Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

In den letzen vier Jahren Ihrer Regierungszeit, Herr Löttgen, hat sich dieses Land von einem kommunalfreundlichen Handeln weit entfernt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben den Kommunen in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen 2 Milliarden € strukturell entzogen,

(Bodo Löttgen [CDU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Sie haben die Grunderwerbsteueranteile weggenommen, Sie haben die Krankenhausfinanzierung weggenommen, Sie haben den Verbundsatz faktisch um 1,17 Prozentpunkte gesenkt. All das haben Sie gemacht, und Sie haben dafür gesorgt, dass wir jetzt, im Moment bereits bei einem Kassenkreditstand in Nordrhein-Westfalen von 17 Milliarden € stehen.

Zur Erinnerung: Sie haben bei 10,2 Milliarden € angefangen. Die 10,2 Milliarden € kamen in Zeiten extrem schlechter Steuereinnahmen zustande. Sie haben es in Zeiten extrem guter Steuereinnahmen –

(Bodo Wißen [SPD]: So ist das!)

über 8 Milliarden € mehr als früher unter der rotgrünen Koalition – geschafft, in nur dreieinhalb Jahren die kommunalen Kassenkredite in NordrheinWestfalen um 7 Milliarden €, also um 70 %, anschwellen zu lassen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie steigen zurzeit jedes Vierteljahr um 1 Milliarde €. Sie werden im Sommer nächsten Jahres bei 18 bis 20 Milliarden € liegen. Das sage ich Ihnen voraus. Wir werden Sie jeden Monat im nächsten Jahr daran erinnern, was da läuft.

Vor diesem Hintergrund will die Bundesregierung Steuererleichterungen schaffen. Je nachdem, wie man das gegenrechnet – ich nehme jetzt einmal Schäuble –, würden die Vorschläge durch Steuerausfälle unterm Strich zu Mehrbelastungen von rund 7 Milliarden € führen.

Was das für Nordrhein-Westfalen heißt, das können Sie bei allen Kämmerinnen und Kämmerern nachfragen. Sie könnten zu diesem Sachverhalt auch beim Landkreistag nachfragen. Ich nehme bewusst das Beispiel Landkreistag, der ist nämlich absolut CDU-dominiert. Da werden Sie hören, dass das kritisiert wird. Sie werden das übrigens auch im Zusammenhang mit den Änderungen und Neuvorhaben bei der ARGE, bei den Optionskommunen hören.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wenn Sie sich mit der Wirklichkeit beschäftigen und nicht alles immer nur durch die ideologische Brille betrachten und sich vielleicht bei den Praktikerinnen und Praktikern vor Ort an der einen oder anderen Stelle im Lande erkundigen, dann würden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass das, was Sie machen, kommunalfeindlich ist.

Ich sage Ihnen voraus: Vor dem Hintergrund der von Ihnen so gerühmten Schuldenbremse werden sich Bund und Land bei der verschärften Lage an der Stelle bei den Kommunen schadlos halten. Das ist etwas, was wir nicht wollen. Deswegen werden

wir dem SPD-Antrag im Verlauf der Beratung zustimmen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Landesregierung spricht als Nächster Herr Minister Dr. Linssen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Es wird keine Belas- tung geben! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Al- les wird gut!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das wir heute beraten, haben wir gestern auch schon besprochen. Man könnte eigentlich sagen: Es ist alles gesagt, aber noch nicht von allen. Ich habe gestern dazu gesprochen. Ich kann einige Punkte gerne wiederholen.

Sie haben heute den gleichen Tenor fortgesetzt wie gestern: Panikmache, Verunglimpfungen, Verbalinjurien noch und noch. Wenn das Ihr Stil ist, machen Sie weiter so. Sie werden es bei der Wahl im Mai noch einmal merken, nachdem Sie von der SPD bei der Bundestagswahl das niedrigste Ergebnis seit Kriegsende eingefahren haben.

(Edgar Moron [SPD]: Sie auch! – Thomas Trampe-Brinkmann [SPD]: Wer im Glashaus sitzt!)

Also könnten wir sehr beruhigt weitermachen. Machen Sie in Ihrem Stil weiter! Jeder andere steht bei Ihnen immer unter Ideologieverdacht. Wie oft ich das heute schon von Ihnen gehört habe, auch von Ihnen, Herr Becker: Immer die anderen sind der Ideologie verdächtigt, nur Sie nicht. Sie haben die Wahrheit gepachtet. Herzlichen Glückwunsch!

(Horst Becker [GRÜNE]: Nicht die Wahrheit! Aber das Hingucken, das haben Sie schon eingestellt!)

Meine Damen und Herren, wir unterscheiden uns sicherlich generell dadurch – das ist in den Debatten gestern und heute deutlich geworden –, dass wir keine statische Betrachtung vornehmen. Wir wissen, Wirtschaft ist etwas Dynamisches, und wir wollen diesen Wachstumsprozess beschleunigen. Dafür gibt es unterschiedliche Annahmen. Sie setzen nur auf Konjunkturprogramme staatlicher Art. Wir setzen ebenfalls auf Steuersenkungen, aber in einem vertretbaren Maße. Das werden Sie alles auch erfahren.

(Bodo Wißen [SPD]: Mehr war nicht drin!)

Sie spekulieren über das, was 2011 passiert. Sie wissen angeblich alles besser. Gucken Sie nach, was im Koalitionsvertrag steht! Dann werden Sie sehen, dass da steht: Möglichst zum 01.01.2011 wollen wir einen weiteren Schritt tun.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Immer wieder Absichtserklärungen!)

Über das, was jetzt zum 01.01.2010 passiert, haben wir gestern intensiv diskutiert.

Meine Damen und Herren, eines möchte ich doch noch klar sagen: Niemand in dieser Regierungskoalition stellt die Einnahmen der Kommunen infrage. Denen geht es genauso dreckig wie uns. Dem Land geht es eigentlich ein bisschen schlechter.

(Bodo Wißen [SPD]: Sie haben eine Verant- wortung!)

Ich habe versucht, Ihnen das vorzurechnen. Es ist völlig klar: Die Kommunen haben sich auch dank der guten Landespolitik seit 2006 besser entwickelt.

(Bodo Wißen [SPD]: Herr Linssen, das glau- ben Sie doch selber nicht!)

Sie werden zur Kenntnis genommen haben – bei all Ihren eingehenden Betrachtungen –, dass der kommunale Finanzierungssaldo 2008 mit plus 546 Millionen € positiv war. Auch im Jahre 2007 war er positiv. Das war zu Ihrer Zeit nicht der Fall. Das heißt, die Verelendung der Kommunen, die Sie hier an die Wand malen, war unter Ihrer Ägide natürlich richtig eingetreten.

(Bodo Wißen [SPD]: 1,8 Milliarden €!)

Wir haben mit den Kommunen zusammen diesen Trend gestoppt. Jetzt geht es ab 2009 genauso wie beim Land in neue Verschuldung hinein. Das ist mehr als bedauerlich.

Herr Körfges, Sie haben noch einmal die Krankenhausfinanzierung, die Grunderwerbsteuer, all das, was das böse Land den lieben Kommunen weggenommen hat, erwähnt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das wird durch Wiederholungen nicht richtiger!)

Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht: Nachdem die Kommunen 2006 all die Steuern, die Sie ihnen gegeben hatten, wieder zurückzahlen mussten – Sie erinnern sich –, haben wir gesagt: Wir können sie 2006 nicht mehr belasten, die alte Regierung hat sie schon so wahnsinnig belastet. Ab 2007 müssen sie bei steigender Konjunktur und besseren Steuereinnahmen auch einen Solidarbeitrag leisten. – Jawohl, das ist geschehen.

Trotzdem haben die Kommunen im Jahre 2009 den höchsten Betrag in der Geschichte des Landes mit fast 8 Milliarden € aus dem GFG bekommen. Und sie bekommen im Krisenjahr 2010 den zweithöchsten Betrag in der Geschichte des Landes. Ich weiß nicht, in welcher Realität Sie leben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Zählen Sie auf, was wir Ihnen vorenthalten!)

Sie müssen sich die Zahlen schon genau angucken, meine Damen und Herren.

Ich würde gern etwas zu den Bemühungen der Koalition in Berlin sagen, zu KdU, zu Eingliederungshilfen, dem ganzen Katalog, der natürlich die Kommunen belastet. Herr Körfges, Sie erinnern sich daran, dass wir auch bei Ihrem Kollegen Steinbrück Sturm gelaufen sind. Sie wissen auch, welche Vereinbarungen schon im Jahr 2005 geschlossen worden sind und wie man sich jetzt sklavisch daran hält – natürlich zum Nachteil der Kommunen, denn die Bedarfsgemeinschaften bilden nicht die Realität ab.

Wir werden einen neuen Versuch machen. Deshalb hat Ihnen der Ministerpräsident gestern noch einmal diese Passagen aus dem Koalitionsvertrag vorgetragen, die darauf abzielen, mit der Bundesregierung in einen Dialog einzutreten, um auf diesem Wege die Lage zu verbessern.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Gut, dass wir dar- über geredet haben!)

Keiner hat ein größeres Interesse daran, dass dies gelingt, als der Finanzminister dieses Landes. Das, was sich bisher gegen Berlin richtet, weil man bei schwieriger Sozialstruktur in der Vergangenheit zu wenig unterstützt wurde, würde sich verstärkt gegen das Land richten, wenn von dort kein Geld kommt. Das ist ganz natürlich.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Deshalb hat dieser Finanzminister ein besonders großes Interesse daran, dass das, was im Koalitionsvertrag abstrakt verankert worden ist, in konkrete Hilfe umgesetzt wird.

Herr Körfges, Ihre Vorsitzende Frau Kraft ist vor einem halben, dreiviertel Jahr durch die Gegend gezogen und hat am Beispiel von Gelsenkirchen, Recklinghausen und Oberhausen immer wieder erklärt, dass die an den Osten zahlen würden, dass dies nicht mehr so weitergehe und das Geld hier dringender nötig sei. Das ist auf viel Echo gestoßen. Das ist auch sehr einleuchtend. Trotzdem hat sie auf einmal irgendwann die Kampagne beendet. Ich weiß auch, warum. Berlin hat Ihnen gesagt: Wenn du den Solidarpakt bis zum Jahre 2019 in Frage stellst, geht es dir ganz anders, dann werden wir dir etwas anderes erzählen. – Also muss es andere Möglichkeiten geben, um diese nach Himmelsrichtungen verteilten Gelder irgendwie in die schwierigen Gebiete im Westen umzulenken.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben das Ziel also schon aufgegeben!)

Daran werden wir sicherlich arbeiten.