Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Wenn der hier auf Landesebene stattfindende schwarz-gelbe Regierungsmurks als Blaupause für den Bund dienen soll, dann gute Nacht! Das sagen nicht nur wir als Opposition, sondern bis hin zum Landkreistag – da hat der Kollege Becker vollkommen recht; ich bin dort Mitglied des Präsidiums – ganz viele Beteiligte.

Zudem gibt es viel Ungefähres. Wir hören hier immer nur von irgendwelchen Luftschlössern: Man könnte, man sollte, man hätte. – Nein, die Kommunen verzeichnen jetzt den Einbruch bei der Gewerbesteuer. Sie haben heute die Finanznot. Sie haben die nie gekannten riesigen Kommunalkredite im Umfang von 17, 18 Milliarden € vor der Brust. Sie sind in ihrer kommunalen Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

Deswegen ist ganz Schlimmes zu befürchten, wenn man die NRW-Landesregierung tatsächlich auch noch als Blaupause für den Bund sieht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich sage Ihnen – durchaus ein bisschen politiktheoretisch –, dass das für die politische Kultur im Land schlecht ist; denn die Bürgerinnen und Bürger sehen in der Kommune die erste politische Ebene, die unmittelbarste politische Ebene. Die ist ganz wichtig für die. Deswegen müssen wir dazu kommen, dass wir die Kommunen stärken und nicht etwa schwächen. Gerade in Zeiten des Einbruchs, gerade in Zeiten, in denen die Gewerbesteuer wegbricht, in der die Handlungsfähigkeit der Kommunen wegbricht, müssen wir die Kommunen stärken und nicht schwächen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Wie machen wir denn das?)

So muss kommunale Selbstverwaltung gehen, wie schon Freiherr vom Stein sie sich vorgestellt hat. Sie führen diesen aber ad absurdum, indem Sie die Kommunen regelrecht würgen, regelrecht auspressen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Sie sprechen von Zuweisungen. Das kann alles sein. – Das ist übrigens kein Geschenk von der Landesregierung; das muss man einmal feststellen. Es ist kein Geschenk, sondern es ist ein Anspruch. – Sie sprechen aber nicht von den höheren Belastungen. Wir sind bei etwa 2 Milliarden €, die Sie den Kommunen mittlerweile vorenthalten. Und das steigt immer mehr an.

Gerade Sie von der CDU haben ja oft auch noch politische Mandate in der Kommune. Es ist schon ein bisschen schizophren, wie Sie dort reden und wie Sie hier im Landtag handeln. Das ist kaum weiter auszuhalten.

(Beifall von der SPD)

Ich bin bald vom Stuhl gefallen – aber von diesen Stühlen kann man ja nicht fallen –, als ich gestern den Ministerpräsidenten gehört habe, Dr. Jürgen Rüttgers, wie er sich hier geradezu als Retter der Kommunalwirtschaft aufgespielt hat.

(Bodo Löttgen [CDU]: So ist das!)

Da bin ich wirklich bald vom Stuhl gefallen. Aber noch einmal: Das geht da ja nicht. Das ist schlichtweg eine Frechheit: § 107 so zu ändern, dass die Kommunalwirtschaft in NRW große Probleme hat,

(Bodo Löttgen [CDU]: Wo denn?)

dass Arbeitsplätze gefährdet werden,

(Christian Weisbrich [CDU]: Wo denn?)

dass Ausbildungsplätze gefährdet werden, dass bestimmte Projekte überhaupt nicht angedacht werden, weil man die Schere des § 107 im Kopf hat –

und sich dann hier als Retter der Kommunalwirtschaft aufzuspielen. Das ist unredlich.

(Beifall von der SPD)

Ich nenne weitere Hindernisse: Hafensicherheitsgesetz, Verkauf von LEG-Wohnungen – da durfte die Neusser Wohnungsbaugesellschaft übrigens nicht mitbieten; aber irgendeiner Heuschrecke, von der Sie heute nicht wissen, wer das eigentlich ist, haben Sie 90.000 Wohnungen an die Hand gegeben; das ist unglaublich! –,

(Beifall von der SPD)

Kürzungen und Preissteigerungen bei Bussen und Bahnen, Schließung von Arbeitslosenzentren, Verlagerung von Aufgaben an die Kommunen ohne finanzielle Kompensation und natürlich der wenn auch immerhin ein bisschen vereitelte Anschlag auf die Sparkassen. Diese kommunalfeindliche Politik werden die Menschen in diesem Lande Ihnen nicht vergessen.

Herr Kollege, ich will Sie darauf hinweisen, dass Sie schon vor einer ganzen Zeit am Schluss Ihrer Redezeit angelangt sind. Ich mache Ihnen ein Angebot: Es gibt noch eine Zwischenfrage. Wenn Sie die zulassen wollen, können wir das jetzt noch einbauen.

Ja, dann bauen wir das schnell ein.

Wir stoppen die Zeit, und Herr Weisbrich darf die Frage stellen. Bitte schön, Herr Weisbrich.

Herr Kollege, Sie scheinen sich in der Kommunalwirtschaft ja sehr gut auszukennen. Können Sie mir ein Stadtwerk nennen, das Arbeitsplätze wegen § 107 abbauen musste? Sind Sie sicher, dass so etwas vorgekommen ist?

Herr Kollege Weisbrich, Sie waren bei den Anhörungen dabei oder haben sie zumindest nachlesen können, sodass Sie wissen, dass – wie ich schon sagte – die Möglichkeiten von Kommunen, sich zu engagieren, absolut eingeschränkt werden. Das fängt schon mit einer Schere im Kopf an. Man begibt sich in bestimmte Gebiete einfach nicht mehr hinein, weil man Angst hat, dass man Probleme mit § 107 bekommt. Das ist eine Tatsache, die Sie zu verantworten haben.

(Zurufe von Bodo Löttgen und Christian Weisbrich [CDU])

Ich darf mir noch einen kurzen Hinweis gestatten. Ich habe gedacht, das mit den Steuersenkungspro

grammen von CDU und FDP auf Bundesebene kann eigentlich gar nicht so sein:

(Horst Engel [FDP]: Doch! Das ist so!)

den Reichen etwas schenken und die Armen, vor allem die armen Kommunen, benachteiligen. Da wird Herr Dr. Linssen sicherlich einschreiten. Er wird sicherlich ein Veto dagegen einlegen, wozu er als Finanzminister ja das Recht hat. Er wird sich sicherlich der Meinung des saarländischen Ministerpräsidenten Müller anschließen, oder er wird sich sicherlich der Meinung von Ole von Beust anschließen.

All das ist aber nicht passiert. „Sag mal besser nichts“ hat Hanns-Dieter Hüsch gesagt. Auf den Niederrheiner Dr. Linssen trifft das auch zu. Ich finde das schade, denn damit hat er nun wirklich die Mär vom eisernen Helmut verspielt.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wißen, für die ausführliche Antwort auf die Frage. – Damit kommen wir zum nächsten Redner. Für die CDU spricht nun Herr Kollege Lux.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wißen, lassen Sie mich mit Ihnen anfangen, der Sie hier so stolz Ihr Druckwerk vorgestellt und das als Liebensroman der SPD an die Kommunen dargestellt haben. Dazu nur zwei Anmerkungen.

Erstens. Sie haben völlig recht: Es ist ein Roman. Ein Roman ist immer eine erfundene Geschichte. Da stellt sich jemand Wirklichkeiten vor, wie sie gar nicht vorkommen.

Zweitens. Sie sollten dazusagen, dass im Untertitel dieses Liebesromans steht, dass es der größte Verschuldenspakt für dieses Land ist.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Denn das Land würde fürchterlich in weitere Schulden hineinrutschen, wenn nur annähernd realisiert würde, was Sie den Kommunen hier auf Kosten des Landes versprechen. – Aber das nur zum Eingang.

(Beifall von der CDU – Ewald Groth [GRÜ- NE]: Sie müssen nur zurückgeben, was Sie denen alles weggenommen haben!)

Meine Damen und Herren, wenn man den Antrag isoliert betrachtet, dann könnte man meinen: Okay, der hat seinen Platz nach dem Start einer neuen Bundesregierung. Das sind Rituale, die stattfinden. – Erlauben Sie mir, das zu sagen- ich bin seit 1995 in diesem Haus, ich gehörte zehn Jahre einer Oppositionsfraktion an –: Da gibt es Rituale, wenn eine neue Regierung gebildet wird, wenn es Koalitionsverträge gibt, dass man in bestimmten Rollen zu diesen Veränderungen Stellung nimmt. Das ist völlig normal.

Man könnte also sagen: Vor diesem Hintergrund betrachten wir diesen Antrag.

Aber dass Sie den Antrag nach der gestrigen Lehrstunde aufrechterhalten haben, die Sie bei den ersten beiden Tagesordnungspunkten erhalten haben, macht deutlich, dass Sie absolut lernunfähig sind.

(Beifall von CDU und FDP)

Gestern ist Ihnen eigentlich alles zu dem heutigen Antrag bereits gesagt worden.

(Beifall von Horst Engel [FDP])

Es ist aufgezeigt worden, wie weit Sie an der Wirklichkeit vorbeischrammen und wie Sie hier Behauptungen aufstellen, offensichtlich ohne die entsprechenden Passagen des neuen Koalitionsvertrages gelesen zu haben. Ich hätte mich an Ihrer Stelle dermaßen geschämt, dass ich diesen Tagesordnungspunkt heute ganz verschämt zurückgezogen hätte.

(Beifall von CDU und FDP)

Aber Sie wollen das nicht.