Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Andererseits werden die Aufwendungen für Transferleistungen sinken.

(Zuruf von der SPD: Vielleicht können Sie in Amerika anrufen! – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Es ist klar, dass Ihnen das nicht passt. Das verstehe ich; deshalb kommen wir auch von unterschiedlichen Seiten. Das wundert mich gar nicht.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Herr Becker, Sie können sich ja melden oder gleich reden. – Die geplante Entlastung der Bürgerinnen und Bürger wird sich doppelt und dreifach rechnen. Daher ist es gerecht, wenn die hierfür notwendigen Investitionskosten von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam getragen werden.

Im SPD-Antrag werden die einbrechenden Steuereinnahmen unserer Städte und Gemeinde angesprochen, allen voran die desaströsen Wirkungen des sinkenden Aufkommens aus der Gewerbesteuer als wichtigster Einnahmequelle. Während die

SPD diesen Missstand offensichtlich zementieren und, wie wir eben gehört haben, sogar ausbauen will, arbeitet die schwarz-gelbe Koalition daran, ein neues Fundament für die Gemeindefinanzierung zu bauen.

(Norbert Römer [SPD]: Wann?)

Wir alle wissen seit jeher, dass die Gewerbesteuer das konjunkturanfälligste Element unseres Steuersystems ist und gerade in Krisenzeiten immer wieder neue Löcher in die Gemeindekassen reißt.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Warum geht das nicht in Ihre Köpfe? – Darüber hinaus ist sie bekanntermaßen völlig ungerecht. Dies liegt zum einen daran, dass sie nur von einem Teil der Gewerbetreibenden bezahlt werden muss. Zum anderen führt sie zu regionalen Disparitäten, weil die wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Fläche nun einmal ungleich verteilt sind.

Kein Wunder, dass der Gießener Volkswirtschaftsprofessor Wolfgang Scherf, den ich hier ausnahmsweise einmal zitiere, zu dem Schluss kommt:

Die Gewerbesteuer ist eine anerkannt schlechte Steuer und vor allem als Kommunalsteuer in nahezu jeder Hinsicht ungeeignet.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist der letzte FDP-Sachverständige!)

An einer anderen Stelle sagt er – hören Sie zu –:

Die Gewerbesteuer vereint die Merkmale einer schlechten Unternehmensteuer mit denen einer schlechten Gemeindesteuer.

Das kann man besser gar nicht sagen. Nachzulesen in der Ausgabe vom „Wirtschaftsdienst 2002“, Heft 10, Seite 603 bis 608.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Aber alles abschlie- ßend beerdigt 2003!)

Vor diesem Hintergrund ist es für mich in keiner Weise nachvollziehbar, dass sich die SPD für den Erhalt dieses Missstandes einsetzt, indem sie die geplante Einrichtung einer Kommission zur Überprüfung der Gemeindefinanzierung kritisiert. Denn gerade diese Kommission bietet die Chance, auch im Bund zu erörtern, inwieweit die Gewerbesteuer durch eine gerechtere und stetigere Einnahmequelle ersetzt werden kann.

Wir von der FDP-Landtagsfraktion begrüßen das Vorhaben der Bundesregierung deshalb ausdrücklich. Wir fordern seit Langem den Ersatz dieser beinah glücksspielartigen Einnahmequelle nach dem Motto „Sprudelt die Quelle, hat man Glück gehabt, sprudelt sie nicht, hat man Pech gehabt“. Wir fordern seit Langem, sie zu ersetzen durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen durch individuelle Hebesätze beeinflussbaren Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Hierdurch ließen sich die kommunalen Einnahmen

nachhaltig absichern. Gleichzeitig bliebe ein wettbewerblicher Spielraum für die individuelle Abgabenhöhe bei den Kommunen natürlich auch erhalten.

Um noch einen letzten Punkt anzusprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die SPD kritisiert in ihrem Antrag das Vorhaben der neuen Bundesregierung, weitere Möglichkeiten zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben zu prüfen. Dazu rufe ich Ihnen zu: Das ist ein originäres Anliegen der FDP; wir unterstützen die Bundesregierung an dieser Stelle uneingeschränkt. Denn schließlich wissen wir nicht erst seit der Privatisierung der Telekommunikation – Stichwort Handys –, dass die Überführung staatlicher Monopole in wettbewerbliche Strukturen zu sinkenden Preisen führt und echte Innovationsschübe generiert.

(Bodo Wißen [SPD]: Das hörte sich beim Mi- nisterpräsidenten aber anders an!)

Hören Sie zu! – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein hervorragendes Beispiel für die kostensenkende Wirkung von Wettbewerb zum Beispiel in der Entsorgungsbranche bietet aktuell meine Heimatstadt Pulheim. Ich zitiere aus einer Erklärung der Stadtverwaltung, die übrigens in der heutigen Tagespresse nachzulesen ist:

In der Stadt Pulheim werden die Abfallbeseitigungsgebühren ab 01. Januar 2010 um mehr als zehn Prozent gesenkt. … Ausschlaggebend für die Gebührensenkung ist die in diesem Jahr durchgeführte europaweite Ausschreibung der städtischen Entsorgungsleistungen, die aufgrund des Wettbewerbs zu günstigeren Entgelten führt. Der Vorteil wird zu 100 Prozent an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben.

Besser geht es nicht.

Zum Schluss muss ich noch eine Falschaussage der SPD korrigieren: Eine Gebührenerhöhung durch die steuerliche Gleichstellung von öffentlichen und privaten Unternehmen im Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge wird es mit der neuen Bundesregierung nicht geben. Der Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich vor, öffentliche Abgaben wie die Abwasser- und Abfallentsorgung nicht über die bestehenden Regelungen hinaus steuerlich zu belasten. Offensichtlich hat die SPD-Fraktion den Koalitionsvertrag nicht richtig gelesen.

(Bodo Wißen [SPD]: Wie macht sie das denn?)

Sie kurieren an den Symptomen, wir packen das Übel bei der Wurzel. Insofern müssen wir Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Fraktion der Grünen erhält jetzt das Wort der Abgeordnete Becker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorgetragenen ideologischen Märchen des Kollegen Engel stoßen sich bekanntermaßen an der Wirklichkeit. Ich möchte gerne ein besonders hübsches Beispiel direkt zu Anfang meiner Rede nennen. Wir haben nicht nur insgesamt in Nordrhein-Westfalen, sondern gerade auch zum Beispiel im Rhein-Sieg-Kreis, wo wir die Mehrheit zusammen mit der CDU stellen, in diesem Fall aber gemeinsam mit der FDP und der SPD die Abfallwirtschaft rekommunalisiert.

(Beifall von der SPD)

Wir haben das getan, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil es offensichtlich war, dass bei der europaweiten Ausschreibung wegen der oligopolartigen Strukturen in der Abfallwirtschaft die Preise, die wir durch die Ausschreibung erzielen konnten, immer höher waren als die, die wir selbst rekommunalisiert machen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Engel, der Rhein-Sieg-Kreis ist ja vom RheinErft-Kreis nicht so weit entfernt. Ich empfehle Ihnen eine kurze Expedition. Sie sollten einmal mit den Kollegen Finke und Lamberty sprechen und nicht immer nur mit Herrn Papke, dann würden Sie sich an der Stelle auch einmal sachkundig machen können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die zweite Bemerkung, die ich vorausschicken möchte: Auch Ihre Darstellungen zur Gewerbesteuer – ich will mich nicht ewig damit aufhalten, weil Sie hier wieder eine Ihrer vielen Kommissionen einrichten wollen – sind etwas, was alle kommunalen Kämmerer, und zwar aller Orte, als Drohung begreifen.

(Beifall von der SPD)

Sie ersetzen in der Tat konjunkturabhängige Steuern mit einem Auf und Ab letztlich durch ein Nichts.

(Bodo Wißen [SPD]: Durch ein pauschales Nichts!)

Es hilft natürlich überhaupt nicht, wenn Sie das – Sie sagen, Sie wollten das abschaffen, manchmal sagen Sie auch: ersetzen – durch die Körperschaftsteuer ersetzen und durch die Einkommensteueranteile und durch die Umsatzsteuer.

Da stellen sich doch folgende Fragen. Fangen wir mit der Körperschaftsteuer an:

Erstens. Ist in Ihrem ideologischen Glauben die Körperschaftsteuer eine konjunkturunabhängige Steuer? – Ich sehe das nicht so. Ich habe das anders erlebt.

Und: Wir haben es – das wurde allerdings schon unter der rot-grünen Regierung begonnen und ging über die letzte schwarz-rote Bundesregierung und wird jetzt noch einmal durch Schwarz-Gelb verschärft, sozusagen wie ein Nachbrenner nach dem Motto: noch mal ganz besonders schnell – damit zu tun, dass in den letzten Jahren die Unternehmensteuer und die Körperschaftsteuer rapide gesunken sind. Ich würde gerne wissen, wie Sie angesichts des Mangels an Steuereinnahmen in diesem Bereich den Mangel fair verteilen wollen. Ihr Vorhaben „Gewerbesteuer weg, Körperschaftsteuer hin“ – das habe ich gerade versucht darzulegen – ist also sehr unglaubwürdig.

Der nächste Punkt: Umsatzsteuer. Sie sind in den Wahlkampf gezogen mit der Bemerkung – ich meine, zu Recht –, die Große Koalition habe an der Stelle etwas getan, was vorher nicht angekündigt worden sei, und habe die Mehrwertsteuer in der letzten Wahlperiode um 3 % erhöht. Sie haben den Eindruck erweckt, das würde möglicherweise revidiert, wenn in die Regierung kämen.

Nun gut, das hat Ihnen der geringste Teil der Bevölkerung geglaubt. Gleichwohl: Sie haben es nicht gemacht. Sagen Sie uns doch einmal: Wenn Sie das jetzt verteilen wollen, werden Sie dann – das würde ich gerne wissen – die Mehrwertsteuer erhöhen oder nicht? – Wenn Sie etwas an die Kommunen geben wollten, müssten Sie sie erhöhen.

Einkommensteuer! Sie reden von regionalen Disparitäten bei der Gewerbesteuer. Glauben Sie, bei der Einkommensteuer gebe es keine regionalen Disparitäten? – Vergleichen Sie doch einmal zum Beispiel Düsseldorf mit Siegen. Ich kann Ihnen noch mehr solcher Beispiele nennen. Natürlich gibt es regionale Disparitäten. Das lösen Sie doch nicht damit, dass Sie die Gewerbesteuer abschaffen. Dafür müssten Sie andere Mechanismen einführen als die, die Sie vorgeschlagen haben. Dazu kommt von Ihnen aber überhaupt nichts. Das ist nichts als heiße Luft. Genau deswegen haben Sie sich, Herr Löttgen, mit der Kommission zusammen mit der heißen Luft verabschiedet. Ich bin gespannt, was aus der Kommission und vor allen Dingen nach welcher Wahl es herauskommt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Jetzt gucken wir uns die kommunale Wirklichkeit in NRW noch einmal ein bisschen genauer an. Ich wiederhole in Stichworten:

In den letzen vier Jahren Ihrer Regierungszeit, Herr Löttgen, hat sich dieses Land von einem kommunalfreundlichen Handeln weit entfernt.