Hierzu liegt die Beschlussempfehlung Drucksache 14/10204 vor. Außerdem gibt es Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Nummern 67 bis 70 der Tischvorlage.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion dem Abgeordneten Sichau als erstem Redner das Wort.
Ich mache darauf aufmerksam, dass wir immer noch hinter der Zeit sind. Wir können also gemeinsam den nächsten Morgen erreichen, wenn es so weitergeht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute schon häufig gesagt worden, dass dies der letzte Haushalt dieser Wahlperiode ist. Ich erinnere an den Anfang und den Wahlkampf, als es hieß: Wir werden viel mehr für Richter, Staatsanwälte und den allgemeinen Vollzugsdienst tun. Wenn man heute zurückblickt, dann stellt man fest: Für Richter und Staatsanwälte ist weniger getan worden, und bei all dem, was den allgemeinen Vollzugsdienst in den Justizvollzugsanstalten betrifft, geht es letztlich nur darum, Personal für die
Angesichts dieser Realität fällt jemandem wie mir natürlich gleich ein Steindruck von Andreas Paul Weber ein, der in Ratzeburg tätig war. Einer seiner berühmtesten Steindrucke war „Das Großmaul“. Das kann man hierauf beziehen. Hier ist viel zugesagt und nichts gehalten worden. Im Gegenteil, wir haben weniger Personal bei der Richterschaft und in den Staatsanwaltschaften als 2005.
Was die vielen anderen Punkte anbetrifft, will ich mich ein bisschen konzentrieren; man könnte auf sie viel mehr als die mir zustehende Redezeit verwenden.
Wir haben im Rahmen des neuen Jugendstrafvollzugsgesetzes über die Größe von Jugendstrafvollzugsanstalten gesprochen. 300 bis 350 Plätze waren die oberste Grenze. Trotz aller berechtigten Fachkritik ist das in den Wind geschlagen worden. Wir bauen derzeit zwei Jugendjustizvollzugsanstalten mit jeweils annähernd 500 Plätzen. Das ist die Realität; auch das geht an den fachlichen Anforderungen vorbei.
Wir haben zu diesem Haushalt einen Änderungsantrag bezüglich der Suchtkrankenhilfe eingebracht. Wir wären sehr erfreut, wenn diesem Antrag zugestimmt würde; denn für die rund 40 % Suchtkranken im Strafvollzug wird einfach zu wenig getan. Dieses Wenig drückt sich auch darin aus, dass es keinen eigenen Haushaltsansatz gibt. Die Intransparenz wird dadurch deutlich, dass dies in einem anderen Titel versteckt ist.
In diesem Zusammenhang ist es fachlicher Hohn, wenn Suchtkranke, die ohne Behandlung rückfällig werden, die Therapievorbereitungsabteilung einer Strafvollzugsanstalt in der Regel verlassen müssen. Fachleute können angesichts dessen nur den Kopf schütteln.
Beim Täter-Opfer-Ausgleich, der ebenfalls einen wichtigen Bereich darstellt, auch wenn er noch nicht so alt ist, verbleiben Sie in Ihrem Haushaltsplan bei dem bisherigen Ansatz und bei nur einer Fallpauschale. Das ist so, als würde im Krankenhaus die Fallpauschale für eine Blinddarmoperation bezahlt, und damit wären alle Krankheiten abgedeckt. Dies bildet die auch im Justizbereich gegebene komplexe Situation nicht ab.
Circa 800 Ersatzfreiheitsstrafengefangene gibt es in Nordrhein-Westfalen. Sie blockieren eine große Justizvollzugsanstalt und kosten dann noch jeweils 150 € pro Tag, statt sinnvolle gemeinnützige Arbeit zu leisten, was gesetzlich möglich ist. Allerdings – dies ist die andere Seite – gibt es die entsprechenden Fachstellen nicht flächendeckend.
In der JVA Aachen, die in den letzten Tagen im Blickpunkt der Medien stand, wird beispielhaft für den Strafvollzug zudem deutlich, dass der Kran
kenstand zu hoch ist und sehr viele Überstunden anfallen. Zu genau dieser JVA Aachen hat Herr Werthebach in dem vom Justizministerium angeforderten Bericht bereits 2007 angemahnt, dass sich dies kurzfristig zu ändern habe.
Passiert ist leider wenig. Da helfen auch die jetzt von Herrn Mainzer angebotene Zahlbarmachung von Überstunden und ein jüngst in Kraft getretener Notdienstplan wenig. Auch die Geschäftsüberprüfung kam nach unserer Ansicht viel zu spät.
Wenn man das Ganze dann – Frau Löhrmann hat es gerade noch einmal auf den Punkt gebracht – mit den finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Bund abgleicht, so werden wir es wahrscheinlich mit einer noch stärker schrumpfenden Finanzressource im Land zu tun haben. In Bezug auf den Justizhaushalt kann man letztlich nur sagen: Einem solchen Haushalt kann man schlichtweg nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, sehr geschätzter Kollege Sichau, für diesen kurzen Beitrag. – Ich gebe das Wort an Herrn Giebels von der CDU-Fraktion weiter.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sichau hat vorhin die Ausgangslage 2005 angesprochen. Dann darf man auch daran erinnern, dass 2005 die Justiz an einem Tiefpunkt angelangt war, meine Damen und Herren von SPD und Grünen.
Wir können sagen: Wir haben nach 2005 den noch von Rot-Grün beschlossenen massiven Stellenabbau unmittelbar nach der Regierungsübernahme gestoppt und die Justiz durch neues Personal gestärkt. Ich darf, auch wenn Sie es nicht gerne hören möchten, exemplarisch folgende Erfolge noch einmal erwähnen:
Alleine 287 Stellen für Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwälte sind erhalten oder neu geschaffen worden. Dies erlaubt der Justiz in unserem Bundesland zum Beispiel ein energisches Vorgehen gegen die Wirtschaftskriminalität und die Jugendkriminalität. Außerdem reagieren wir schnell dort, wo die Menschen in Nordrhein-Westfalen der Schuh drückt: Die Richterschaft der Sozialgerichtsbarkeit ist wegen der Hartz-IV-Reform massiv verstärkt worden. Der Haushaltsplanentwurf 2010 sieht insgesamt 299 Stellen für Richter der Sozialgerichtsbarkeit vor; dies entspricht einem Stellen
Für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit gilt: Bereits mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2009 haben wir auf die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert. Die Realisierung von 18 kw-Vermerken aus dem Servicebereich und von 20 kw-Vermerken auf Stellen für Richter am Arbeitsgericht erfolgt erst im Jahr 2011. Darüber hinaus hat die Justizministerin im Oktober bekannt gegeben, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit um 15 weitere Richterstellen verstärkt wird.
Damit wird die zügige Erledigung der Kündigungsschutzverfahren, die für die gekündigten Arbeitnehmer oftmals von existentieller Bedeutung sind, gewährleistet.
Drittens. Wir haben den während Ihrer Regierungszeit völlig vernachlässigten Justizvollzug deutlich gestärkt, Herr Kollege, auch wenn Sie es nicht gerne hören. Wir haben im Justizvollzug 509 Stellen neu geschaffen oder erhalten, um die Anzahl der Haftplätze zu erhöhen und die Belastung des Justizvollzuges abzubauen. Fakt ist, Herr Kollege Sichau, Sie haben über Jahre hinweg keine Einstellung für den Vollzug mehr vorgenommen. Darunter leidet der Vollzug auch heute noch.
Mit dem Bau neuer Haftanstalten haben wir ebenfalls dazu beigetragen, die Situation im Haftvollzug weiter zu verbessern. Und ja, wir stehen zu großen Anstalten; das sage ich deutlich. Herr Kollege Sichau, Sie haben eben die Anzahl der Plätze angesprochen. Wir brauchen große Anstalten, um ein gewisses Aus- und Fortbildungsangebot an dem jeweiligen Standort überhaupt anbieten zu können. Dafür brauchen Sie große Einheiten.
Zum Einzelplan 04 des Haushalts 2010 noch einige wenige Anmerkungen. Der Entwurf des Haushaltsgesetzes 2010 entspricht im Bereich Justiz weitestgehend dem Haushaltsgesetz 2009. Eine leichte Steigerung um insgesamt knapp 2,6 % ist in den Zeiten dieser Wirtschafts- und Finanzkrise, wo oftmals Kürzungen vorgenommen werden müssen, ein deutliches Signal. Auch hier lohnt es sich, das eine oder andere Detail anzusprechen.
Wir haben im Bereich Verwaltungsgerichtsbarkeit konstante Zahlen, wir haben den Personalbestand der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaft auf solidem Niveau gehalten. Von den Stellenzuwächsen der Sozialgerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit habe ich bereits eingangs gesprochen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, vergessen Sie nicht, dass die Eingangszahlen bei den Gerichten aus den Jahren 2008/2009, ein komplettes Kalenderjahr, im Vergleich zu den Jahren 2004/2005 deutlich zurückgegangen sind. Auch das muss bei der Bewertung mit einfließen: Die Eingangszahlen sind deutlich niedriger. Das können Sie nicht leugnen.
Herr Kollege Sichau, Sie und andere Kollegen müssen auch erklären, warum Sie in den Jahren 2004/2005 allein im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften Streichungen in Höhe von fast 600 Stellen vorgenommen haben. Das müssen Sie auch noch einmal deutlich erklären. Sie werden es wahrscheinlich nicht können.
Das Fazit – damit komme ich zum Schluss –: Wir setzen ein eindeutiges Zeichen, wir tun, was irgend möglich ist, um die Situation der Justiz in NordrheinWestfalen auch in schwierigen Zeiten weiter zu verbessern. Trotz der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzlage und trotz der beständig rückläufigen Eingangszahlen konnten wir das Personaltableau ausreichend ausstatten. Daher stimmen wir dem Gesetzentwurf gerne zu. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Giebels. Auch Sie haben Ihre Redezeit nicht voll in Anspruch genommen. Das ist beispielhaft. – Der nächste Redner ist Herr Dr. Orth von der FDP-Fraktion. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will dem leuchtenden Beispiel von Herrn Giebels nacheifern; gleichwohl habe ich vom Grundsatz her in Minuten weniger Redezeit.
Herr Sichau, Sie haben eben davon gesprochen, dass dies der letzte Haushalt sei. Das stimmt: für die laufende Legislaturperiode. Ich bin mir aber ganz sicher, dass wir als CDU-FDP-Regierung auch die kommenden Haushalte im Justizbereich verantworten werden, meine Damen und Herren.
Wir haben im Bereich der Justiz Etliches bewegt. Gerade im Bereich der Justiz mussten wir Erhebliches bewegen, was Sie uns hinterlassen haben. Sie selbst – das wissen Sie aus Ihrer Arbeit aus der Vergangenheit sehr gut – sind als SPD doch an Minister Gerhards immer wieder abgeprallt. Und wenn Sie behaupten, wir bauten zu große Haftanstalten, dann kann ich nur sagen: Wir bauen sie jetzt endlich. Es ist verdammt schwierig, Plätze dafür zu finden, wo die Kommunen das auch mitmachen. Mir ist es lieber, ich habe zwei Haftanstal
ten mit 500 Plätzen auch wirklich gebaut, als dass ich zehn Jahre lang über sieben Haftanstalten mit 200 Plätzen diskutiere, meine Damen und Herren. Denn es geht auch darum, die Bevölkerung zu schützen.
Es haben sich zu Recht alle Sorgen gemacht, als die beiden Häftlinge in Aachen ausgebrochen sind. Das bedeutet ja, wir brauchen Plätze, um Leute irgendwo sicher und – das ist mir auch ganz wichtig – menschenwürdig unterzubringen. Sie haben uns – ohne Ende – Tausende von Zellen hinterlassen, in denen keine Schamwände existierten. Über diese Zustände, die damals, als Sie, meine Damen und Herren, regierten, bestanden haben, klagen die Häftlinge heute noch. In diese Dinge investieren wir erheblich. Insofern leisten wir einen Beitrag einerseits zu einer menschenwürdigeren Unterbringung, andererseits auch zu einer Entspannung der Situation in den Justizvollzugsanstalten.