immer neue Qualifikationen.

Dazu haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt, der wichtige Ziele formuliert. Nehmen wir zum Beispiel den Bereich der unter Dreijährigen. Dort besteht die Notwendigkeit zur Fortbildung nicht nur für das Personal in den Einrichtungen, sondern auch für die Menschen, die in der Tagespflege tätig sind, weil sie gerade bei dieser Altersgruppe eine große Rolle spielen.

Daher ist es ein Anliegen der Koalitionsfraktionen, für alle Bildungsmodule qualitätssichernde Instrumente – wiederum gemeinsam mit den Trägergruppen der Einrichtungen – zu erarbeiten. Auch Berufseinsteigerinnen und -einsteiger sollen hierbei unterstützt werden. Weiterhin halten wir an unserem Ziel fest, dass langfristig insbesondere die Leitung einer Kindertagesstätte über ein Hochschulstudium oder eine vergleichbare Ausbildung verfügen sollte. Wir erbitten deshalb bis zum Ende des Jahres 2009 einen Bericht der Landesregierung, der uns über Schritte zur Qualitätssicherung in den Einrichtungen informiert. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Milz. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Hack.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Besuchertribüne! Als der heute zur Abstimmung stehende Antrag der Grünen-Fraktion vor – das haben wir schon gehört – mehr als einem Jahr eingebracht wurde und der ebenfalls heute zu debattierende Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen im Oktober 2008 folgte, war leider beiden gemein, dass ihre Urheber den nur wenig später veröffentlichten Bericht der Enquete-Kommission „Chancen für Kinder“ nicht abwarten konnten.

Das haben meine Fraktion und ich seinerzeit bedauert – und das tun wir heute noch –, war doch damit aus unserer Sicht die Chance vertan, den konsensualen Bemühungen in einem der zumindest nach unserer Auffassung wichtigsten Themen der derzeitigen Legislaturperiode, nämlich der frühen Bildung, in diesem Hause gemeinsam Bedeutung zu verschaffen. Aber ebenso wie der Enquetebericht – darauf komme ich später noch zurück – hat der Grünen-Antrag nichts an Aktualität eingebüßt; das ist auch gut so.

Die FDP meint allerdings – ich zitiere aus dem Protokoll des Ausschusses für Generationen, Familie und Integration vom 18. Juni dieses Jahres –:

Insofern passe der Antrag der Grünen-Fraktion nicht zu der Situation im Land und werde deshalb abgelehnt.