Protokoll der Sitzung vom 02.12.2009

Ich rufe auf:

3 Verlängerung der Altersteilzeit unterstützen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10141

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10355

Ich eröffne die Beratung, und Herr Schmeltzer hat für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Juni des vergangenen Jahres haben wir im Rahmen eines Eilantrags infolge von bundesweiten Warnstreiks der IG Metall über die Verlängerung der Altersteilzeitregelung debattiert. Jetzt haben wir eine andere Grundlage, wenngleich das Thema das gleiche ist. Jetzt haben wir beantragt, den Gesetzentwurf bezüglich der Verlängerung der Altersteilzeit, den die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Bremen in den Bundesrat eingebracht haben, zu unterstützen.

Es war richtig und wichtig, dass die Koalition im Deutschen Bundestag in der Tradition von Olaf Scholz das Kurzarbeitergeld verlängert hat, wenn auch unter teilweise veränderten Bedingungen. Aber all die Instrumente, die wir derzeit haben, reichen in der Krise bei weitem nicht aus. Wir brauchen weitere wichtige Instrumente, wie zum Beispiel eine vorübergehende Verlängerung der geförderten Altersteilzeit.

Die geförderte Altersteilzeit stellt eine Beschäftigungsbrücke zwischen den Jüngeren und Älteren in unserer Gesellschaft dar. Gerade die unter 25Jährigen, aber auch die 50- bis 65-Jährigen sind die Personengruppen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, arbeitslos zu werden. Durch die Altersteilzeit schaffen wir für die Älteren einen Anreiz, länger zu bleiben, und wir geben ihren Arbeitgebern einen Anreiz, ihnen nicht zu kündigen.

Wir wissen alle, dass wir einen drohenden Fachkräftemangel vor uns haben und dass wir diesem begegnen müssen. Das heißt aber, dass wir konsequent handeln müssen, unter anderem dadurch,

dass wir gerade jungen Menschen den Einstieg in das Berufsleben – auch über die geförderte Altersteilzeit – ermöglichen.

Ich will Bezug nehmen auf einen Redebeitrag der Kollegin Steffens aus dem Juni des letzten Jahres, in dem sie sich zu dem damaligen Eilantrag geäußert hat. Sie hat unter anderem gesagt, dass es viele Menschen gibt, die die Altersteilzeitmodelle in Anspruch nehmen, aber nicht 1:1 Jüngere eingestellt werden. Diesbezüglich stimme ich mit Ihnen, Frau Kollegin Steffens, 1:1 überein. Die Brücke zwischen Jüngeren und Älteren muss so konstruiert sein, dass beide Gruppen darüber gehen und auch die Jüngeren Nutznießer von dem Altersteilzeitmodell sind.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Natürlich kostet die Förderung – das wissen wir alle – auch Geld. Aber wer die Subventionierung einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit, wie die IG Metall sie gemeinsam mit dem Metall-Arbeitgeberverband vorgeschlagen hat – im Übrigen meines Erachtens ein durchaus prüfenswertes Modell; Herrn Rüttgers gefällt es ebenfalls –, begrüßt, der darf nicht auf bewährte Instrumente wie die Altersteilzeit verzichten.

Norbert Blüm vertrat zu der Zeit, als die Altersteilzeit von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt wurde, die These, dass es besser ist, jüngere Menschen in die Betriebe zu lassen, als Alte so lange zu halten, bis sie nicht mehr können.

Recht hat er an der Stelle, als er nämlich dieses Altersteilzeitgesetz unter anderem damit begründet hat.

Die Förderung von Altersteilzeit – ich habe es gerade gesagt – kostet Geld, ja. Aber was würde es kosten, wenn Älteren gekündigt wird? Was würde es kosten, wenn jüngere Menschen keinen Ausbildungsplatz finden oder nach erfolgreicher Ausbildung keine berufliche Perspektive erhalten?

Wer Steuerversprechen auflegt in Form von Steuerentlastungen für Erben, für Unternehmer, für Hotelketten – und dies alles in beachtlicher Höhe –, muss letztendlich auch dafür eintreten, sinnvolle Arbeitsmarktinstrumente zu finanzieren wie eben die Verlängerung der Altersteilzeit.

Der Eilantrag, der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt wurde, ist nahezu inhaltsgleich mit dem aus dem Juni 2008. Ich möchte es kurz machen. Ich verweise auch da auf meine damaligen Ausführungen. Es ist schade, dass in diesem Entschließungsantrag eine Fülle von verschiedenen Instrumenten aufgeführt ist, die sicherlich in den Einzelthemen alle beratenswert wären, aber jetzt nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Unterstützung der Verlängerung der Altersteilzeit im Bundesrat stehen. Gerne würde ich diese Themen einzeln beraten. Frau Kollegin Steffens, vielleicht haben wir dazu Gelegenheit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnetenkollege Tenhumberg das Wort. Bitte schön, Herr Tenhumberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im SPD-Antrag wird die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, sich beim Bund für die Verlängerung der Gültigkeit des Altersteilzeitgesetzes einzusetzen. Die Linke im Bundestag hatte einen solchen Antrag in der Vergangenheit bereits viermal gestellt, und viermal hatte die SPD diesen Antrag abgelehnt.

Der heutige Antrag ist nicht konsequent und nachvollziehbar, weil Sie bisher einer Verlängerung ablehnend gegenüberstanden. Woher kommt jetzt dieser Sinneswandel?

Aufgrund der aktuellen gesetzlichen Regelung ist das Auslaufen der beitragsgeförderten Altersteilzeit vorgesehen. Auf Kosten der Arbeitslosenversicherung wird nicht mehr gefördert. Das bedeutet aber nicht, dass ab Januar 2010 keine staatliche Förderung der Altersteilzeit mehr stattfindet. Weiterhin wird über die Befreiung des Aufstockungsbetrages von Steuern und Sozialabgaben eine erhebliche staatliche Förderung gewährleistet.

Auch die Tarifpartner haben bereits Alternativen zur bisherigen Altersteilzeitregelung getroffen. Beispielhaft sei hier der Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente der IG Metall Nordrhein-Westfalen erwähnt, der ab Januar 2010 gültig wird und eine Laufzeit bis 2016 hat. Des Weiteren verweise ich auf das Betriebsvereinbarungsmodell zum flexiblen Übergang in die Rente der IG Metall BadenWürttemberg sowie die tariflichen Regelungen über Langzeitkonten zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie und der IG Metall NordrheinWestfalen.

Tarifpartner haben bereits seit Langem eine branchenbezogene Lösung gefunden. Der flexible Übergang in die Rente ist weiterhin möglich und wird von staatlicher Seite weiterhin gefördert.

Meine Damen und Herren, wir lehnen den Antrag der SPD aus nachfolgenden Gründen ab:

Erstens. Trotz der Regelungen des Altersteilzeitgesetzes ist die Wiederbesetzungsquote nicht erhöht worden – im Gegenteil. Die Quote ist seit Einführung der Altersteilzeit von 43 % auf heute 34 % bundesweit gesunken. Das Ziel, frei werdende Arbeitsplätze mit jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu besetzen, ist nicht in dem Umfang erfolgt, wie sich das der Gesetzgeber bei der Verabschiedung gedacht hat.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Zweitens. Für 94.000 Beschäftigte in Altersteilzeit wendet die Agentur für Arbeit einen Betrag von 1,3 Milliarden € pro Jahr auf. Diese 1,3 Milliarden € sind Beiträge, mit denen eigentlich das Risiko der Arbeitslosigkeit abgesichert werden soll.

Drittens. Obwohl nur 14 % der Arbeitnehmer in Großunternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschäftigt sind, beträgt der Anteil derer, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen, bei diesen Unternehmen etwa 30 %. Die Konzerne nutzen die Altersteilzeit, um sich bequem und auf Kosten der Beitragszahler von älteren Arbeitnehmern zu verabschieden.

Der Altersteilzeitanteil in Betrieben mit weniger als 20 Arbeitnehmern beträgt hingegen weniger als 2 %, obwohl mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer in Deutschland in solchen Betrieben arbeitet. Sozial gerecht ist das nicht.

(Beifall von der SPD)

Viertens. Es ist festzustellen, dass nicht die Geringverdienenden die Altersteilzeitregelungen in Anspruch nehmen, sondern dass eher die Höherverdienenden davon profitieren. Aber die Geringqualifizierten und die Geringverdiener sollen dies bezahlen. Das ist sozialpolitisch nicht gerechtfertigt.

(Beifall von Dr. Stefan Romberg [FDP])

Fünftens. Es ist ebenfalls festzustellen, dass nicht Menschen in körperlich belastenden Berufen von der Altersteilzeitregelung profitieren, sondern eher diejenigen, die aufgrund von Bürotätigkeiten weniger körperlich belastet sind.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das ist im Hinblick auf die Rente ab 67 nicht sachgerecht.

Sechstens. Aufgrund der demografischen Entwicklung können wir es nicht zulassen, dass die Älteren sich immer frühzeitiger aus dem Arbeits- und Erwerbsleben zurückziehen. Wir sind auf die Älteren angewiesen und brauchen deren Kompetenz und Erfahrung.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Siebtens. Die Zielsetzung des Altersteilzeitgesetzes, einen gleitenden Übergang in den Ruhestand besser zu organisieren, ist nicht erfüllt – im Gegenteil. Bei 90 % der beantragten Altersteilzeiten wird das Blockmodell in Anspruch genommen. Die Menschen gehen dann de facto früher in Rente. Die Zielsetzung der Gesetzgebung ist auch hier nicht optimal erfüllt. Von daher ist das Auslaufen der gesetzlichen Regelung gerechtfertigt.

Meine Damen und Herren, heute um 15 Uhr habe ich den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhalten. Nach kurzem Studium des Inhalts muss ich feststellen: Die inhaltliche Konkretisierung ist zu schwach. Man darf nicht immer

nach dem Staat und gesetzlichen Vorgaben rufen, sondern man sollte die Eigeninitiative der verantwortungsbewussten Sozialpartner stärker einfordern. Daher werden wir auch diesen Antrag ablehnen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Meine Damen und Herren, wir müssen stärker darüber nachdenken, wie wir einen besseren Übergang in die Rente gestalten können. Noch vorrangiger sollten wir aber darüber diskutieren, wie wir altersgerechte Arbeitsplätze in unseren Betrieben zur Verfügung stellen können. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Als nächster Redner hat das Wort für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Dr. Romberg. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Dass uns die SPD zur erneuten Behandlung des Themas Altersteilzeit auffordert, ist nicht etwa Ausdruck einer vorweihnachtlichen Sorge um die Arbeitnehmer im Lande. Ich denke, vielmehr sind taktische Überlegungen im Spiel. Auf dem Bundesparteitag der SPD in Dresden standen viele der früheren Errungenschaften und Beschlüsse der rot-grünen Regierung, vor allem beim neu erstarkten linken Flügel, zur Disposition.

Besonders umstritten war die Rente mit 67, die wir Freien Demokraten übrigens auch immer kritisch bewertet haben. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass wir für die Herausforderungen der demografischen Entwicklung einen völlig anderen Lösungsansatz anbieten.

Für den neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bund, Frank-Walter Steinmeier, war jedoch klar, dass eine Rolle rückwärts in der Rentenpolitik unbedingt verhindert werden musste; denn das hätte zum endgültigen Gesichtsverlust der Partei geführt. Zugleich musste man dem linken Flügel irgendetwas anbieten, das halbwegs nach sozialer Gerechtigkeit klingt.

Da kam erneut die Altersteilzeit aus dem Hut, auch in Form eines Gesetzentwurfs der SPDBundestagsfraktion. Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Rente mit 67 gerade für traditionelle Wähler der SPD erträglicher wird, wenn die Hintertür der Altersteilzeit offen bleibt. Gemeint sind diejenigen, die es im Leben nicht leicht haben, die körperlich hart arbeiten müssen, die häufig auch noch im Schichtdienst oder bei Wind und Wetter unterwegs sind, denen es beim besten Willen nicht möglich ist, so etwas 45 Jahre lang oder noch länger durchzuhalten.

Daher klingt es zunächst plausibel, dieser Gruppe von Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang in die Rente – nichts anderes suggeriert der Begriff – zu ermöglichen.