Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bovermann, so weit kommen wir noch in diesem Hause, dass Sie den Auftrag geben, zu springen oder nicht zu springen.
Ich möchte vielmehr mit Folgendem anfangen – da Sie doch so schön die Noten verteilt haben –: Bei Ihrem Vortrag muss man zu der Note 0 greifen, nichts Neues, alles das Alte. Vor allen Dingen sollten Sie wenigstens die Urteile lesen, aus denen Sie hier zitieren. Ich glaube, dann kommen wir ein Stück weiter.
Meine Damen und Herren, die SPD beklagt die Blockade von Räten und Kreistagen durch eine zunehmende Zersplitterung derselben und verweist auf Köln, Essen und Duisburg mit acht, neun oder zehn Gruppierungen im Rat. Sie verkennt dabei, dass in Duisburg gerade einmal eine Gruppierung mehr im Rat sitzt als in der letzten Legislaturperiode.
Die Zersplitterung der Räte als Folge des geänderten Kommunalwahlrechts auszumachen, ist mehr oder weniger ein Witz. Das ist ein Wunschdenken von Ihnen, hat aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
Herr Bovermann, ich sage das hier heute noch einmal: Aus politischen Gründen – so ist das auch im Protokoll des Landtags nachzulesen – könnten wir uns sehr wohl wünschen, dass es eine Sperrklausel gibt.
Aber, Herr Jäger, im Gegensatz zu Ihnen können wir diese Urteile des Landesverfassungsgerichts richtig interpretieren und richtig lesen.
(Britta Altenkamp [SPD]: Weil Sie die FDP als Lesehilfe haben, oder was? – Ralf Jäger [SPD]: Von denen werden Sie gegängelt!)
Im Gegensatz zu Ihnen werden wir nicht nach dem Motto handeln: Lasst uns immer wieder ein Gesetz beschließen und immer wieder zum Verfassungsgerichtshof laufen – drei Ecken, ein Elfer –, irgendwann werden wir schon durchkommen. – Das ist Blödsinn.
Herr Bovermann, Sie lesen aus dem Urteil geradezu einen Auftrag an den Innenminister heraus. Auch das ist völliger Blödsinn. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Gerichtshof erklärt: Wenn man eine Sperrklausel einführen will, muss man den Nachweis erbringen, dass das sinnvoll ist. -Er hat nicht gesagt: „Aber jetzt lauft los und erbringt diese Nachweise, führt empirische Untersuchungen durch“, sondern: Ihr müsst das machen.
Herr Bovermann, erstaunlich ist doch: Mir liegt bisher von keiner einzigen kommunalen Vertretung ein Hilfegesuch an den Landtag vor, nach dem Motto: Unsere Funktionsfähigkeit ist nicht mehr gegeben oder massiv gefährdet. – Vielmehr heißt es, wenn man konkret fragt, es sei schwieriger geworden, seitdem sie mehr Gruppierungen hätten, und die Sitzungen dauerten länger. Aber darüber, dass es unmöglich sei, diese Kreise politisch oder verwaltungsmäßig zu führen, liegt für keine einzige kommunale Gebietskörperschaft ein Nachweis vor.
Von daher gesehen müssten Sie schon konkrete Punkte auf den Tisch legen und sagen, dass dies so ist. Das Verfassungsgericht hat Ihnen – auch uns – ganz deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass allein eine kompliziertere Verhandlungsführung, eine längere Sitzungsdauer usw. nicht als Störung der Funktionsfähigkeit interpretiert werden könnten.
Von daher gesehen muss man zwischen dem unterscheiden, was politisch gewünscht ist, und dem, was verfassungsrechtlich möglich ist.
Sie wissen doch selbst, es hat eine Diskussion über das Bogumil-Gutachten gegeben. Herr Prof. Bogumil hat selbst gesagt, dass das, was er untersucht hat, bestenfalls Anhaltspunkte seien und keinesfalls ausreiche, den vom Verfassungsgerichtshof geforderten Standard nachzuweisen.
Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen: Das Bundesverfassungsgericht, der Verfassungsgerichtshof NRW und jüngst auch noch der Staatsgerichtshof in Bremen haben eindeutig entschieden, dass die Wiedereinführung einer Sperrklausel unzulässig wäre. In keinem Bundesland gibt es eine solche Sperrklausel. Viele – oder manche – Bundesländer haben nie eine gehabt. Auch von dort haben wir keinerlei Signale dafür bekommen, dass der Untergang des Abendlandes – sprich: der kommunalen Selbstverwaltung – bevorsteht.
Im Übrigen hat es auf kommunaler Ebene immer schon eine größere Bandbreite der im Rat vertretenen Gruppierungen gegeben als auf höherer Ebene, sodass das keine neuen Entwicklungen sind.
Herr Körfges, Ihnen vergeht das Lachen noch; davon bin ich fest überzeugt. – Eine Sperrklausel von 2,5 %, wie in dem SPD-Antrag gefordert, hätte in den 21 kreisfreien Städten bei einer Gesamtzahl von 1.554 Mandaten zu einem Wegfall von 43 Mandaten geführt, das heißt von gerade einmal 2,8 % der Mandate. Wollen Sie sagen, dass der Wegfall dieser 2,8 % der Mandate zu einer Unregierbarkeit führt oder dazu, dass es zu einer erheblichen Funktionsstörung in den Räten kommt?
Jetzt kommen wir zu dem Thema Stichwahl. Herr Körfges, deswegen habe ich auch verstanden, weshalb Sie den Antrag nicht begründet haben: Es war Ihnen an der Stelle zu peinlich.
Die Wiedereinführung einer Stichwahl erscheint nämlich, ebenfalls unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten und angesichts des Wunsches, eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu haben, widersinnig. Bei Stichwahlen war die Wahlbeteiligung zumeist deutlich geringer als im ersten Wahlgang, sodass die demokratische Legitimation auch nicht unbedingt größer war als derzeit.
Wenn Sie hier als totales Musterbeispiel für die widersinnigen Folgen dieser Wahlrechtsänderung Wülfrath anführen, sage ich Ihnen, Herr Körfges: Sie hätten besser Mönchengladbach angeführt; denn das Beispiel kennen Sie doch haargenau.
Ich will Ihnen einmal sagen, wie Sie mit Schein und Wirklichkeit umgehen. Damit komme ich auf die Kommunalwahl im Jahr 2004 zurück, als Norbert Bude im ersten Wahlgang 34,6 % der Stimmen erreichte, dann in die Stichwahl ging und einen absoluten Legitimationszuwachs erhielt, nämlich einen Stimmenanteil von 51,9 %. Herr Körfges, Sie wissen doch, dass diese 51,9 % 17,1 % der Wahlberechtigten entsprechen. Das heißt, dass der Präsident des nordrhein-westfälischen Städtetages durch seine Stichwahl eine Legitimation von 17,1 % der Wahlberechtigten hatte.
Dann sagen Sie heute hier: Die Stichwahl war eine ganz große Sache. Die Bewerber, die daraus gegangen sind, hatten eine herausragende demokratische Legitimation. Das ist ein Witz. Das wissen Sie.
Sie wissen auch, dass die Wahlbeteiligung bei dieser Kommunalwahl gegenüber der von vor fünf Jahren zurückgegangen ist.
Das heißt, auch wenn bei der Stichwahl vielleicht ein Ergebnis von 13 oder 14 % herausgekommen wäre, sollten Sie nicht so tun, als hätten die Kandidaten früher eine höhere demokratische Legitimation gehabt. Ich könnte die Beispiele Baranowski und Dieckmann anführen. Sie sind genauso. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen.
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen – das sollten Sie auch deutlich sagen –, dass lediglich bei 18 % der Oberbürgermeisterwahlen der Gewinner weniger als 40 % Zustimmung hatte. Das niedrigste Ergebnis lag bei 38,1 %. Bei den Landratswahlen ist das ähnlich. Wir brauchen uns also nichts vorzumachen. Das, was Sie hier machen, ist ein Scheintheater, weil Sie jetzt noch einmal die schwieriger werdende Mehrheitsbildung dazu nutzen wollen, hier mit Anträgen zu kommen, die Sie in der Vergangenheit schon vergeblich gestellt haben und die nach unserer Auffassung – a – verfassungsrechtlich nicht möglich sind und – b – politisch nichts bringen.
Auch die Abkopplung der Bürgermeister- und Landratswahlen von den allgemeinen Wahlen ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs NordrheinWestfalen völlig unproblematisch. Beim Rückgang der Wahlbeteiligung um 2,1 Prozentpunkte gegenüber 2004 kann sicher nicht von einem dramatischen Einbruch der Wahlbeteiligung gesprochen werden. In einer Reihe von Städten war die Wahlbeteiligung jüngst mit 45 % bis 46 % nur unwesentlich höher als die in Ihrem Antrag genannte Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl in Düsseldorf ohne Bürgermeisterwahl. Auch insofern sehen wir keinen Handlungsbedarf.
Wir sollten vielmehr gemeinsam, Herr Körfges und Herr Bovermann – da sehe ich uns in der Pflicht –, alles versuchen, die Zahl der Nichtwähler zu reduzieren, dass wir es schaffen, dass wieder mehr Leute von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.
Wer schreit, hat Unrecht, Herr Sagel. Das wissen Sie selber. Wir sollten alles versuchen, damit die Zahl der Nichtwähler zurückgeht. Denn dann haben es die Splittergruppen viel schwerer. Sie beschränken sich hier auf rein verwaltungsmäßige Maßnahmen und sind nicht bereit, Ihren zurückgehenden Zuspruch bei den Wählern in irgendeiner Form auszugleichen. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Prof. Bovermann! Die „Villa Kunterbunt“ ist nicht verfassungswidrig. Das ist der Kernsatz.
Mit Ihrem Antrag wiederholen Sie nur das, was Sie im Mai dieses Jahres erfolglos in Münster vorgetragen haben. Nichts Neues!
Die Abschaffung, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Stichwahl als Verlust demokratischer Legitimation zu betrachten, ist schlicht scheinheilig. Werte Kollegen von der SPD, vielleicht hätten Sie am 26. Mai in Münster bei der Urteilsverkündung etwas genauer zuhören sollen; Sie saßen ja auch in der ersten Reihe. Sicherlich wäre Ihnen dann nicht entgangen, dass auch ein Wahlsystem ohne Stichwahl rechtstaatlichen und demokratischen Grundsätzen in jeglicher Hinsicht genügt.