Diese Rituale kommen mir vor wie die beiden Freunde, der eine Anhänger von Borussia Dortmund, der andere von Schalke 04, die sich zusammen auf eine Tribüne setzen und ein Fußballspiel angucken. Wenn die beiden sich nach Ende des Spiels unterhalten, dann glaubt man nicht, dass beide dasselbe Spiel gesehen haben: Der eine beurteilt den Schiedsrichter so, der andere so. Sie glauben nicht, dass die beiden nebeneinander im selben Stadion gesessen haben.
So ähnlich ist das, wenn man die Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen betrachtet. Sie auf Ihrer Seite sehen das völlig anders als wir auf unserer Seite. Das ist völlig normal und in Ordnung.
Nur, dass Sie heute wieder anfangen, die gleichen unsinnigen Behauptungen aufzustellen, die bereits gestern durch den Ministerpräsidenten und durch den Finanzminister sehr deutlich widerlegt worden sind, das macht mich betroffen über so viel Realitätsverlust. So viel Realitätsverlust und die Ernsthaftigkeit, mit der Sie hier offensichtlich antreten, machen mich betroffen. Ich will nur auf zwei Beispiele eingehen.
Sie beklagen den Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen und unterstellen dann einfach, weil es Ihnen gerade passt: Die Koalitionsfraktionen sind für eine ersatzlose Streichung der Gewerbesteuer. – Das nimmt Ihnen doch keiner mehr ab. Herr Körfges, seit vier Jahre unterhalten wir uns über dieses Thema, und immer wieder geben Sie sich als Engel der Apokalypse. Sobald irgendeine Entwicklung einsetzt – sei es im Hinblick auf das Sparkassenrecht, die Gemeindeordnung oder das Kommunalwahlrecht –, predigen Sie den Untergang des Abendlandes. Sie sagen, dieses Land würde den Bach runtergehen und es sei alles zu Ende, bevor
die Reformen überhaupt eingeleitet, wenn sie nur angedacht sind; Herr Löttgen hat das schon beschrieben.
Sie haben nicht daraus gelernt. Ich könnte Ihnen alle Passagen aus den Plenarprotokollen vorlesen, in denen Sie den Untergang des Abendlandes prophezeit haben, in denen Sie gesagt haben: Sie werden die Quittung dafür bekommen. Bei der Kommunalwahl und der Bundestagswahl werden Sie abstürzen. Da wird Ihnen der Wähler die Quittung erteilen. – Ich weiß, wer bei den Kommunalwahlen und wer vor allen Dingen bei der Bundestagswahl die Quittung bekommen hat. So wird es mit Ihnen weitergehen, weil Sie realitätsorientierte, am Bürger orientierte Politik durch wilde Gerüchte ersetzen, bei denen der Bürger sofort merkt, dass sie nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Ich empfehle Ihnen dringend, sich endlich wieder einen normalen und realistischen Politikstil anzugewöhnen. Dann könnten wir uns hier nicht nur besser unterhalten, sondern dann hätten Sie auch draußen wieder eine Chance, vom Bürger ernst genommen zu werden. So funktioniert das nicht!
Ich bin es leid, immer über die von Ihnen hingehaltenen Stöckchen springen zu sollen, weshalb ich noch ein zweites Beispiel nennen will. Herr Linssen und der Ministerpräsident haben Ihnen gestern deutlich vorgetragen, wie es sich mit der Gebührensteigerung bei den öffentlichen Maßnahmen der Daseinsvorsorge – Müllabfuhr, Wasserversorgung usw. – infolge des Koalitionsvertrags verhält. Im Koalitionsvertrag steht ganz deutlich, dass diese Maßnahmen nicht über bestehende Regelungen hinaus steuerlich belastet werden sollen; das ist verbindlich geregelt. Ich weiß gar nicht, wie Sie dazu kommen, heute wieder jedem weismachen zu wollen, alles würde teurer, weil der Koalitionsvertrag das so vorsieht.
Bevor Sie sich auf eine solche Diskussion hier lange vorbereiten und bevor Sie unsere Zeit stehlen, sollten Sie sich den Koalitionsvertrag in Ruhe durchlesen und analysieren. Wenn die Kommissionen ihre Arbeit beendet haben, können Sie sich noch einmal zu dem Thema äußern. Davon können wir alle profitieren. – Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Für die Grünen hat sich noch einmal Herr Kollege Becker zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lux, es ist so eine Sache mit dem ruhigen Durchlesen. Es ist vor allen Dingen so eine Sache mit dem richtigen Hinhören und Zuhören, Herr Kollege. Erstens hat
das DIW Ihren Koalitionsvertrag durchgelesen und festgestellt, dass der Glaube, dass die Steuersenkungen zu Konjunkturwachstum und Steuermehreinnahmen führen würden, falsch ist.
Drittens hat Herr Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund darauf hingewiesen, dass die Städte und Gemeinden bundesweit erheblich unter Ihren Steuerplänen leiden werden.
Viertens hat der Ihnen wohlbekannte Herr Reck – bis vor Kurzem war er Generalsekretär der CDU – für den Verband kommunaler Unternehmen darauf hingewiesen, dass Ihre Steuerpläne für die kommunalen Unternehmen und die Gebühren, welche die Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssen, bedenklich sind.
Fünftens möchte ich mit einen Zitat enden. Herr Kirsch, Ihnen ebenfalls wohlbekannt, Landesdirektor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, seines Zeichens auch Christdemokrat, sagte vor Kurzem – das steht heute in der Zeitung –:
Die meisten Kommunen pfeifen selbst auf dem letzten Loch. Sinkende Steuereinnahmen, wie von der Regierung in Aussicht gestellt, würden der kommunalen Familie den Boden unter den Füßen wegziehen.
Ich stelle fest: Sie lesen nicht nur nicht, Sie hören auch nicht hin, wenn Ihre Parteifreunde sprechen!
Ritualisierte Politik hin oder her. Fakt ist jedenfalls, dass Sie Ihre Politik auf Pump finanzieren.
Ich kann Sie nicht verstehen. Sie müssen lauter sprechen oder eine Zwischenfrage stellen. Was Sie hier von sich geben, ist Kokolores.
Sie machen eine Politik auf Pump; das ist die Realität. Die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ist miserabel. Es ist schon gesagt worden, dass die Kassenkredite dramatisch von 10,2 Milliarden auf über 17 Milliarden € gestiegen sind und dramatisch weiter steigen. Weil Sie immer von sich geben, dass alles, was die Opposition sagt, Unsinn sei, will ich einmal die Presse sprechen lassen.
Für die Städte in NRW wird es mit Schwarz-Gelb dramatisch Zu den Verlierern könnten vor allem finanzschwache Kommunen und das Ruhrgebiet gehören.
Wie im Wahlprogramm insbesondere der FDP angekündigt setzt die Koalition auf steuerliche Entlastungen und hofft dadurch den Weg zu mehr Wirtschaftswachstum zu finden. Wenn alle angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden …, würde dies zu einem Entlastungsvolumen von jährlich 24 Mrd. Euro führen. Dies würde allein bei den Kommunen mit einem Einnahmeverlust von jährlich 3,6 Mrd. Euro zu Buche schlagen. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Finanzlage der Städte und Gemeinden, die im Jahre 2010 voraussichtlich mit einem Defizit von über 11 Mrd. Euro abschließen werden, sind derartige Entlastungen abzulehnen. Die Kommunen befinden sich aufgrund der wegbrechenden Einnahmen und steigenden Ausgaben in der schwierigen Situation, dass alle Aufgaben auf den Prüfstand müssen.
Fakt ist, dass die neue CDU/CSU/FDP-Bundesregierung die soziale Benachteiligung weiter vergrößert und eine brutale Schuldenpolitik, auch zulasten der Kommunen, macht Dies wendet sich vor allem gegen die Menschen, die in diesen Kommunen leben. Davon habe ich heute überhaupt noch kein Wort gehört, dass es Betroffene dieser Politik gibt. Es gibt soziale Verwerfungen. Normalverdienende, Geringverdienende, Rentnerinnen und Rentner sowie Beziehende von Sozialleistungen werden diese Politik, die Sie vor allem für die Leute machen, die sowieso schon zu den Besserverdienenden in diesem Land gehören, zu bezahlen haben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung macht damit dasselbe, was in NRW getan wird: eine Rekordverschuldung mit Milliardensummen, die jedes Jahr im Haushalt stehen.
gebe es keine Erhöhung der Nettoneuverschuldung, fragt man sich natürlich: Warum nicht? Ist es die von den anderen Oppositionsparteien genannte Mehrwertsteuererhöhung, oder gibt es vielleicht hier in Nordrhein-Westfalen einen Schattenhaushalt, den man auf Bundesebene auch schon vorhatte? Das ist sehr interessant.
Als Linke kann ich nur feststellen: Statt Millionärssteuer Börsenumsatzsteuer, Vermögensteuer oder auch höhere Spitzensteuersätze sollen Vermögende sogar noch profitieren.
Es wird dramatische Zustände für die Kommunen in NRW und im Jahr 2010 eine Rekordneuverschuldung von weit über 7 Milliarden € für das Land geben, verbunden mit einer massiven sozialen Benachteiligung für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Die Kommunen werden weiter in eine dramatische finanzielle Schieflage kommen, und ich gehe davon aus, dass die 885 Millionen €, die Herr Linssen angekündigt hat, weit übertroffen werden. Die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt. Das heißt, die Besserverdienenden erhalten weiterhin Steuergeschenke. Diejenigen, die im unteren Einkommensniveau liegen, …
Ach, Herr Linssen, Beweise. Das ist die Realität. Gehen Sie mal ins Land hinaus! Sitzen Sie nicht nur im Landtag und in Ihrer Regierung! Gehen Sie mal in die Kommunen! Fahren Sie mal in den EmscherLippe-Raum! Schauen Sie sich mal an, unter welch katastrophalen Bedingungen die Leute dort leben! Das ist die Realität hier im Land, Herr Linssen. Sie schweben doch im Wolkenkuckucksheim.
Hier wird eine eiskalte und zynische Politik gegen die Menschen in Nordrhein-Westfalen gemacht. Die sozial Benachteiligten müssen diese Politik auslöffeln. Das ist die Situation; das ist die Politik, die hier gemacht und jetzt vonseiten der Bundesregierung fortgesetzt wird. Das werden wir im nächsten Jahr noch dramatischer erleben als in diesem Jahr. – Danke schön.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/10021 an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem so zu? – Stimmt jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.
3 Gesetz zur Schaffung von mehr Transparenz in öffentlichen Unternehmen im Lande Nordrhein-Westfalen