Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Die Frage ist: Wollen wir das? – Da habe ich bei der SPD mittlerweile meine Zweifel. Wir haben es in den Wahlkämpfen gesehen: Das größte Problem der SPD ist ihre Glaubwürdigkeit, nämlich hier nicht zu sagen, dass es Probleme in der jetzigen Rechtsprechung, der jetzigen Rechtsbewertung durch das OVG gibt.

Im Übrigen sei der Hinweis gestattet, dass das OVG-Urteil zu Ochtrup lautet: Kommunales Planrecht geht vor Landesplanrecht. Das Kraftwerksurteil lautet: Landesplanrecht geht vor kommunales Planrecht. Meine Damen und Herren, es ist natürlich auch eine Schwierigkeit, da den passenden Mittelweg zu finden. Was gilt denn nun?

Außerdem sei eines noch einmal ausdrücklich gesagt: Wenn die SPD – lieber Norbert Römer, da bin ich immer noch ein bisschen fassungslos – eine Arbeitnehmerpartei gewesen sein sollte und bleiben möchte, gehört dazu doch auch, auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Industriebereich Perspektiven zu schaffen.

(Beifall von CDU und FDP)

Dann reicht es nicht, die Dinge zu beklatschen.

Da bin ich auch wieder etwas kritisch gegenüber Herrn Priggen, den ich sonst sehr schätze. Wenn man die Umweltverbände lobt, die reihenweise jede industriepolitische Maßnahme in diesem Land beklagen, ist zu sagen: Wir müssen Industrie möglich halten, und dürfen keinen Beitrag dazu leisten, in den Köpfen der Menschen eine weitere Deindustrialisierung vorzunehmen. Ich kann nicht für OffshoreAnlagen in der Nordsee sein, aber gleichzeitig die Leitungsführung im Inland ablehnen. Ich kann nicht für CO2-Abscheidung sein und gleichzeitig die Leitungsführung zu den Lagerstätten ablehnen. Ich kann nicht für die Erhaltung des Industriestandorts im Bereich der Chemie in Nordrhein-Westfalen sein und letztendlich gleichzeitig Industrieerweiterungen auf diesem Feld nicht möglich machen.

(Zuruf)

Ja, wer Industriepolitik in Nordrhein-Westfalen will, muss ein Bekenntnis zum Industriestandort ablegen.

(Beifall von CDU und FDP)

Das vermisse ich bei der Sozialdemokratie hier im Hause,

(Zuruf von der SPD: Da haben Sie nicht rich- tig hingehört!)

und das ist das eigentlich Schwierige. Da sollten Sie in sich gehen. Deswegen haben Sie Ihr Glaubwürdigkeitsproblem. Und das legen Sie mit der Politik, die Sie bisher hier vorgetragen haben, nicht ab.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen wäre der gemeinsame Weg wichtig. Daher noch einmal der Appell: Helfen Sie mit, dass wir in Nordrhein-Westfalen Industriepolitik möglich machen! Ich glaube, die Landesregierung wird alles daransetzen – davon bin ich überzeugt –, Industriepolitik und auch Kraftwerksbau weiter möglich zu machen.

Wir können über regenerative Energien diskutieren; wir können über eine Verstärkung dieser Bereiche diskutieren. Wir müssen weiter in die Forschung investieren, damit wir Energie auch speicherbar machen, damit regenerative Energien eine größere Wirkung bekommen und für uns berechenbarer werden. Aber bis dahin brauchen wir eine verlässliche Energieversorgung, eine verlässliche Energiepolitik.

Diese Energiepolitik – der Energiekonsens – ist allerdings vor Jahrzehnten durch die SPD und die Grünen aufgegeben worden; wobei die Diskussion über Atomkraftwerke müßig ist: Die Gesetzeslage ist eindeutig. Solange die Endlagerfrage nicht geklärt ist, wird niemand in Deutschland auch nur ansatzweise die rechtliche Grundlage für den Neubau von Kernkraftwerken finden.

Frau Löhrmann, auch für den Ausstieg aus der Kernenergie müssen wir die Endlagerfrage lösen. Auch hier gilt es, gemeinsam eine Lösung zu finden. Denn der Ausstieg, Frau Löhrmann, ist ebenfalls nur mit gemeinsamem Handeln in Richtung Suche nach einem Endlager möglich.

Das zeigt: Das Haus sollte in der Industriepolitik einig sein. Es sollte an einem gemeinsamen Strang ziehen – zum Wohle unseres Landes, zum Wohle der Bundesrepublik Deutschland, aber auch im Interesse unserer Menschen, die Arbeit suchen in diesem Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Prof. Bollermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wittke, zunächst einmal zu Ihnen. Bei der Kritik an Thomas Eiskirch waren Sie offensichtlich im falschen Tagesordnungspunkt. Im Übrigen – das ist schon gesagt worden –: lautstark, fachlich falsch. Und dann auch noch eine erneute Ankündigung, jetzt gründlich und schnell den Schlafwagen Landesplanung der Landesregierung auf die Schiene zu setzen. Herr Wittke, ich sage nur: Wer es glaubt …?

Frau Thoben, Sie werfen uns vor, Hast bei der Landesplanung zu entwickeln. – Liebe Frau Thoben, wenn ich im Schneckentempo bin, verliere ich den Blick für die Realität. Das scheint mir im Moment in der Tat bei Ihnen der Fall zu sein.

(Beifall von der SPD)

Beim Thema „Ochtrup und Datteln“ geht es auch darum, dass es die verantwortliche Ministerin in fast fünf Jahren nicht geschafft hat, ein zukunftsweisendes und verlässliches Landesplanungsrecht vorzulegen. Die Koalition kündigt auch heute an – Herr Wittke hat es eben getan –, das nun auf die Strecke zu bringen. Ihr Koalitionsvertrag enthielt bereits zwei zentrale Ankündigungen.

Herr Weisbrich – er ist jetzt nicht da –, Sie haben gesagt, die Novellierung des im April 2005 vom Landtag beschlossenen Landesplanungsgesetzes vornehmen zu wollen. Sie haben gesagt, dass Sie den Dualismus von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan aufheben wollen. Das ist Ihre Zielsetzung, und an dieser Zielsetzung werden wir Sie messen.

Was ist aus der Novelle des Landesplanungsgesetzes geworden? – Die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Landesplanung im Jahr 2007 benutzt, um durch ein ab 2009 geändertes Regionalplanungsverfahren die Oberbürgermeister im Ruhrgebiet zu entmachten. Eine Novelle des Landesplanungsgesetzes war dies in der Tat wirklich nicht.

Nach verschiedenen Ankündigungen beschließt das Kabinett erst im März 2009, die kommunalen Spitzenverbände zum Gesetzentwurf zur Änderung des Landesplanungsgesetzes NRW anzuhören.

Wie weit ist die Regierung beim Zusammenfügen von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan gekommen? – In das Landesentwicklungsprogramm wurde ein neuer § 24a eingefügt. Aber selbst ein Minigesetz in Form eines halben Paragrafen ist Ihnen nach unserer Meinung handwerklich missglückt und durch den Verfassungsgerichtshof einkassiert worden.

Am 25. März informiert die Ministerin über die zeitliche Verschiebung des Beteiligungsverfahrens der Kommunen zum LEP 2025. Der Grund war Ihr Versuch, die Kommunalwahl mit der Europawahl zusammenzulegen. Sie, Herr Brockes, haben das Zeitfenster klein gemacht.

(Zuruf von der FDP: Nein, nein! – Zuruf von Gisela Walsken [SPD])

Von daher, Herr Brockes, wäre die Novelle möglich gewesen. Die Regierung Rüttgers hat sich selbst im Weg gestanden und den Planungsstillstand in NRW verschuldet.

(Beifall von der SPD)

Wir können nur feststellen: Landesplanerische Weichen wurden nicht gestellt. Konzeptionelle Arbeit in der Landesplanung – Fehlanzeige. Im Ergebnis bedeutet dies: 2005 bis 2008 waren für die Landesplanung verlorene Jahre. 2009 wird beteiligt und diskutiert. Ob 2010 etwas konkret wird, bleibt abzuwarten. All das hat mit zügiger und verlässlicher Politik für Landesplanung nichts zu tun. Stattdessen – und da schließt sich der Kreis zu Ochtrup und Datteln – werden für das Land wichtige Industrieprojekte durch handwerkliche Fehler im Regierungshandeln gefährdet.

Anstatt ein Planungsrecht zu gestalten, in dem unterschiedliche Raumnutzungsansprüche aufeinander abgestimmt werden, ein Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Strömungen, zum Beispiel zwischen Ökonomie und Ökologie, geschaffen und auftretende Konflikte im geordneten Verfahren geregelt werden, verschieben und verzögern Sie, Frau Ministerin. Sie haben es zu verantworten, dass die Menschen und Investoren nicht mehr darauf vertrauen können, dass es in Nordrhein-Westfalen Planungssicherheit gibt.

Politik muss ihren Beitrag leisten, damit die notwendige Akzeptanz von industriellen Großprojekten bei den Menschen geschaffen wird. Jawohl, Herr Hovenjürgen! Das ist so, und dazu stehen wir auch! Sie haben es zu verantworten, wenn durch den Verlust an Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Investitionen in industrielle Großvorhaben nicht mehr stattfinden, wenn gegebenenfalls zukünftig Kraftwerksinvestitionen ins Ausland gehen. Ein Rückgang wäre hier folgenschwer, insbesondere wenn man an den sicher zu erwartenden Anstieg der Nachfrage nach der Krise denkt.

Sie allein sind dann auch dafür verantwortlich, wenn in der Folge dringend benötigte Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen verloren gehen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU und FDP, warum sagen Sie in Ihrem Antrag Drucksache 14/9917 nicht klar und deutlich, was Sie meinen? Sie fordern unter anderem die Landesregierung auf, sicherzustellen, dass auch in Zukunft die Realisierung von industriellen Großprojekten zur Stärkung des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen möglich ist. Das bedeutet doch so viel wie: Thoben, mach fettich, mach endlich fettich! So sagt man es zumindest im Ruhrgebiet. Ihrer Ministerin bescheinigen Sie damit unzureichendes Engagement. Man könnte auch sagen: Mangelhaft, abtreten!

Nach meiner Meinung ist Frau Thoben nicht Landesplanungsministerin, sondern Landesverhinderungsministerin. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bollermann. – Für die Landesregierung hat jetzt noch einmal Herr Minister Uhlenberg um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn das Thema Ochtrup/Gronau bei der letzten Wortmeldung keine Rolle mehr gespielt hat, möchte ich doch ein herzliches Wort des Dankes an die Wirtschaftsministerin dafür richten, wie sie vor Ort mit diesem Thema umgegangen ist.

(Beifall von der CDU)

Der Abgeordnete Wittke hat das Notwendige dazu gesagt.

Wenn wir eine Stärkung der Innenstädte haben wollen, wenn wir das Thema Flächenverbrauch auf den Weg bringen wollen – und ich möchte noch einmal betonen, dass es diese Landesregierung gewesen ist, die seit dem Jahr 2005 das Thema Flächenverbrauch ernst genommen hat, die eine Allianz für die Fläche auf den Weg gebracht hat –,

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

dann brauchen wir eine Stärkung der Innenstädte, dann kann an den Rändern nicht immer neu in dieser Größenordnung geplant und gebaut werden, wie es früher war. Deswegen möchte ich mich bei der Wirtschaftsministerin für die Vorgehensweise sehr herzlich bedanken.

Herr Dr. Bollermann, Sie haben gerade den Antrag der Koalitionsfraktionen angesprochen. Er ist ein klares Bekenntnis zum Industriestandort NordrheinWestfalen. Bei allem Klein-Klein, was Sie von der SPD heute vorgetragen haben, hätte er auch der SPD-Fraktion gut angestanden.

Ich möchte noch zu einem anderen Punkt Stellung nehmen. Der Abgeordnete Priggen hat im Zusammenhang mit Datteln den emissionsschutzrechtlichen Teil angesprochen. – Ich habe den Eindruck, Herr Abgeordneter Priggen, dass hier die Verwaltungsebenen durcheinandergebracht werden – ob bewusst oder unbewusst, das möchte ich dahingestellt sein lassen.

Der Vorwurf des Oberverwaltungsgerichts trifft die Bauleitplanung. Und die Bauleitplanung ist im Zusammenhang mit Datteln nicht Sache der Landesregierung, sondern die Bauleitplanung wird vor Ort von der Stadt Datteln umgesetzt. Der Vorwurf trifft nicht die Immissionsschutzbehörden, die Sie eben angesprochen haben, und nicht das immissions

schutzrechtliche Verfahren, sondern es betrifft das von der Stadt Datteln geführte Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans.

Das ist bei den gesamten Vorwürfen – auch die, die der Abgeordnete Römer vor einigen Tagen in die Öffentlichkeit posaunt hat – völlig zu kurz gekommen. Man kann ja nur davon ausgehen, dass man den einen oder anderen Parteifreund oder die eine oder andere Parteifreundin in Datteln aus der Schusslinie nehmen möchte.