Protokoll der Sitzung vom 03.12.2009

Deshalb ist es begrüßenswert, dass die Landesregierung bereits zum jetzigen Zeitpunkt aktiv wird. Vor allem die älteren und immobilen Bürger wären von einer Unterversorgung massiv betroffen. Vor diesem Hintergrund können Hausärzte, die sich im Münsterland, in Ostwestfalen, im Sauer- und Siegerland, am Niederrhein, aber auch in den südlichen Regionen, ob im Rhein-Sieg-Kreis oder in der Eifel, niederlassen, eine Landesförderung in Höhe von 50.000 € beantragen. Das Programm ist für insgesamt 107 Kommunen in Nordrhein-Westfalen geplant. Erfreulich ist, dass sich bereits zahlreiche Interessenten gemeldet haben. Für 2010 sollen 1,5 Millionen € an Barmitteln zur Verfügung stehen.

Im Mittelpunkt des Engagements der Landesregierung im Bereich der Psychiatrie steht die Vernetzung der gemeindenahen Hilfen. Es ist außerdem darauf zu achten, dass die komplementären Hilfen entsprechend an die Bedürfnisse von psychisch kranken Menschen angepasst werden. Das ist uns auch im nächsten Jahr über 300.000 € wert.

Ich möchte an dieser Stelle auf den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur Versorgungsforschung verweisen. 100.000 € sollen dazu verwendet werden, die Qualität der Versorgung in offenen und geschlossenen Abteilungen der stationären Psychiatrie zu untersuchen. Es geht uns nicht darum, Unterschiede herauszuarbeiten, sondern danach zu fragen, welche Bedingungen dafür ausschlaggebend sind. Wir versprechen uns mehr Klarheit und Handlungssicherheit für alle Betroffenen und Beteiligten in dem Bereich.

Ein weiterer Schwerpunkt der Landespolitik ist die Krankenhausförderung. Mit der Baupauschale haben die Träger mehr Möglichkeiten, um eigenverantwortlich Schwerpunkte zu setzen. Langwie

rige Abstimmungen mit dem Land sind nicht mehr nötig. Zu diesem Zweck können 2010 bereits über 162 Millionen € bereitgestellt werden.

Dazu kommt die noch nicht völlig abgeschlossene Ausfinanzierung der alten Verpflichtungsermächtigungen. Auch 2010 arbeiten wir noch rot-grüne Altlasten ab. Das ist ein Phänomen, das ein Parlament eigentlich bedenklich stimmen sollte. Insgesamt stehen für die baulichen Investitionen 190 Millionen € bereit.

Ein besonderes Zeichen für die Zukunftsorientierung der NRW-Gesundheitspolitik ist der Gesundheitscampus in Bochum. Das Strategiezentrum, dessen Aufgabe die Steuerung aller Initiativen und Institutionen ist, hat seine Arbeit im Juni aufgenommen. Das Ziel des Campus besteht darin, durch die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen im Bereich der gesundheitlichen Forschung, Versorgung und Bildung die Qualität wie auch die Angebotsvielfalt in Nordrhein-Westfalen – orientiert an den Bedarfen – zu erhöhen. Aus dem Gesundheitsetat werden zum Aufbau des Gesundheitscampus im kommenden Jahr zusätzlich 1,4 Millionen € für eine gute Ausstattung mit Personal und Sachmitteln zur Verfügung gestellt.

Auch in der pflegerischen Versorgung setzt die Landesregierung im kommenden Jahr wieder Akzente. Dabei spielen nicht nur die Bedürfnisse der unmittelbar Betroffenen eine Rolle, sondern auch die der betreuenden und pflegenden Angehörigen. Diese benötigen weiterhin unsere Unterstützung. Die Modellprojekte zur Förderung von Versorgungsangeboten für demenziell erkrankte Menschen erhalten wie bisher Haushaltsmittel in Höhe von 1,5 Millionen €.

Im Zentrum der nordrhein-westfälischen Sozialpolitik stehen außerdem Angebote, unterstützende Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen. Das zeigt sich daran, dass die Mittel in der gleichen Höhe geblieben sind. Zum erfolgreichen Programm „Teilhabe für alle“ sind neue Projekte hinzugekommen, sodass sich die Zahl auf 59 erhöht hat.

Der Förderansatz für die Bereiche Arbeit, Bildung und Familie, aber eben auch für behindertengerechte Wohnformen sowie für den Abbau von Barrieren beträgt rund 186 Millionen €. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft werden auch in den kommenden Jahren immer mehr Menschen von einer spät erworbenen Behinderung betroffen sein. Eine Politik der Verantwortung bedeutet, die Weichen so zu stellen, dass alle Bürger in Nordrhein-Westfalen in gleicher Weise die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Um diesen Ansatz glaubwürdig und zielstrebig zu verfolgen, wird im Rahmen des Programms „Teilhabe für alle“ auch das Gespräch vor Ort gesucht. Das ist aus meiner Sicht das richtige Signal für die Betroffenen, aber auch für diejenigen, die sich

ehrenamtlich oder professionell mit der Situation von Menschen mit Behinderungen auseinandersetzen.

Trotz der schwierigen Haushaltslage und der problematischen Wirtschaftslage bin ich zuversichtlich, dass all diese unterschiedlichen Aktivitäten im Gesundheits- und Sozialbereich auch 2010 Früchte tragen und das Land NRW und die Lebensbedingungen weiter lebenswerter machen werden. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Steffens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Laumann, wenn ich mir den Landeshaushalt anschaue, dann ist zwischen dem, was faktisch politisch in diesem Land passiert, und dem, was wir oft bei Veranstaltungen oder öffentlichen Auftritten an verbalsozialem Engagement von Ihnen hören, eine Riesenkluft. Das ist das Problem.

Die vielen Botschaften – wir wollen mehr Gerechtigkeit, wir wollen bessere soziale Verhältnisse für Kinder, es muss sich an dieser und jener Stelle etwas ändern – kommen wunderbar im Land an, jeder kann sie unterschreiben.

Nur: Wenn es darauf ankommt, tatsächlich faktisch etwas an der Lebenssituation der Menschen zu ändern, setzen sich sowohl in der Landesregierung als auch in der Bundesregierung andere Kräfte durch, die – das hat mein Kollege Priggen schon heute Morgen beim Wirtschaftsteil ausgeführt – Geschenke im Land verteilen, die Programme und Konzepte auflegen, die Steuergeschenke machen, die in eine komplett andere Richtung gehen. Dann ist das Geld für diejenigen, die es eigentlich brauchen, nämlich zum Beispiel die Kinder in Nordrhein-Westfalen, nicht da. Ich will es genau an diesem Beispiel deutlich machen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen gefordert, dass man klar macht, was eigentlich der Bedarf eines Kindes ist, damit es nicht in Armut lebt.

Sie haben – das rechne ich Ihnen auch hoch an – diese Kommission eingerichtet, die sich damit beschäftigt hat, das Ergebnis wie gefordert umgesetzt und wollten eine Bundesratsinitiative machen. Es war klar, dass wir für die Kinder einen eigenständigen Regelsatz brauchen. Wir brauchen einmalige Leistungen. Bildung muss für Kinder finanziert werden.

Geändert hat sich seit dieser Erkenntnis für die Kinder in Nordrhein-Westfalen nichts. Die Kinder bekommen keine Einmalleistung. Der Regelsatz ist nicht eigenständig berechnet. Es gibt auch keine

Bildungsfinanzierung. Noch nicht einmal mehr die Schulbücher werden flächendeckend finanziert.

Das meine ich, wenn ich sage, dass Sie verbal sozial sind und verkünden, dass die Kinder das brauchen. Faktisch schauen die Kinder in die Röhre. Überall im Land klatschen Menschen Ihren Forderungen und meinen, Sie würden etwas tun. Sie bekommen gar nicht mit, dass null Handeln angesagt ist. Das ist das Problem Ihrer Pseudosozialpolitik.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Weil es doch bei den Erzieherinnen und den Schulen ankommt, wird der Fonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ eingerichtet. Das ist für viele Kinder gut; es ist besser als gar nichts. Aber es reicht nicht, weil nicht alle Kinder, die eigentlich eine warme Mahlzeit brauchten, sie auch bekommen. Nach welchem Prinzip wird denn entschieden, dass dieses Kind ein warmes Essen bekommt und das andere Kind Kohldampf schieben muss?

(Zuruf von Gerd Stüttgen [SPD])

Das ist keine Gerechtigkeit. Deswegen müssen Sie den Fonds entweder so ausstatten, dass jedes Kind in Nordrhein-Westfalen, dass sie braucht, diese warme Mahlzeit bekommt, oder Sie machen sich auf nach Berlin und setzen in Ihrer Koalition durch, dass die Kinder den Regelsatz bekommen, den sie brauchen, damit sie das Essen zu Hause bekommen können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich kann aber auch an anderen Stellen verdeutlichen, was eigentlich verbal und was Fakt ist. Kollege Killewald hat eben schon etwas zu Wohnungslosen gesagt. Nachdem die Menschen auf die Straße gegangen sind und nachdem die Wohnungslosen protestiert haben, haben doch sogar Sie gesagt: Wir packen das Geld wieder in den Haushalt. – Was ist passiert? Wir haben gefordert, dass das Geld in Ihren Haushalt kommt. Denn ich glaube, Sie hätten damit wenigstens etwas umgesetzt.

Was hat Kollege Laschet gemacht? Er hat es ausgesessen. Jetzt, seit dem 27. November, gibt es Richtlinien. Bisher ist von dem Geld, von dem Sie mit uns gemeinsam gefordert haben, dass es wieder in den Haushalt kommt, nichts verausgabt worden. Nichts ist umgesetzt worden. Die Wohnungslosenmodelle und -programme sind nicht gelaufen. Es ist kein einziges neues Projekt an den Start gegangen. Das ist

(Norbert Killewald [SPD]: Schockierend!)

sozial, verbal, radikal. Aber faktisch passiert in diesem Land nichts.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist ja nicht nur bei den Wohnungslosen so, dass Sie Standards, Maßnahmen und Sachen, die wir

unter Rot-Grün gemacht haben, zurückgefahren haben. Wir können auch über den Bereich Kommunalisierung von Aids-, Drogen- und Suchthilfe reden, über den wir gerne immer wieder streiten. In den Redebeiträgen der Koalitionsfraktionen kommen wieder die Ansagen: Es ist alles super. Es ist genauso viel Geld da wie in der Vergangenheit.

Das ist faktisch nicht so. Natürlich ist Geld in der Drogen- und Suchthilfe gestrichen worden, nämlich 28 %. Faktisch ist das vor Ort in vielen Kommunen nicht bei den Beratungsstrukturen angekommen, die wir in der Vergangenheit hatten. Es finden doch jetzt schon Verlagerungen statt. Denn Sie wissen doch, wie klamm Sie die Kommunen gemacht haben.

(Beifall von der SPD)

Sie haben ihnen das Geld an vielen Stellen weggenommen. Sie finanzieren nicht mehr die Projekte, die sie in der Vergangenheit finanziert haben. Es ist doch sogar in Ihrem Kreis so, dass Umschichtungen stattfinden. Dann gibt es keine Präventionsmaßnahmen mehr. Anschließend wundern Sie sich, wenn es weniger Prävention in der Sucht- und Drogenpolitik und plötzlich mehr Leute gibt, die in bestimmten Bereichen abhängig sind. Dann gucken Sie ganz erstaunt und sagen: Das ist aber ein Problem, an dem man etwas ändern muss.

Nein, Sie fahren die Prävention herunter. Sie fahren die Landeskonzepte herunter. Vor allen Dingen haben Sie in Nordrhein-Westfalen eine geschlechterdifferenzierte Drogen- und Suchtpolitik plattgemacht. Die gibt es bei Ihnen nicht mehr, weil der Minister sagt: Gender haben wir doch gehabt. Das ist fertig. – Es ist nicht fertig. Jede Drogen- und Suchtkonzeption muss man geschlechterspezifisch aufbauen, damit man beide Zielgruppen erreicht und nicht Maßnahmen anbietet, die keinen erreichen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Bei der Aidshilfe ist es dasselbe: Sie kommunalisieren. Kommunalisierung bedeutet, dass das Geld einmal mit der Gießkanne über das Land verteilt wird, dass Beratungsstellen zumachen werden, dass zum Teil die Kommunen die Beratung übernehmen, weil man dann ein bisschen Geld gespart hat. Wir werden nicht mehr das Angebot haben, was wir bisher in diesem Land hatten. NordrheinWestfalen war verdammt gut an dieser Stelle. Sie machen das kaputt. Sie gehen damit das Risiko ein, dass die Aidsprävention in Nordrhein-Westfalen zurückgeht und damit die Infektionszahlen wieder steigen.

Wir haben aber auch in anderen Bereichen große Defizite. Kollege Henke ist in den Bundestag gewechselt, damit er hier nicht mehr das Elend ertragen muss, dass das, was er im Landtagswahlkampf immer gefordert hat,

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

nämlich eine ausreichende und grundlegende Krankenhausfinanzierung, nicht umgesetzt wird, sondern Sie das genaue Gegenteil davon gemacht haben. Jetzt ist er im Bund und wird für seine Positionen streiten und kämpfen und dort genauso den Frust bekommen wie hier im Landtag mit der Politik, die Sie bei der Krankenhausfinanzierung gemacht haben.

Frau Monheim, Sie sagen: Das finden alle gut. – Nein, das finden die meisten Krankenhausträger nicht gut, weil man mit der Pauschalierung in dieser Höhe, wie Sie sie auszahlen, nicht die notwendigen Kredite bekommt und nicht die notwendigen Investitionen tätigen kann.

(Widerspruch von Dr. Stefan Berger [CDU])

Diejenigen, die viele Krankenhäuser haben, können das durch Bündeln erreichen. Aber die Krankenhausträger, die Einzelhäuser oder weniger Häuser haben, können das auf dieser Grundlage nicht. Wenn Sie diese Pauschale für richtig halten, müssen Sie sie anders ausstatten, sodass man damit auch die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen durchführen kann. Gehen Sie doch mal in die Krankenhäuser, statt hier herumzumeckern, und reden Sie mit den Leuten! Dann werden Sie sehen, dass das stimmt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Wider- spruch von der CDU)

Wir machen das. Ich habe in der letzten Zeit genug Krankenhäuser aufgesucht und mit genug Krankenhausträgern geredet. Aber bei Ihnen gilt ja seit Langem immer das Prinzip: Augen und Ohren zu und immer denselben Kram reden, den Sie schon immer geredet haben.

Auf einen letzten Punkt möchte ich noch eingehen. Das Wohn- und Teilhabegesetz haben Sie eben wieder groß gepriesen. Ich halte es nach wie vor an vielen Stellen für einen Schritt in die falsche Richtung. Der Kollege Killewald hat eben deutlich gesagt, wie viele Defizite mittlerweile mit der Umsetzung verbunden sind. Wir hatten Ihnen vorhergesagt, dass das so nicht funktionieren wird.

Bei der Pflege wäre es notwendig – das hat Ihnen die Enquetekommission ins Stammbuch geschrieben –, neue Wohnformen zu fördern und zu konzipieren, neue Modelle und ambulante Versorgungsstrukturen einzurichten. Das alles passiert nicht. Stattdessen werden Sie auch noch die beiden Regionalstellen reduzieren. Nur eine der Regionalstellen wird wahrscheinlich perspektivisch in Ihrem Pflegestützpunkt aufgehen. Das heißt, auch an dieser Stelle fahren Sie mit dem Zug in die falsche Richtung.

Im Haushalt steht jetzt noch gar nichts zur Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen; diesbezüglich werden wir Ihnen im

nächsten Jahr bis zur Landtagswahl noch intensiv auf die Finger schauen, denn ich habe von Ihnen noch nichts dazu gehört, wie sie wirklich umgesetzt werden soll. Die Arbeitsgruppe werden Sie auf den Weg bringen. Aber ob die Menschen mit Behinderungen entsprechend der UN-Konvention an diesem Prozess schon in der Struktur beteiligt werden – dahinter setze ich noch ein Fragezeichen. Ich würde es mir wünschen. Das ist, wie gesagt, jetzt noch nicht haushaltsrelevant, sondern wird erst beim nächsten Haushalt relevant. Ich hoffe, dass Sie den nicht aufstellen werden.