Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Original sozial – dafür steht nur die Linke.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Noch ein Hinweis: Aufgrund der technischen Situation ist es für den Redner ganz schwer einzuschätzen, wann sich seine Redezeit tatsächlich dem Ende zuneigt. Denn die Anzeige gibt permanent das Ende der Redezeit an.

Als nächster Redner hat für die Landesregierung der stellvertretende Ministerpräsident, Herr Professor Dr. Pinkwart, das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sozial ist das, was den Kindern, den jungen Menschen beste Bildungschancen eröffnet und Arbeit und Wohlstand für alle schafft. Das ist soziale Politik, wie wir sie hier vertreten.

(Beifall von CDU und FDP)

Diese Handschrift trägt auch der Koalitionsvertrag, den wir in Berlin haben mit verhandeln können.

Es ist bemerkenswert, dass wir diesen Vertrag schon eine ganze Weile hier debattiert haben, ohne dass sich ein Redner der Opposition des aus meiner Sicht wichtigsten Zukunftsthemas überhaupt, das wir in den Mittelpunkt unseres Koalitionsvertrags gestellt haben, auch nur mit einem Satz angenommen hat, nämlich des Themas „Bildung, Forschung und Technologie“. Dazu hat kein Debattenredner von Ihnen etwas eingebracht.

Nun könnte man sagen: Das haben Sie nicht angesprochen, weil wir das dort so hervorragend gelöst haben.

(Beifall von der CDU)

Das wäre möglicherweise auch ein Ergebnis Ihrer Nichteinlassung.

(Zuruf von der SPD: Studiengebühren!)

Mit Blick auf Ihre bildungspolitische Bilanz in Nordrhein-Westfalen finde ich das, was wir in den letzten vier Jahren an Prioritätensetzungen in NordrheinWestfalen vorgenommen haben, schon beachtlich. Dass wir in den letzten vier Jahren die Bildungsausgaben in Nordrhein-Westfalen dreimal stärker haben wachsen lassen, als der Gesamthaushalt des Landes gewachsen ist, zeigt die Prioritätensetzung in Nordrhein-Westfalen. Die gleiche Prioritätensetzung ist in dem Koalitionsvertrag in Berlin deutlich gemacht worden: Obwohl im Bundeshaushalt in den nächsten Jahren sicherlich konsolidiert werden muss, werden wir demnächst auch im Bund an einer Stelle nie mehr sparen, nämlich beim Thema Bildung, beim Thema Forschung, beim Thema „Zukunft für unser Land“.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist schon beachtlich und bemerkenswert, dass auch Frau Kraft, die unsere Debatte anscheinend schon eine Weile verlassen hat, als ehemalige Wissenschaftsministerin dazu keinen Satz gefunden hat. Wir müssen und dürfen uns hier in NordrheinWestfalen auch aufgrund Ihrer früheren Beschlusslagen damit auseinandersetzen, aber auch darauf freuen, dass wir in den nächsten Jahren eine deutlich steigende Zahl von jungen Menschen haben werden, die den Weg zur Hochschule gehen werden. Sie wissen, das ist eine große Kraftanstrengung für unser Land, aber auch für andere Bundesländer, dafür jetzt die Voraussetzungen zu schaffen.

Deswegen haben wir mit dem Bund gemeinsam schon vor Jahren eine Verabredung über einen Hochschulpakt getroffen, der vorsieht, dass sich Bund und Länder hälftig daran beteiligen, damit wir in den nächsten Jahren eine größere Zahl von Studienplätzen an unseren Hochschulen vorhalten können. Als Annette Schavan im Bundeskabinett vor wenigen Monaten die Zustimmung des damaligen Bundesfinanzministers Steinbrück haben wollte, um die Ausfinanzierung des Hochschulpakts von der SPD in der Bundesregierung genehmigt zu bekommen, hat sie eine Absage erhalten. Erst jetzt in den Koalitionsvereinbarungen ist es gelungen, den Hochschulpakt auch seitens der Bundesregierung abzusichern. Das ist eine klare Ansage in Richtung Zukunft.

(Beifall von CDU und FDP)

Zum zweiten Punkt, der für mich wichtig ist und den ich in dieser Debatte seitens der Opposition vom Grundsätzlichen her nicht verstanden habe. Sie haben Angst verbreitet, dass es Beschlüsse gebe, Entlastungen gebe, die den öffentlichen Haushalt beschweren könnten. Worüber reden wir eigentlich? Schauen Sie sich doch mal die Finanzplanung für die Bundesrepublik Deutschland für das Krisenjahr

2009, für dieses Jahr, an! Der Ministerpräsident hat es zum Ausdruck gebracht. Die tiefste Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik hinterlässt natürlich auch in diesem Jahr ihre Spuren in den öffentlichen Haushalten.

Ich nenne Ihnen mal die Prognosen für die Steuereinnahmen für das Jahr 2009: 527 Milliarden € für Bund, Länder und Kommunen. Ich bitte Sie, diesen Betrag mit den Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen im Jahr 2005 zu vergleichen. Damals waren es noch 452 Milliarden €. Das heißt, im Vergleich zu 2005 werden die öffentlichen Haushalte – auch die Kommunen – in diesem Jahr 2009 insgesamt 75 Milliarden € mehr einnehmen als im Jahr 2005. Für das Jahr 2012 sind trotz der schwächeren Konjunkturentwicklung, die uns für das Jahr 2010 und die folgenden Jahre vorausgesagt ist, trotz der von der Großen Koalition bereits beschlossenen Steuersenkungen mit Wirkung ab 2010 100 Milliarden € mehr an Steuereinnahmen vorhergesagt als im Jahr 2005.

Wenn vor diesem Hintergrund die neue Koalition in Berlin beschließt – und das hat sie beschlossen und nicht als Eventualität formuliert –, dass die Bürgerinnen und Bürger, vor allem die kleinen und mittleren Einkommensbezieher, in der neuen Legislaturperiode um 24 Milliarden € pro Jahr entlastet werden sollen, sind das gemessen an den 100 Milliarden € Steuermehreinnahmen der öffentlichen Haushalte gerade einmal 24 %, die an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden sollen. Meine Damen und Herren, wer zieht denn den Karren im Land? Es sind doch die Bezieher der kleinen und mittleren Einkommen, die unser Land ausmachen und jeden Tag neu für uns eintreten.

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich einen weiteren Satz anfügen. Es sind vor allen Dingen die Familien mit Kindern, die sich Tag für Tag für unser Land einsetzen.

Weil von Frau Kraft und anderen Rednern gefragt worden ist, wen wir denn entlasten, will ich das hier in aller Klarheit darstellen. Dabei rede ich jetzt über die von CDU, CSU und FDP mit Wirkung ab Januar 2010 beschlossenen zusätzlichen Steuerentlastungen – nicht über die von der Großen Koalition beschlossenen, sondern über die jetzt neu beschlossenen Steuerentlastungen. Ich sage Ihnen jetzt einmal, wie sich diese Entlastungen auswirken.

Ein Industriefacharbeiter mit zwei Kindern, der in einer mittleren Position auf ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 40.000 bis 45.000 € kommt, wird um 50 % entlastet. Ein Abteilungsleiter wird steuerlich um 4 % entlastet.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Die Damen und Herren, die hier in der ersten Reihe sitzen, werden um 2 % entlastet, wenn sie als verheiratete Alleinverdiener zwei Kinder haben.

So sieht die Verteilungswirkung aus. Die Maßnahmen, die wir mit FDP und Union zusätzlich beschlossen haben, entlasten vor allem die Bezieher der kleinen und mittleren Einkommen –

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Das ist eine Lü- ge!)

und endlich die Familien mit Kindern, meine Damen und Herren; denn sie haben es in unserem Land ganz besonders schwer.

(Beifall von CDU und FDP)

Hier sehen Sie auch die neue Politik im Bund. Das ist genau die Politik, die wir in Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Wir stellen die Kinder in den Mittelpunkt unserer Politik. Wir geben ihnen bessere Bildung sowie bessere Aufstiegschancen und erkennen die Leistung an, die in den Familien mit Kindern Tag für Tag für die Zukunft unseres Landes erbracht wird. Das ist jetzt auch in Berlin die neue Politik. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Altenkamp das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Christian Weisbrich [CDU]: Wollen wir denn hier übernachten?)

Keine Angst, Herr Weisbrich. Ich glaube, dass wir alle in der Zwischenzeit doch das Gefühl haben, dass dieser Tagesordnungspunkt ein bisschen ausgeleiert ist.

Vor diesem Hintergrund will ich zum Ende dieses Punktes die Gelegenheit nutzen – denn womöglich habe ich später keine Gelegenheit mehr dazu –, mich von einem Kollegen zu verabschieden, mit dem ich zusammen hier im Landtag angefangen habe und der jetzt in den Bundestag einzieht, nämlich dem Kollegen Christian Lindner.

Das tue ich, weil ich glaube, dass wir über die Jahre im sportlichen Wettbewerb miteinander mit verteilten Rollen doch ganz gut zusammengearbeitet haben. Ich mache es aber insbesondere auch deshalb, weil Christian Lindner ein Mensch ist, der das genaue Gegenteil dessen darstellt, wie ich zur Politik gekommen bin. Lieber Christian, du wirst es dir kaum vorstellen können; es gab aber Zeiten, in denen junge Menschen wild, ungestüm und überhaupt ganz anders waren, als die Erwachsenen sie sich wünschten.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Als ich dich das erste Mal hier im Landtag erlebt habe, habe ich gedacht: Das ist das genaue Gegenteil dessen, wie du selbst zur Politik gekommen bist. – Ich bin nämlich in den 80er-Jahren sozialisiert

worden. Da warst du zugegebenermaßen noch ein bisschen kleiner. Meine Zeit war der Punk und die Musik, die sich Punkmusik nannte: „Anarchy In The UK“ und damit verbunden die Band Sex Pistols.

Ich bin deshalb darauf gekommen, weil ich einmal erlebt habe, wie du hier im Landtag auf Knopfdruck eine Rede gehalten und dich echauffiert hast und dann freundlich lächelnd aus der Bütt herausgegangen bist. Man konnte also feststellen, dass du das Geschäft so gut verstehst, dass du dich auf Knopfdruck auch tatsächlich – wie soll ich sagen? – erregen kannst.

Es gibt eine LP von den Sex Pistols mit dem Titel „The Great Rock ’n’ Roll Swindle“. In diesem Moment ist mir analog dazu eingefallen, dass du es zum Teil auch verstehst, „The Great Policy Swindle“ zu machen.

Deine große rhetorische Begabung wird diesem Haus sicher fehlen. Du hast zwar manchmal den Bogen überspannt. Auf der anderen Seite bin ich aber sehr stolz darauf – das habe ich auch allen Besuchergruppen gesagt –, dass ich nach meinem verstorbenen Chef Detlev Samland mit dir tatsächlich noch einmal einen Menschen erlebt habe, der wirklich eine große rhetorische Begabung hat.

Ich will dir allerdings auf den Weg mitgeben, dass jemand, der eine so große rhetorische Begabung hat, immer wissen muss, dass das eine Gabe ist und dass man es tunlichst vermeiden sollte, sie zu missbrauchen. Dazu hat man natürlich auch einen Hang, wenn man merkt, dass die Menschen auf diese Begabung reagieren.

In den neuneinhalb Jahren hast du dich auch verändert. Die Politik hier im Haus und das, was sich in diesem Haus manchmal abspielt, gehen natürlich auch an dir nicht spurlos vorbei. Ich will nicht sagen, dass sich das in der Zwischenzeit auch rein äußerlich in irgendeiner Form ausgewirkt hat, sondern dir etwas mit auf den Weg geben, für das ich wieder auf die Platte „The Great Rock ’n’ Roll Swindle“ zurückkomme. Auf der Rückseite dieser Platte befindet sich nämlich der Titel „Who Killed Bambi?“ Du hast dich verändert. Du bist lange über das hinausgewachsen, was dir dein damaliger Fraktionsvorsitzender freundlich – oder auch nicht ganz so freundlich – gesagt hat.

Leider habe ich diese Platte nur im Original als Vinyl-LP. Du weißt es vielleicht nicht; das gab es aber einmal. Ich habe mich zwar seit anderthalb Jahren sehr bemüht, sie noch einmal zu bekommen. Es gibt sie aber auf keinem Flohmarkt, und bei Amazon ist sie nur zu unglaublichen Preisen zu kriegen. Deshalb habe ich dir zumindest die beiden Cover von „The Great Rock ’n’ Roll Swindle“ und „Who Killed Bambi?“ kopiert; denn die Vinylplatte aus meiner Jugend kann ich dir leider nicht mitgeben. Ich hoffe, dass du das verstehst.

Lieber Christian Lindner, alles Gute im Bundestag! Ich bin sicher: Wir werden, wie Frau Löhrmann es gesagt hat, von dir noch viel hören und vor allen Dingen viel sehen. – Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall – Britta Altenkamp [SPD] übergibt Christian Lindner [FDP] einen Bilder- rahmen. – Christian Lindner [FDP]: Vielen herzlichen Dank!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnetenkollegin Altenkamp. Den guten Wünschen schließen wir uns allesamt an. – Wir sind am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben um direkte Abstimmung gebeten, sodass wir direkt über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10014 abstimmen können. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, bitte Handzeichen geben. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Gibt es Enthaltungen zu diesem Antrag? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag angenommen, und wir sind am Schluss von Tagesordnungspunkt 2.