Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Im Jahr 2004 ist der Gebietsentwicklungsplan Münster für den Teilabschnitt „Emscher-Lippe“ geändert worden. Auch in diesem Plan ist der Standort Datteln gesichert. Dazu heißt es im Abschnitt „Energieversorgung“ – ich zitiere wörtlich –:

Zur Minimierung der Umweltbelastungen sollen Altanlagen modernisiert oder durch neue, umweltverträgliche und ressourcenschonende Kraftwerke ersetzt werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Und weiter in den Erläuterungen:

Dies bedingt auch eine Modernisierung bestehender Anlagen beziehungsweise ihre Neuerrichtung.

Mit Blick auf die sich konkretisierende Bauabsicht hat der Regionalrat Münster im September 2005 die Erarbeitung einer Änderung des Regionalplans für den Standort Datteln beschlossen. Im Abschnitt „Anlass und Gegenstand der Änderung“ heißt es – ich zitiere wörtlich –:

Gegenstand dieser Änderung ist die Verlegung des geplanten Grünzuges an den östlichen Bereich des Löringhof-Geländes, um eine zusammenhängende Fläche für den Kraftwerksneubau zu gewinnen.

Dieser war bereits vorher festgelegt.

Und es heißt weiter:

Parallel zum notwendigen Genehmigungsverfahren nach BImSchG sollen in entsprechenden Verfahren die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Kraftwerksneubau geschaffen werden.

Der Standort für das neue Kraftwerk gegenüber dem vorhandenen Kraftwerk wird vom Dortmund-Ems-Kanal …

Und so weiter, alles wörtliche Zitate.

Der Gebietsentwicklungsplan von 1987 ist mit den Stimmen der SPD im damaligen Bezirksplanungsrat – heute heißt er Regionalrat – beschlossen und durch den damals zuständigen Landesplanungsminister Klaus Matthiesen unter Beteiligung von Bauminister Zöpel genehmigt worden. Der Gebietsentwicklungsplan 2004 ist mit den Stimmen der SPD im Regionalrat für das Münsterland beschlossen worden, und er wurde durch den damals zuständigen Landesplanungsminister Dr. Axel Horstmann unter Beteiligung des Bauministers Dr. Michael Vesper und der Umweltministerin Bärbel Höhn genehmigt.

(Zurufe von der CDU: Aha!)

Die Regionalplanänderung von 2006 schließlich ist mit den Stimmen der SPD im Regionalrat für das Münsterland beschlossen worden, und er wurde durch die heutige Landesregierung von meinem Haus unter Mitwirkung vom Bauministerium und vom Umweltministerium genehmigt.

Ich komme zu der Feststellung, dass der Regionalrat für das Münsterland in seinen jeweils verschiedenen personellen Zusammensetzungen seit 1987 konsistent die planerischen Möglichkeiten für einen Kraftwerksneubau geschaffen und weiterentwickelt hat.

Die jeweils zuständigen Landesregierungen in verschiedenen Koalitionen – SPD allein, SPD/Grüne und CDU/FDP – haben diese Planungsentscheidungen auf Übereinstimmung mit den Zielen der Landesplanung hin geprüft und genehmigt. Das habe ich zum Anlass genommen, von einer Allparteienkoalition für diesen Kraftwerksneubau zu sprechen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Aha, also doch! Jetzt eingeknickt!)

Es tut mir leid, dass Sie ihn aufgeben. Das war wohl voreilig.

(Beifall von CDU und FDP)

Mir wird aus dem Wirtschaftsausschuss berichtet, dass sich die SPD-Fraktion dagegen verwahrt, für eine solche Koalition in Anspruch genommen zu werden: Es sei bei den betroffenen Entscheidungen keineswegs klar gewesen, dass es um einen Neubau gegangen ist. Ich nehme zur Kenntnis, dass die SPD nicht Teil einer Koalition für das Kraftwerk Datteln sein will. Das habe ich zu respektieren. Für die Inanspruchnahme bitte ich um Entschuldigung.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Zulässig!)

Ich war davon ausgegangen, dass die Tatsache des geplanten Neubaus angesichts der amtlichen Beschlusslage unzweifelhaft ist. Ich gehe allerdings davon aus, Herr Römer, dass auch die SPDFraktion im Rahmen des Kraftwerkserneuerungsprogramms Altkraftwerke mit niedrigem Wirkungsgrad und hohem CO2-Ausstoß abschalten wollte, solange sie die politische Verantwortung hatte. Oder?

(Beifall von der CDU)

Können Sie, wenn das zutrifft, mir vielleicht dann verraten, wie das geht, wenn man nicht zuvor neue Kraftwerke gebaut hat? – Ein bloß modifiziertes Kraftwerk kann man nicht abschalten. Um Wirkungsgrad, Rohstoffeinsatz und CO2-Ausstoß zu optimieren, wurde von der Vorgängerregierung gemeinsam mit der Kraftwerkswirtschaft und der IG BCE das sogenannte Referenzkraftwerk NRW als Modell für unser Land entwickelt. Sie werden damals über die IG BCE davon gehört haben, Herr Römer. Eine Anlage dieses Typs baut RWE in Hamm, eine Evonik/Steag in Duisburg-Walsum, eine weitere E.ON in Datteln. Gelingt auch dies, ist das ein technologischer Meilenstein, auf den das Land stolz sein kann, einschließlich der heutigen Opposition.

Ich vermute, dass Sie den Begriff einer „Allparteienkoalition“ als den Versuch einer Schuldzuweisung an frühere Landesregierungen interpretiert haben. Ich will ganz klar sagen: Das war ausdrücklich nicht gemeint. Ich gehe davon aus, dass alle hier zitierten Regionalräte die jeweiligen Beschlüsse der Landesregierung im Einklang mit geltendem Landesplanungsrecht und im Einklang mit dem Landesentwicklungsplan und damit rechtmäßig gehandelt haben. Andernfalls hätten viele wichtige Planungsentscheidungen in Nordrhein-Westfalen anders gefällt werden müssen.

Seit 1995 sind in unserem Land elf Kraftwerke in Betrieb genommen worden, alle auf genehmigten Standorten, aber keines auf einem LEP-Standort. Die größten darunter sind das BoA-Kraftwerk Nie

deraußem, das Trianel-Kraftwerk in Hamm-Uentrop, das Erdgaskraftwerk in Hürth.

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihren Zwischenruf: Es gab kein einziges Kraftwerk mit einem Zielabweichungsverfahren. Brüllen Sie hier nicht etwas in die Gegend, was einfach nicht stimmt.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gericht hat auf die Verwendung heimischer Energieträger abgehoben. Bereits seit dem Jahre 2001 liegt der Anteil der Importkohle an der Verstromung über 50 %. – Das war der erste Abschnitt.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Thoben. – Für die SPD spricht nun Frau Wiegand.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als örtliche Abgeordnete erlebe ich bei meinen Terminen vor Ort, was dieses Versagen der schwarz-gelben Landesregierung dort an Schaden anrichtet. Da ist eine Stadt wie Ochtrup, eine Stadt mit 20.000 Einwohnern, die ein bestehendes FOC erheblich erweitern will. Direkt nebenan liegt Gronau, eine Stadt mit 46.000 Einwohnern. Dort steht in der Innenstadt ein großes Warenhaus leer, eine der Hertie-Immobilien, die seit der Insolvenz des Unternehmens ab Frühjahr dieses Jahres bundesweit schließen mussten. Nun liegt mitten in Gronau ein Geschäftshaus mit zwei Etagen ansonsten marktgängiger Verkaufsfläche brach. Dort wäre auch ein Neubeginn mit Fabrikverkauf und Outlet zumindest denkbar.

Jetzt zu den Planungen für neue Verkaufszentren: Die Stadt Ochtrup will großflächigen Einzelhandel massiv ausweiten. Gronau hat sich ebenfalls auf den Weg gemacht und will ein vergleichbares FOC errichten. Den Flächennutzungsplan dafür hat die Bezirksregierung Münster als verlängerter Arm der Landesregierung gestern genehmigt.

Zitiert sei an der Stelle Georg Frieler in seiner plattdeutschen Kolumne in den „Westfälischen Nachrichten“ im Dezember vergangenen Jahres:

Und was ist mit unserem FOC-Zombie? Lebt der Halbtote noch oder ist er in den Grachten ersoffen?

Frau Thoben hat diesen Zombie gestern aus dem Wasser gezogen und wachgeküsst.

(Svenja Schulze [SPD]: Ih!)

In Ochtrup und Gronau sollen also nach dem Willen der jeweiligen Planer insgesamt deutlich über 20.000 m² Verkaufsfläche neu geschaffen werden.

Dabei hat Planungsministerin Thoben vor gerade einmal vier Wochen hier im Plenum weiße Salbe verteilt, indem sie im Zusammenhang mit Gronau von der politischen Zielsetzung des Innenstadtschutzes und von der Förderung der Innenstädte sprach, die nun ad absurdum geführt würde, wenn beim großflächigen Einzelhandel ein völliger Wildwuchs zugelassen würde. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, soll schon Konrad Adenauer gesagt haben.

Das Umland von Ochtrup und Gronau ist ländlich geprägt. Niedersachsen und die Niederlande liegen vor der FOC-Tür. Durch die Neuplanungen würde das Einzelhandelsgefüge in der gesamten Region massiv verändert. Es ist Aufgabe der Landesplanung, genau hier zum Wohle aller steuernd einzugreifen. Dabei hat die Planungsministerin allerdings versagt. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Urteil vom 26. August dieses Jahres auf Grundlage einer Verfassungsbeschwerde der Stadt Ochtrup wegen Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts die entsprechende Vorschrift des § 24a Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Landesentwicklung, LEPro, für nichtig erklärt.

Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat am 30. September 2009 im Streit um die Erhöhung der Verkaufsfläche des Euregio-Outlet-Centers in Ochtrup entschieden, dass der Stadt Ochtrup die Genehmigung der 78. Änderung des Flächennutzungsplans unter Auflagen zu erteilen ist.

„We love the new“ heißt es in einer Broschüre des NRW-Wirtschaftsministeriums. Für uns vor Ort bedeutet das „management by potatoes“, rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln.

Gronau hat die Besonderheit, dass ein riesiges, denkmalgeschütztes ehemaliges Spinnereigebäude als Monument des Industriekulturerbes unseres Landes innenstadtnah erhalten geblieben ist. Diese „Weiße Dame“, wie sie vor Ort heißt, müsste eigentlich in die Planungen einbezogen werden können. Sie steht im Ensemble mit anderen Industriekulturerben, dem heutigen WZG und dem IZG. Dort sind unter anderem die Wirtschaftsförderung und das „rocknpopmuseum“ untergebracht.

Die „Weiße Dame“ gammelt aber aktuell vor sich hin, weil immer wieder aufs Neue Investoren gefunden werden müssen, die bereit sind, Projekte anzustoßen, die dann aber durch die Landesplanung und den Willen der Gronauer CDU massiv verhindert werden. Ein Investor sprang ab, weil der Planungsministerin die geplante Verkaufsfläche zu groß war. Nun dürfte er wieder, aber er hat das Projekt inzwischen aufgegeben.

Ein anderer Investor forderte schon 2006 klare Kante von der Bezirksregierung, besonders im Hinblick auf die Konkurrenzsituation zwischen Ochtrup und Gronau. Infolgedessen droht der Stadt Gronau der

zeit ein kontinuierlicher Attraktivitätsverlust, befördert durch die schwarz-gelbe Landesregierung.

Dabei gibt es hier das beliebte Inselparkgelände mit dem Grachtensystem und seinen sogenannten Fritschi-Inseln. Schließlich war Gronau zusammen mit der niederländischen Gemeinde Losser im Jahr 2003 Ausrichter der NRW-Landesgartenschau.

Gronau hat aber neben der Hertie-Pleite auch jahrelangen unsinnigen Planungsstillstand in Bezug auf die Nutzung der „Weißen Dame“ und der Inselparkfläche zu verkraften gehabt. Durch das jahrelange Tauziehen um das FOC-Projekt sind unnötig viel Energie, Geld und Zeit vergeudet worden.