Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Wenn wir darum die Fragen der Altstandorterweiterung bzw. des Ersatzstandorts zu diskutieren haben, müssen wir uns auch mit der Frage der Standortsicherung beschäftigen. Was heißt denn Standortsicherung? Standortsicherung heißt nach meinem Verständnis: Standorterweiterung hinsichtlich Produktion, Produktionsverfahren und Fläche vor Ort ermöglichen.

Wenn wir dies nicht machen, würden wir über das Ruhrgebiet Mehltau legen. Das wollten wir nie. Deshalb hat sich die FDP immer zur Standortsicherung durch Standorterweiterung bekannt. Ich glaube, das ist der Nervus rerum, wenn wir uns mit Datteln befassen.

Die Anforderungen in § 26 Landesentwicklungsprogrammgesetz bekommen nach diesem Gerichtsurteil eine ganz andere Zielqualität. In § 26 heißt es: Die Energieversorgung muss ausreichend, sicher, umweltverträglich und möglichst preisgünstig sein. Anzustreben sind einheimische und regenerierbare Energieträger. – Das war damals die SPD, die gesagt hat: heimische Steinkohle. – Die Kraft-WärmeKopplung und die Nutzung industrieller Abwärme sollen verankert werden.

Das Gericht hat dieses letztendlich jetzt als verbindlich erklärt. Ich habe gelernt: Solche Ziele sind untereinander und gegeneinander abzuwägen. In den Ausführungen des Gerichtes sind sie aber als verbindlich erklärt worden.

Das stellt dann allerdings die Frage – darüber bitte ich einfach einmal nachzudenken –: Welche Energieversorgung können wir überhaupt noch betreiben, wenn wir dies alles wahrnehmen? Importkohle, Öl und Gas sind weder heimisch noch sind sie unbedingt zwingend überall sicher. Braunkohle wird aufgrund einer vermeintlichen besonderen CO2Belastung bekämpft. Kernkraft stellt die Endlagerungsfrage; da steht also auch die Umweltschutzproblematik im Raum. Biomasse dürften wir eigentlich auch nicht so sehr betreiben, denn dafür müssen wir zu große Flächen in Anspruch nehmen. Auch hier steht also die Umweltschutzproblematik im Raum. Bei der Wasserkraft – ich will es persiflieren – haben wir die Frage der Fischdurchgängigkeit. Windenergie ist nicht ausreichend sicher jederzeit verfügbar und stellt die Frage nach Flächenbeanspruchung und Landschaftsbild.

Also müssen wir fragen: Welche Kraftwerke können wir für eine langfristig orientierte Energieversorgung überhaupt noch bauen?

(Thomas Eiskirch [SPD]: Können Sie mal zum Thema sprechen?)

Und das macht das Gerichtsurteil meiner Meinung nach klar: Das muss Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Der Abwägungsvorgang muss sorgfältiger und ausführlicher sein als bislang. Das Abwägungsergebnis muss anders dargestellt werden. Das ist völlig klar.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Gucken Sie mal ins Urteil!)

Dann höre ich aber schon wieder auf der anderen Seite: Vorsichtig! Das ist viel zu detailliert! Das müssen wir gar nicht so machen! – Das kann nicht sein.

Meine Damen und Herren, das Gericht hat der Landesregierung jetzt in meinem Sinne eine Rechtsfortbildung an die Hand gegeben, indem es Spielregeln, die bislang bestanden haben, neu und sehr viel konkreter fasst.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das müssen wir uns klarmachen. Zu solchen Spielregeln – deswegen, Herr Eiskirch: Vorsicht an der Bahnsteigkante! – hat einmal ein Herr Moron im Zusammenhang mit den Haushalten 2001/2002 deutlich gemacht:

(Thomas Eiskirch [SPD]: Die Seminargebühr ist aber teuer, oder?)

Die Richter haben dieses Verfahren für rechtswidrig erklärt, ein Verfahren, das in mehreren Bundesländern seit Jahren geübte Haushaltspraxis ist. Das Land wird das natürlich zukünftig berücksichtigen.

Auch der damalige Finanzminister Dieckmann sagt, das Gericht habe mit seiner Entscheidung Neuland betreten. Das ist jetzt auch der Fall.

(Beifall von der CDU – Thomas Eiskirch [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Dann gibt es noch Ochtrup. Ich bedanke mich bei meinem Kollegen Herrn Priggen, der deutlich gemacht hat: Wir haben eigentlich eine gemeinsame Zielrichtung, nämlich Innenstädte lebenswert, liebenswert, quirlig zu erhalten und vorsichtig bei der Verlagerung auf die grüne Wiese zu sein.

Im Verfolg des Urteils zum CentrO ist der Landesregierung aufgegeben worden, das alles konkreter zu fassen. Das ist dann auch gemacht worden: mit § 24a Landesentwicklungsprogrammgesetz. Da hat man diese Kriterien angewandt.

Jetzt hat das Gericht aber auch hier – insoweit ist es ein Analogieschluss hinsichtlich der bedeutend sorgfältigeren Darstellung der Abwägungspraxis – mit Ochtrup und Datteln erlaubt: Es muss deutlich gemacht werden, dass bei der Größe 5000 m2 und der Einwohnerzahl 100.000 regional zu differenzieren ist.

In Nordrhein-Westfalen haben wir ja die Gliederung: ländlicher Raum, Ballungsrandzone und Verdichtungsraum. In der Tat ist es so, dass eine Stadt im Ruhrgebiet mit 100.000 Einwohnern eine wesentlich geringere oberzentrale Funktion haben kann als eine Stadt mit 50.000 oder 60.000 Einwohnern im ländlichen Raum. Das hat das Gericht jetzt aufgegeben zu prüfen und in die Abwägung einzubeziehen.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Das haben wir in der Anhörung schon diskutiert, und die Lan- desregierung hat es ignoriert!)

Ach, Herr Eiskirch, wenn ich all das erfüllen würde, was Sie irgendwann einmal geäußert haben, hätten wir das Chaos pur und nicht so eine verlässliche Landesregierung wie diese hier.

(Beifall von der FDP – Thomas Eiskirch [SPD]: Das war eine Expertenanhörung!)

Herr Eiskirch, Lautstärke hat noch nie Intellekt ersetzt. Noch nie! – Hier muss man nun deutlich machen, dass dieses Abwägungserfordernis jetzt sorgfältig umzusetzen ist.

Ein weiterer Punkt, der hier zur Diskussion stand, war, dass gesagt wurde: Die Landesregierung ist saumselig – saumselig, weil die Zusammenführung von Landesentwicklungsprogrammgesetz und Landesentwicklungsplan nicht schnell genug kommt. – Meine Damen und Herren, waren Sie es nicht, die in besonderem Maße beanstandet hatten, Kommunalwahl und Europawahl zusammenzulegen?

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Was hat das damit zu tun?)

Das sind genau die zwei Monate, die uns jetzt fehlen.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie sich jetzt vor Augen halten, dass sich die kommunalen Räte, die hierzu Stellung nehmen müssen, erst im November konstituieren, dass sich die Regionalräte, die es ursächlich angeht, erst im Januar konstituieren, dann werden Sie relativ unaufgeregt feststellen, dass der ehemals verabredete Zeitplan nicht zu halten ist. So einfach ist das.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Verschlei- erung!)

Deswegen: Die Nebelkerzen, die Sie werfen, haben zumindest mich nicht beeindruckt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die Landesregierung spricht nun die Wirtschaftsministerin, Frau Thoben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Einschätzung der Landesregierung schaden beide Oppositionsparteien unserem Land,

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

den industriellen Arbeitsplätzen und dem Klima. Ein unverdächtiger Journalist hat das so formuliert: Froh ist am Ende niemand darüber, aber es taugt für die politische Auseinandersetzung.

(Norbert Römer [SPD]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

Die SPD ist für jeden politischen Klamauk zu haben. Dafür gibt sie alles hin, wofür sie früher stand.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Priggen setzt sich in den Wirtschaftsausschuss und sagt: Das Gaskraftwerk in Hürth bei Köln ist in weniger als sechs Monaten genehmigt worden, und alle Bescheide sind gerichtsfest. – Herr Priggen, Sie wissen, dass das nicht stimmt. Das Kraftwerk Hürth ist wie alle anderen in den letzten Jahren gebauten Kraftwerke außerhalb von Flächen des LEP gebaut worden. Es ist nicht gerichtsfest, sondern es ist nicht beklagt worden.

(Beifall von der CDU)

Das ist ein Unterschied! Dies tragen Sie nicht vor.

Herr Eiskirch hat vorgetragen, er müsse sich um die Standorte für Kernkraftwerke kümmern. Auch dazu nur ein ganz kleiner Hinweis: Standorte für Kernkraftwerke sind in Nordrhein-Westfalen nur von der damaligen SPD-Regierung im LEP VI von 1979 ausgewiesen worden.

(Beifall von der CDU)

Mit der dritten Änderung des LEP VI vom 12. Juli 1988 hat die SPD-Regierung selbst bei den Standorten für Kern- und konventionelle Kraftwerke die Eignung Kernkraftwerke gestrichen. Was brauchen Sie jetzt also für eine Hast, um das, was jetzt Planungsrecht ist, fortzuschreiben? – Ich verstehe Sie in Bezug auf das Thema Kernkraftwerke überhaupt nicht. Sie stehen da nicht drin, und wir haben sie nicht vor. So einfach ist das.

(Beifall von der CDU – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Ach, Sie sind doch im Schlaf- wagen, Frau Ministerin!)

Daher – das muss ich Ihnen einfach so vortragen – war ein Kraftwerkneubau in Datteln zulässig.

In den vergangenen Tagen hat sich die Debatte daraufhin zugespitzt, dass es falsch gewesen sei, dort den Neubau eines Kohlekraftwerks vorzusehen. Ich möchte Folgendes klarstellen. Landes- und Regionalplanung weisen Flächen für Kraftwerke aus; auf diesen Flächen sind Kraftwerke zulässig. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um den Umbau eines bestehenden Kraftwerks, um die Erweiterung, um ein Gebrauchtkraftwerk, wenn es denn so etwas gibt, oder eben um einen Neubau handelt. Entscheidend ist, ob auf einer Fläche Kraftwerksnutzungen zulässig sind. Trotzdem hat die SPD die Frage gestellt, seit wann in den Planungsunterlagen von der Zulassung von Kraftwerksneubauten gesprochen wird. In Ihrem Entschließungsantrag wird diese Frage erneut aufgeworfen. Ich kann sie eindeutig beantworten: seit 1987. Der Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk Münster, Teilabschnitt „Nördliches Ruhrgebiet“, von 1987 weist den Standort Datteln samt der Fläche auf der östlichen Kanalseite mit dem entsprechenden Planzeichen als Kraftwerksstandort aus und legt im Textteil zu den Kraftwerken fest – ich zitiere wörtlich –:

Zur Minderung der Umweltbelastung sollen Altanlagen modernisiert oder durch neue, umweltverträgliche Kraftwerke ersetzt werden.

Im Jahr 2004 ist der Gebietsentwicklungsplan Münster für den Teilabschnitt „Emscher-Lippe“ geändert worden. Auch in diesem Plan ist der Standort Datteln gesichert. Dazu heißt es im Abschnitt „Energieversorgung“ – ich zitiere wörtlich –: