Die letzten beiden Punkte will ich nicht verschweigen, weil wir ja im Bundestagswahlkampf sind. Es gehört zu einer familienfreundlichen Politik auch dazu, dass man für einen Mindestlohn einsteht, damit gerade alleinerziehende Mütter nicht vier, fünf Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen. Ein Mindestlohn bedeutet familienfreundliche Politik.
Zum Schluss möchte ich noch ins Feld führen, dass Nordrhein-Westfalen ein Land ist, in dem Kinderarmut sehr verbreitet ist; jedes fünfte Kind lebt in Armut. Auch das ist kein Grund für Sie, zu sagen, wir
seien ein kinderfreundliches Land und die Dinge, die Sie unternommen hätten, würden dazu führen. Das Gegenteil ist der Fall.
Wenn man die Polemik und das Wahlkampfgetöse aus Ihrem Antrag herausnimmt, wenn wir uns im Ausschuss vernünftig zusammensetzen, dann bin ich optimistisch, dass wir einen gemeinsamen Antrag hinbekommen. Bei den Eltern würde es am besten ankommen, wenn wir das schaffen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Jetzt möchte noch einmal Herr Kern von der CDU-Fraktion das Wort haben.
Danke, Herr Präsident! – Bei allem Wahlkampfgetöse sollten wir bei diesem Thema einmal ein bisschen Toleranz üben und über das hinwegsehen, was Sie, Herr Kollege Jörg, gerade an Wahlkampf gemacht haben. Ich habe in meinem Antrag bewusst keinerlei Wahlkampf betrieben, weil wir diesen Antrag sehr ernst nehmen.
Deswegen biete ich Ihnen trotz des Rundumschlages, zu dem Sie gerade ausgeholt haben, an, zu versuchen, gemeinsam etwas zu machen, damit sich auch etwas verändert, und zwar über den Tag hinaus. Ich bin keineswegs so skeptisch wie Andrea Asch, dass man dann bei einem Wechsel irgendwie bedroht sei. In Berlin herrschte Einstimmigkeit, und von daher bin ich sehr optimistisch, dass wir das insgesamt hinbekommen.
Weil Sie Kinderarmut angesprochen haben, will ich nur daran erinnern, dass wir als erstes Bundesland „Jedem Kind eine Mahlzeit“ ermöglicht haben. Das ist ein Riesenprogramm, das auf sehr fruchtbaren Boden gefallen ist. Da haben wir den Anfang gemacht. Es bedarf einer kontinuierlichen Verbesserung der Situation rund um das Kind, bis wir eventuell irgendwann einmal den Idealzustand haben. Das Optimum ist durch die finanziellen Ressourcen vorgegeben.
Ich freue mich auf das Gespräch und biete für unsere Fraktion ausdrücklich an, Sie mit einzubinden. Wir sollten dann aber auch wirklich an der Sache arbeiten. Es geht um Kinderlärm, und wir werden dafür sorgen, dass Kinderlärm nicht mehr Gegenstand von Gerichtsprozessen sein kann. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht mehr. Damit kann ich die Beratung schließen.
Wir stimmen über die Empfehlung des Ältestenrates ab, den Antrag Drucksache 14/9768, über den wir gerade debattiert haben, an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration – federführend –, an den Ausschuss für Bauen und Verkehr sowie an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird im federführenden Ausschuss – also im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration – in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Dann ist dies einstimmig so beschlossen.
3 Kommunalwahl 2009 Aus Fehlern lernen – Das gescheiterte Experimentieren an der Kommunalverfassung rückgängig machen!
Ich eröffne die Beratung. – Für die antragstellende SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Dr. Bovermann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 10, 15, 44, 52 – diese Zahlen charakterisieren den Ausgang der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen.
Die „10“ steht für die Anzahl der Fraktionen bzw. Gruppierungen, die in den Rat der Stadt Duisburg einziehen. Nun sind es also schon zehn Akteure, darunter fünf mit jeweils nur einem Ratsmitglied. 1,1 % der gültigen Stimmen reichten aus, um eines dieser Mandate zu erringen. Das sind gerade einmal 0,5 % der Wahlberechtigten.
Doch Duisburg ist kein Einzelfall. Ähnlich sieht es in Köln und Essen aus, wo wir acht bzw. neun Gruppierungen im Rat haben. Mit anderen Worten: Der Trend zur Zersplitterung der Räte und Kreistage, der mit dem Wegfall der 5 %-Hürde im Jahre 1999 begann, hat sich eindeutig fortgesetzt. Dazu hieß es in einem Zeitungsartikel: „Viele Rathäuser sind zur Villa Kunterbunt geworden.“
Nun könnte man diese Farbtupfer als Bereicherung der kommunalen Landschaft ansehen, wären nicht die Folgen zu beachten, die unlängst in einem Gut
achten von Prof. Bogumil aufgezeigt worden sind. Mit der wachsenden Anzahl der Akteure verlängern sich die Ratssitzungen, nimmt die Sitzungseffizienz ab, wird die Bildung klarer Mehrheiten erschwert. Die Arbeitsfähigkeit der Räte gerät in Gefahr. Die Belastung der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker steigt. Abhilfe verspricht hier ein Mittel: die Wiedereinführung einer moderaten, aber wirksamen Sperrklausel.
Die zweite Zahl – 15 – steht für den Anteil der Wahlberechtigten, die in Wülfrath die Bürgermeisterin Claudia-Almut Panke ins Amt gewählt haben. Umgekehrt waren es 85 %, die sie nicht gewählt haben. Doch das war nicht ausschlaggebend. Es reichten die 27 % der gültigen Stimmen für den Sieg. Ähnlich sah es in anderen Städten aus.
Der Verein „Mehr Demokratie“ hat errechnet, dass allein 32 Bürgermeister bzw. Landräte mit einem Ergebnis unter 40 % der gültigen Stimmen ins Amt gelangt sind. Diese Amtsinhaber verfügen über keinen breiten Rückhalt in der Bevölkerung, müssen aber in schwieriger wirtschaftlicher und finanzieller Situation unpopuläre Entscheidungen treffen und vermitteln. Um eine solche Konstellation zu verhindern, ist die Wiedereinführung der Stichwahl erforderlich, die gerade von der schwarz-gelben Landtagsmehrheit abgeschafft worden ist.
Die Stichwahl garantiert nämlich, dass im zweiten Wahlgang unter den besten Kandidatinnen und Kandidaten ein Bewerber gewählt wird, der mindestens über 50 % der gültigen Stimmen verfügt und damit eine ausreichend breite Legitimation hat.
Die dritte Zahl, die ich genannt habe, steht für die Wahlbeteiligung in Düsseldorf. Mit nur 44,6 % lag sie im Landesvergleich besonders niedrig. Allerdings fand in der Landeshauptstadt auch nur eine Ratswahl statt. Es fehlten damit im Wahlkampf die Bürgermeisterkandidaten als Zugpferde der Parteien, um die Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.
Was für Düsseldorf und eine Reihe weiterer Städte 2009 die Ausnahme war, wird für alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen 2014/2015 zur Regel: die Entkopplung der Rats- und Bürgermeisterwahl. Dann droht flächendeckend ein Rückgang der Wahlbeteiligung bei der Ratswahl, aber auch, wie die Erfahrungen in Süddeutschland zeigen, bei der Bürgermeisterwahl. Um einen solchen Rückgang der Legitimation zu verhindern, muss wieder zusammenwachsen, was zusammengehört: Rats- und Bürgermeisterwahl gehören auf einen Termin!
52 %, die letzte Zahl, steht für die Wahlbeteiligung an der Kommunalwahl insgesamt. Sie ist gegenüber
2004 noch einmal zurückgegangen und hat einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Dazu hat sicherlich auch beigetragen, dass die Wahl bewusst auf einen Termin zwei Wochen nach den Schulferien und vier Wochen vor der Bundestagswahl gelegt worden ist.
Dass die naheliegende Zusammenlegung mit der Bundestagswahl nicht zustande kam, ist das zweifelhafte Verdienst der Herren Wüst und Lindner.
Sie trauten den Wählern eine Differenzierung der Wahlebenen an einem Tag nicht zu. In Wirklichkeit versprachen sie sich politische Vorteile durch eine niedrige Wahlbeteiligung.
Für den Oberstrategen Wüst ist das gründlich schiefgegangen, da dieses Mal offensichtlich viele CDU-Wähler zu Hause geblieben sind.
Meine Damen und Herren, 10, 15, 44, 52 – das ist zugleich die Bilanz des schwarz-gelben Experimentierens am Kommunalwahlrecht. Experimente ohne Not, Experimente allein aus parteitaktischen Motiven, Experimente gegen den Rat vieler Experten, und dies mit fatalen Folgen für die kommunale Demokratie, einer Gefährdung ihrer Funktionsfähigkeit und dem Risiko geringerer Legitimation!
Und deshalb füge ich noch eine Zahl hinzu: die Null. Die Null steht für den Innenminister und seine Unfähigkeit, sich für die kommunale Demokratie stark zu machen.
Gleich wird er wieder an das Rednerpult treten und sich hinter juristischen Interpretationen verschanzen. Dabei hat ihm der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil von 2008 zur verfassungswidrigen Mindestsitzklausel geradezu einen Arbeitsauftrag erteilt, nämlich valide empirische Untersuchungsergebnisse für eine nachvollziehbare, begründete Prognose drohender Funktionsstörungen der Räte vorzulegen.
Ich habe da wenig Hoffnung. Neugierig bin ich allerdings auf die Position der Kommunalpolitiker in der CDU-Fraktion; denn die haben sich mehr oder weniger offen dahin gehend geäußert, dass sie eine Sperrklausel schon ganz gern wieder einführen würden. Der Kollege Lux hat im Plenarsaal gesagt: „Ob und wie die Situation nach der Kommunalwahl aussieht, werden wir dann sehr akribisch prüfen.“
Nun, Herr Lux, die Kommunalwahl ist vorbei. Die Daten liegen auf dem Tisch. Hic Rhodus, hic salta! Herr Lux, springen Sie! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.