Deshalb, Frau Ministerin Thoben, sollten Sie endlich mit Schuldzuweisungen an andere aufhören und stattdessen besser in sich gehen und die nötigen Konsequenzen ziehen und vor allen Dingen diesem Hause sagen, was Sie denn tatsächlich zu tun gedenken.
Das gut Gemeinte will ich Ihnen gar nicht absprechen. Es kommt auf das gut Gemachte an. Ihr Regierungshandeln ist Murks.
Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion Herr Brockes das Wort. Bitte schön.
Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde läuft leider wieder einmal nach dem Motto: Hauptsache, wir werfen mit viel Dreck. Es wird schon irgendwas an der Landesregierung hängen bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, das Traurige bei dem, was Sie hier veranstalten, ist, dass Sie mit dieser Diskussion dem Industriestandort Nordrhein-Westfalen sehr, sehr deutlich schaden.
Das wissen wir alle, meine Damen und Herren. Aber bisher habe ich das so verstanden, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, dass Sie nach wie vor zum Industriestandort stehen. Aber dazu trägt diese Diskussion heute leider nicht bei. Deshalb mein guter Rat an Sie: Gehen Sie einmal in sich und überlegen Sie, ob das alles so richtig ist, was Sie hier veranstalten!
Meine Damen und Herren, ja, da ist der Vorwurf erhoben worden, dass die Vorlage eines neuen Landesentwicklungsprogramms aufgegeben wurde. Jeder, der sich damit auseinandergesetzt hat, weiß, dass man für ein solches LEP einen Zeitraum von mindestens einem Dreiviertel-, wenn nicht sogar einem Jahr benötigt. Es bedarf dazu eines umfangreichen Anhörungsverfahrens. Die Kommunen werden eingebunden, die Regionalräte. Da frage ich Sie: Wen wollen Sie denn da jetzt ansprechen? Noch die alten Räte und Regionalräte, die gerade noch drei Wochen im Amt sind?
(Zuruf von der SPD: Wer ist denn dafür ver- antwortlich? – André Stinka [SPD]: Wer hat denn das Wahlrecht manipuliert, Herr Bro- ckes?)
Oder wollen Sie die neuen kommunalen und Regionalräte einbinden? Das hätten Sie sich vielleicht vorher einmal überlegen und die Klagewut Ihrer Fraktionsvorsitzenden stoppen sollen. Dann hätte uns auch der zeitliche Rahmen zur Verfügung gestanden, um dieses Verfahren noch in dieser Legislaturperiode anzugehen.
Nein, meine Damen und Herren, durch die Verlagerung der Kommunalwahlen ist das zeitliche Fenster jetzt zu klein. Wir wollen alle kommunalen Ebenen, wir wollen die Regionalräte mit einbinden. Denn ich glaube, es ist wichtig, dass wir einen Landesentwicklungsplan haben, der eine breite Unterstützung im Land findet. Und das geht nun einmal schlecht in Wahlkampfzeiten. Deshalb lassen Sie uns dies gemeinsam zu Beginn der neuen Legislaturperiode angehen und eine solide Basis für unser Land schaffen.
Ein Letztes möchte ich Ihnen noch mitgeben: Nicht nur, dass Sie – auch Herr Kollege Römer – in Ihren Ausführungen zum Kraftwerk Datteln gerade wieder nicht darauf eingegangen sind, wie die SPDFraktion zu diesem Kraftwerk an diesem Standort steht – Sie kommen nicht drum herum, hier klar Farbe zu bekennen, was wir beim nächsten Tagesordnungspunkt noch einmal einfordern werden –, sondern, meine Damen und Herren, es war geradezu bemerkenswert, dass Sie zu den Ausführungen des Kollegen Priggen, von dem jeder weiß, dass er und seine Fraktion gegen das Kraftwerk, gegen das Kraftwerkserneuerungsprogramm in NordrheinWestfalen sind, Applaus gespendet haben. Überdenken Sie Ihre Position noch einmal!
Herr Präsident! Lieber Kollege Brockes, Sie haben eben gesagt, die Opposition würde mit Dreck werfen, damit an der Landesregierung etwas hängen bleibt. – An der Landesregierung bleiben die Urteile der Verfassungsgerichte und der Oberverwaltungsgerichte hängen. Das wollen wir mal festhalten.
Herr Ellerbrock hat es sehr deutlich gesagt: Das Gericht hat der Landesregierung Rechtsfortbildung an die Hand gegeben. – Das scheint mir eine Hand
lungsmaxime zu sein. Der Innenminister hat es, als er vor dem Bundesverfassungsgericht ein negatives Urteil kassiert hat, schon einmal so kommentiert: Mit dem Urteil haben wir Maßstäbe gesetzt. – Das war auch eine ganz eigenwillige Interpretation.
Deswegen sage ich zusammengefasst – das ist für mich das Ergebnis der bisherigen Debatte –: Das größte Risiko für Investitionen in NordrheinWestfalen ist die fachliche Inkompetenz der Landesregierung.
Wir können Differenzen bei der Frage haben, wie viele Kohlekraftwerke man haben muss, aber es kann nicht sein, dass Genehmigungsverfahren in einer solchen Art, derartig schlampig und schludrig, gemacht werden.
Wenn die Ministerin sagt, die Oppositionsparteien schadeten dem Land: Was ist das für ein billiger Angriff? Hürth ist – bei allem politischen Streit, den es darum gab – in sechs Monaten genehmigt worden. Diese Genehmigung ist für einen Standort erfolgt, der dafür geeignet war. Das ist genau die Kritik an Ihnen: Der LEP VI hätte Ihnen, wenn Sie es gewollt hätten, einen Standort ausgewiesen, an dem Sie das Projekt mit Konfliktbewältigung hätten durchführen können.
Welchen Sinn hat denn ein Landesentwicklungsplan? – Er soll bei Großprojekten überregionaler Bedeutung eine gewisse Konfliktminimierung vornehmen, damit man im weiteren Verfahren handeln kann. Das hätte 3,5 km von dem Standort entfernt geschehen können – vielleicht für das Unternehmen etwas unkommoder. Dies wird der eigentliche Grund gewesen sein, eine Planung mit aller Gewalt durchzusetzen.
Wir müssen nicht die Kommune Datteln in Schutz nehmen, aber wenn die Ratsleute eine Woche vor Weihnachten 1.100 Seiten fachliche Unterlagen bekommen und in der Woche danach einen Bebauungsplanbeschluss fassen sollen, damit E.ON noch in der ersten Vegetationsperiode 2007 abholzen kann, dann muss man sich als Ratsherr schon sehr stramm aufstellen und sagen: Das geht nicht, ich kann eine solche Entscheidung nicht treffen.
Wenn dann nur eine Fraktion sagt, dass das fachlich nicht in Ordnung ist, und sie wird in allen Gerichtsverfahren bestätigt, dann muss man das zur Kenntnis nehmen. Nicht die Oppositionsparteien schaden dem Land, sondern die Landesregierung mit ihrer Planung schadet dem Land.
Wer versagt hat, ist doch offensichtlich. Wer arbeitet denn emsig daran, um das zu heilen? Die Kommune Datteln kann es nicht heilen, sondern das muss die Landesregierung tun, wenn es überhaupt geht. Die Juristen, die mir das Urteil erklärt haben, sagen: Das ist nicht zu machen. – Ich weiß es nicht, ich bin kein Jurist. Die Landesregierung ist aber bis heute eine Erklärung, was sie konkret tun will, schuldig geblieben.
Ich will nur eine Stelle der entsprechenden Passage aus dem Urteil – der Kollege Weisbrich hat aus meiner Sicht sehr klare Worte gefunden – zitieren. Auf Seite 42 heißt es zur Regionalplanung:
Für solche Abweichungen steht allein das Zielabweichungsverfahren nach § 24 Abs. 1 Landesplanungsgesetz zur Verfügung.
Dort ist das Instrument ganz klar benannt. Der LEP VI war da, Sie hätten ihn berücksichtigen müssen. Das Instrument, mit dem man das fachlich qualifiziert macht, wenn man es will, nennt Ihnen das Gericht. Wir hören kein Wort dazu, wie die Landesregierung mit dieser konkreten Frage umgehen will. – Das geht nicht.
Der Antrag, den wir gleich behandeln, bei dem wir die Differenzen inhaltlich austragen können, ist ein Bekenntnisantrag. Er heilt das Problem nicht. Wie die Landesregierung dies konkret lösen möchte, wie sie es im immissionsschutzrechtlichen Verfahren handhaben will, dazu haben wir trotz der Beiträge der Regierungsfraktionen und der Ministerin bis jetzt kein einziges Wort gehört. Das sind Sie schuldig. Alles andere hilft hier nicht weiter. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Lieber Kollege Priggen, natürlich enthält das Urteil Fakten, auf die wir uns einstellen müssen. Es ist aber auch klar – das haben alle Experten genauso gesehen, Sie haben es ähnlich formuliert –: Dieses Urteil ist in den Bewertungen in eine Richtung gegangen, die wir vorher noch nicht hatten. Insofern haben wir uns darauf einzustellen; auch das ist richtig.
Richtig bleibt allerdings auch: Der bisherige industriepolitische Weg in Nordrhein-Westfalen ist auch von Ihnen mit beschritten worden, er ist von RotGrün initiiert worden.
Wir haben ihn fortgeführt. Dieselben Menschen, die die Genehmigungen in den Ministerien und zuständigen Behörden bearbeitet haben, haben diese
Dinge auch unter Ihrer Verantwortung bearbeitet. Dort ist kein anderer Maßstab angelegt worden, sondern der bisher gültige Maßstab.
Deswegen, lieber Herr Kollege Römer, vermisse ich das Eingeständnis, dass Sie auch selbst Verantwortung für diese Vorgänge tragen, und die Bereitschaft, jetzt mitzuhelfen.
Herr Priggen sagt: Oliver Wittke hat eine Bekenntnisaufforderung in Richtung von Rot-Grün gesandt. – Ja, das war eine Bekenntnisaufforderung. Wir brauchen dieses Bekenntnis zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen; denn nur wer Ja zum Industriestandort sagt, wird auch in der Lage sein, eine aktive und vernünftige Industriepolitik zu betreiben, meine Damen und Herren.
Die Frage ist: Wollen wir das? – Da habe ich bei der SPD mittlerweile meine Zweifel. Wir haben es in den Wahlkämpfen gesehen: Das größte Problem der SPD ist ihre Glaubwürdigkeit, nämlich hier nicht zu sagen, dass es Probleme in der jetzigen Rechtsprechung, der jetzigen Rechtsbewertung durch das OVG gibt.