Meine Damen und Herren, mit diesen Tatarenmeldungen, die wir heute wieder lesen, wird ein Popanz aufgebaut.
Bereits die Schuldenbremse im Grundgesetz bindet die Länder. Die Landesregierung hat klar erklärt, dass sie zur Konsolidierung des Haushalts in erster Linie eine Wachstumsstrategie verfolgt. Von den wachstumsbedingten Mehreinnahmen werden auch die Kommunen profitieren.
Im Übrigen werden wir, meine Damen und Herren, mit den Kommunen die Finanzprobleme gemeinsam diskutieren und auch zu gemeinsamen Lösungen kommen.
Ich lade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, daher hier und heute ein, den mit diesem Gesetzentwurf eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung gemeinsam mit uns zu gehen. Unabhängig von den sonstigen politischen Differenzen sind sich alle Beteiligten über die überragende Bedeutung der Haushaltskonsolidierung einig. Dies ist auch durch das Abstimmungsverhalten im Bund eindrucksvoll dokumentiert worden. Was Herr Steinbrück im Bund vorgemacht hat, kann doch für Nordrhein-Westfalen so falsch nicht sein.
Wir sollten daher in der Lage sein, diesen Gesetzentwurf mit einer breiten Mehrheit auszustatten. Ich bitte daher nachdrücklich um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Linssen. – Bevor ich dem Kollegen Töns für die Fraktion der SPD das Wort gebe, weise ich darauf hin, dass die Landesregierung ihre verabredete Zeit zur Einbringung um 9 Minuten und 34 Sekunden überzogen hat.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Man muss dem Minister zugutehalten, dass das vielleicht seine Abschiedsrede war; deshalb ist es auch in Ordnung, wenn er einmal 10 Minuten überzieht.
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister Dr. Linssen, Sie legen einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung vor, der eine Neufassung des Art. 83 der Landesverfassung vorsieht. Diese Neufassung umfasst nur drei Aussagen, die ich kurz erläutern möchte:
Erstens gilt diese Neuregelung bis zum Jahr 2019 nicht. Zweitens sind die jährlichen Haushalte so aufzustellen, dass die Vorgaben des Grundgesetzes im Jahr 2020 erfüllt sind. Drittens werden ab dem Jahr 2020 bestimmte Regelungen des Grundgesetzes Bestandteil unserer Landesverfassung; das Nähere wird durch Gesetz geregelt. – Das war es auch schon, Herr Minister.
Oder, Herr Linssen, sollte ich eher fragen: Ist das alles? Kommt da noch mehr? – Damit niemand den dünnen Regelungsinhalt des neuen Art. 83 der Landesverfassung beanstandet, sieht die Änderungsvorlage der Landesregierung einen Verweis auf noch ausstehende konkrete, unabwendbare Regelungen vor. Diese aber kennt noch niemand.
Das ist für die parlamentarische Beratung einer bedeutsamen Verfassungsänderung völlig unzulänglich. Ein Parlament, das einen solchen Verfassungstext ohne Kenntnis des Inhaltes der Ausführungsgesetze beschließt, würde seine Augen verschließen und seine Aufgabe verletzen.
Herr Minister, Sie erinnern mich nicht nur mit Blick auf diesen Fall, sondern auch auf den von Ihnen vorgelegten Haushaltsentwurf 2010 an die Karikatur eines blinden Nachtwächters in einem Porzellanladen, der Tennis spielt. Deshalb ist es aus meiner Sicht unzweifelhaft, dass eine Landesregierung, die einen solchen nackten Entwurf vorlegt, in Wirklichkeit eine Vernebelungsaktion und Unangenehmes plant; es geht darum, die Tatsachen und Wirkungen der vorgeschlagenen Schuldenbremse zu verschleiern. Legen Sie doch die Entwürfe für die Begleitgesetze vor, damit man eine ehrliche Diskussion führen kann.
Die SPD ist sich ihrer Verantwortung für zukünftige Generationen bewusst. Wir fordern eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik für NordrheinWestfalen. Damit das völlig klar ist: Auch wir wollen die Umsetzung der Grundgesetzänderung in Landesrecht. Aber wir wollen wissen, welche Auswirkungen das zukünftige Haushaltsrecht hat.
Auf dem Deckblatt des Gesetzentwurfes steht unter „F Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände“ das kleine Wort „Keine“. Ich will das noch einmal wiederholen: keine Auswirkungen auf die Kommunen und deren Finanzlage. – Das ist wirklich sehr dünn, Herr Minister. So geht das nicht bei einem Gesetzentwurf. Da müssen Sie schon etwas mehr liefern!
Das sollen wir und die Kommunen in diesem Land Ihnen dann auch noch glauben. Die Kommunen haben einen unglaublichen Raubzug durch ihre Kassen erlebt. Sie und der Innenminister haben den Städten und Gemeinden 3,3 Milliarden € vorenthalten. Sie haben Ihnen neue Aufgaben aufgebürdet und sie mit Mehrkosten sitzen lassen. Ihnen sollen die Städte und Gemeinden den Hinweis, dass ihnen keine Kosten entstünden, einfach so glauben, ohne dass es dazu Fakten gibt? Das halte ich für ziemlich abenteuerlich, Herr Minister.
Ein ehrlicher Kaufmann sieht anders aus, Herr Linssen. Ein ehrlicher Finanzminister hat auch darzulegen, welche Verpflichtungen in Zukunft, wenn die Gestaltungsfähigkeit von außen begrenzt wird, auf den Landeshaushalt zukommen. Denn nicht nur Abs. 3 des Art. 109 des Grundgesetzes enthält Vorgaben für den Haushaltsgesetzgeber, sondern auch – das verschweigt die Landesregierung übrigens in diesem Gesetzentwurf – Art. 109 Abs. 2 Grundgesetz, den ich zitieren möchte:
Bund und Länder erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und tragen in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung.
Ich halte noch einmal fest: Erstens ist es ein sehr dünner Gesetzentwurf ohne entsprechende Begleitgesetze. Zweitens sind die Auswirkungen auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen völlig ungeklärt. Drittens werden die Verpflichtungen des Landes aus dem EU-Vertrag ausgeblendet.
Ein ehrlicher Kaufmann, ein ehrlicher Finanzminister legt einen ehrlichen Gesetzentwurf vor. Das ist mit diesem Gesetzentwurf aber nicht geschehen. Ich bin gespannt, ob die Landesregierung, ob Sie, Herr Minister Linssen, die Nebelkerzen ausmachen und endlich mit offenen Karten spielen. – Ein herzliches Glück auf!
Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Als nächster Redner hat nun Herr Abgeordneter Weisbrich für die Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Weisbrich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Töns, Sie kennen sicherlich das Sprichwort, dass man bisweilen den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Bei Ihrer kleinkarierten Kritik am Gesetzentwurf habe ich das Gefühl, dass Sie den Blick auf das große Ganze verloren haben.
Herr Töns, Sie fragen, was auf die Haushalte an Verpflichtungen zukommt. Das ist doch kein Ausgabengesetz. An Verpflichtung kommt auf die Haushalte zu, keine Schulden mehr zu machen. Das ist der Punkt. Es sind doch keine Ausgaben, die auf die
Sie meinen, man könnte heute schon alle zukünftigen Auswirkungen erkennen und der Minister sollte darüber eine Aufstellung machen. – Lieber Gott, er hat doch keine Glaskugel, aus der er die Zukunft genau ablesen kann.
Sie haben versucht, das sehr kleinteilig zu zerrupfen. Lassen Sie uns doch einmal einen Blick auf das Ganze werfen. Um was geht es überhaupt? – Meine Damen und Herren, noch niemals in der Geschichte haben die Menschen in Deutschland mehr und höhere Steuern als heute gezahlt. Aber noch nie wurden die Staatskassen auch schneller geleert als heute. Es hat den Anschein, als seien die Steuerzahler dazu verurteilt, ein Fass ohne Boden zu füllen.
Meine Damen und Herren, die offen ausgewiesenen Staatsschulden der Bundesrepublik stehen derzeit bei rund 1,7 Billionen €. Alleine die Schulden des Landes Nordrhein-Westfalen – der Finanzminister hat sie skizziert – betragen im Augenblick rund 120 Milliarden €. Meine Damen und Herren, hinzu kommt ein noch höherer Betrag an verdeckten Schulden, beispielsweise der Gegenwert von Pensions- und Rentenansprüchen.
Dennoch sind die sozialen Sicherungssysteme bei mittel- und langfristiger Betrachtungsweise hoffnungslos unterfinanziert. Wir haben zwar riesige Schulden, kommen aber trotzdem mit unseren Sozialaufgaben nicht klar. Gleiches gilt für den Bildungssektor und die Finanzausstattung der Kommunen.
Meine Damen und Herren, angesichts dessen muss ich fragen: Wie ist das überhaupt möglich? Wie kann es sein, dass auf der einen Seite Rekordsteuereinnahmen verzeichnet werden, auf der anderen Seite das Geld aber an allen Ecken und Enden nicht ausreicht? – Meine Damen und Herren, das ist nur deswegen möglich, weil der Staat insbesondere in diesem Bundesland seit Jahrzehnten, praktisch seit Gründung der Bundesrepublik, den Menschen mehr versprochen hat, als er mit den erzielbaren Steuereinnahmen überhaupt leisten kann. Das müssen wir uns einmal vor Augen führen: Wir versprechen ständig mehr, als wir mit den erzielbaren Steuereinnahmen leisten können.