Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10378

Ich eröffne die Beratung. – Das Wort hat Herr Schmeltzer für die SPD-Fraktion. Fünf Minuten!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich versuche, weniger

als fünf Minuten zu reden. Das Ladenöffnungsgesetz ist ein Thema, das uns alle Monate wieder beschäftigt. Diesmal ist die Grundlage das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Berliner Ladenöffnungsgesetz.

Ich sage vorweg: Natürlich haben wir nicht die Problematik, die die Berliner mit den Adventssonntagen hatten, aber wir haben auch in unserem Ladenöffnungsgesetz in Nordrhein-Westfalen spezifische Ausnahmeregelungen. Wir sprechen von vier Sonn- und Feiertagen, an denen geöffnet werden darf.

Zudem haben wir in unserem Ladenöffnungsgesetz sehr wohl die Klausel, dass dies bezirks- und ortsteilbezogen stattfinden kann. Ich erinnere an die Kleine Anfrage des Kollegen Wolfram Kuschke aus dem Jahre 2007. Es stellte sich heraus, dass wir immerhin in der Stadt Köln von 63 geöffneten Sonntagen im Jahr sprechen konnten.

Ich sage gleich dazu: Die Kölner Politik hat sich zwischenzeitlich eines wesentlich Besseren belehren lassen. Das liegt unter anderem auch daran – das ist bei einigen Kolleginnen und Kollegen in der Koalition noch nicht angekommen –, dass sich die Kirchen aus der Konsensrunde dort verabschiedet haben. Ich habe leider in der letzten Woche im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales feststellen müssen, dass dies noch nicht angekommen ist. Die Kölner Politik ist auf einem Weg und zieht ihn auch durch, die verkaufsoffenen Sonntage drastisch zu reduzieren. Die Kölner begründen das unter anderem damit, dass sie sehr wohl die Argumentationen der Beschäftigten und der Kirchen im Auge haben.

Leider ist es immer noch so, dass der Einkauf an Sonntagen gerade in den größeren Städten mittlerweile die Regel wird. Frau Ministerin Thoben wird gleich wohl daran erinnern, dass es auch im Ladenschlussgesetz schon einmal eine ähnliche Regelung gegeben hat. Ich sage ganz deutlich: Das steht dem Wildwuchs von verkaufsoffenen Sonntagen, wie wir ihn immer mehr erleben, nicht entgegen. Deswegen müssen wir dort auch tätig werden.

(Beifall von Wolfram Kuschke [SPD])

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt dies auch mit Blick auf den verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zur seelischen Erhebung an Sonn- und Feiertagen. Auch Ministerpräsident Rüttgers ist in seiner Bewertung dieses Urteils darauf eingegangen. Unter anderem sagte er – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Nicht alle Bereiche unseres Lebens dürfen unter rein geschäftlichen Gesichtspunkten gesehen werden.

Da hat er Recht. Nichts anderes stellt nämlich dieser verkaufsoffene Sonntag dar, insbesondere wenn man sieht, dass es in Köln durch den Einzelhandelsverband Aachen/Düren/Köln einen Antrag

gegeben hat, direkt nach dem zweiten Weihnachtsfeiertag, am 27.12., also übernächste Woche Sonntag, sofort wieder die Geschäfte zu öffnen. Das hat der Rat sehr weitsinnig und sehr klug abgelehnt.

Leider ist es auch in der Region, aus der ich komme, so, dass der Rat der Stadt Unna morgen über einen Antrag des City-Werbe-Rings entscheiden soll, ob am 27.12., also einen Tag nach Weihnachten, direkt geöffnet werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist schon ein Stück weit pervers, unabhängig von der Argumentation, dass der Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Was passiert denn einen Tag nach Weihnachten? Da werden Gutscheine eingetauscht, da wird Papas Krawatte umgetauscht. Das sind unzweifelhaft Dinge, die auch ab dem 28.12. unbegrenzt möglich sein sollten.

Bezüglich der Anlässe wird es irgendwann einmal so sein, dass die City-Ringe und die Werbe-Ringe, die wir alle in den Städten haben, demnächst noch einen weiteren verkaufsoffenen Sonntag aufgrund des Bestehens des zehnjährigen verkaufsoffenen Sonntags in der Stadt fordern.

Ruhe und Besinnung hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes deutlich hervorgehoben. Das war in seiner Stellungnahme zu lesen. Ich denke, Teilhabe an dieser Ruhe und Besinnung müssen auch die über 300.000 Beschäftigten im nordrhein-westfälischen Einzelhandel haben. In der Tat ist es so, dass das mittlerweile überschwappt auf die Einzelhändler. Denn viele Einzelhändler machen bei diesen verkaufsoffenen Sonntagen nur sehr widerwillig mit, um dann am Montag vor leeren Geschäften zu stehen und dann letztendlich nicht mehr in der Kasse zu haben, sondern aufgrund der erhöhten Kosten am Sonntag letztendlich weniger.

Ruhe und Besinnung gehen – das ist für uns ganz deutlich – vor Kommerz. Deswegen sind die Beschlusspunkte, die wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen formuliert haben, einen detaillierten Bericht über den IstStand vorzulegen, Auswirkungen aus dem Urteil für Nordrhein-Westfalen an die Kommunen weiterzugeben und gemäß dem Urteil einer dort formulierten Ausnahmeregelung Rechnung zu tragen, Punkte, die sogar die Koalition mittragen kann. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Frau Steffens von den Grünen hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir brauchen nicht erneut eine grundsätzliche Diskussion über das Ladenöffnungsgesetz in NRW zu führen.

Denn wir wissen, wir werden die Zeit an der Stelle nicht zurückdrehen können, auch wenn viele weitere Probleme damit verbunden sind und die Samstagabendöffnung bis 22 Uhr auch eine Einschränkung des Wochenendes und der Ruhe am Wochenende bedeutet.

Man muss wirklich überlegen: Was ist eigentlich das, was uns das Bundesverfassungsgericht – und damit nicht nur für Berlin, sondern für uns alle – ins Stammbuch geschrieben hat? In der Begründung stehen die Botschaften, welche Bedeutung der Sonntag für das gesellschaftliche Leben und das familiäre Zusammenleben hat und welche Bedeutung dem Sonntag nicht nur im kirchlichen Sinne, sondern auch im Sinne von Innehalten in der Gesellschaft und soziale Kontakte leben zu können, zukommt.

Wenn wir das mit dem abgleichen, was wir im Moment in Nordrhein-Westfalen haben – da brauche ich nicht alles zu wiederholen, was Kollege Schmeltzer gesagt hat –, dann ist das aus meiner Sicht nicht ganz kompatibel.

Wir werden die Sonntagsöffnungen nicht komplett verbieten. Das wollen weder wir noch werden Sie das machen. Aber man muss sich doch überlegen, welche Dimensionen die Sonntagsöffnungen haben. – Früher gab es auch Sonntagsöffnungen. Früher musste man noch einen Anlass nachweisen können. Das muss man laut Gesetz nicht mehr. Man kann das zwar begründen, aber den Anlass eines Ereignisses, den man früher haben musste, muss man heute nicht mehr haben. Man kann es sich als Kommune jetzt noch leichter machen, zu begründen, warum man sonntags öffnen will.

Aber diese Ausweitung des Sonntags, dass wir zum Teil in manchen Kommunen in einem Stadtteil an einem Sonntag, im nächsten Stadtteil am nächsten Sonntag und am dritten Sonntag im dritten Stadtteil öffnen, das ist doch ein Problem. Gerade wenn in einer Familie alle in diesem Bereich beschäftigt sind, arbeitet am ersten Sonntag der Vater, am zweiten Sonntag die Mutter und am dritten Sonntag die Oma. Wann kann da noch Familienleben stattfinden?

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, dass das an Ihnen völlig vorbeigeht, das ist mir klar. Sie wollen sonntags noch Waschstraßen, Videotheken und alles andere öffnen. Dass Sie kein Gefühl für Familienleben, für soziale und gesellschaftliche Kontakte haben, ist mir klar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber das Bundesverfassungsgericht hat es in dem Urteil nicht nur für den Bereich erwähnt, sondern beschreibt ganz deutlich, welche wichtige Bedeutung der Sonntag und die Sonntagsruhe auch für

die Demokratie haben. Von daher würde ich an der Stelle zumindest an die vernünftigen und auch der Argumentation des Verfassungsgerichts zugänglichen Koalitionsfraktionsmitglieder appellieren,

(Dietmar Brockes [FDP]: Haben wir doch!)

dass sie noch einmal in sich gehen, um an der Stelle eine Einschränkung für diese Sonntagsöffnungen zu machen, wie wir sie im Moment haben, damit Nordrhein-Westfalen nicht erst bei einem solchen Gang der Kirchen vor das Verfassungsgericht nachgeben muss.

(Dietmar Brockes [FDP]: Gehen Sie doch! Bitte!)

Ich denke, dass die Kirchen sehr wohl die Konsequenzen aus diesem Urteil ziehen und sich an der Stelle nicht mehr alles – weder von Ihnen noch von irgendwelchen anderen Landesregierungen – gefallen lassen werden. Wenn Sie, Herr Brockes, das lustig finden, dann werden wir ja sehen, dass sich die Kirchen dazu wahrscheinlich klar und deutlich verhalten werden. Das werden sie im Interesse der Menschen in Nordrhein-Westfalen tun. – Die Interessen der Menschen in Nordrhein-Westfalen vertreten Sie nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Aber Sie!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Frau von Boeselager von der CDU-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Auch wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Ladenschlussgesetz.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU])

Ich denke, in der heutigen Zeit – ich möchte betonen, gerade in dieser hektischen Zeit; wir erleben es in dieser vorweihnachtlichen, besinnlichen Zeit besonders – ist es selbstverständlich und wichtig, dass wir auch Ruheräume haben.

Herr Schmeltzer, wo der Ministerpräsident Recht hat, hat er Recht. Das haben selbst Sie betont.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das kommt ja nicht oft vor!)

Er hat ausdrücklich klargestellt, dass es für ihn sehr wichtig ist. Natürlich verstehen auch wir die Situation der Kirchen. Das ist auch richtig. Es ist unser Anliegen, dass wir heute darauf achten.

Aber unser Gesetz in Nordrhein-Westfalen ist von seiner Aussage her ganz klar. Das wird die Ministerin gleich bestimmt deutlich machen. Wir haben nur vier Sonntage im Jahr, wo wir das zulassen. Wir haben in unserem Gesetz ausdrücklich fest

gehalten, dass es an den Adventssonntagen nur einmal möglich ist, sonntags für fünf Stunden zu öffnen. Das ist bei uns ganz klar so festgelegt.

Es liegt in der Selbstständigkeit der Kommunen, dass sie natürlich festlegen können, wann sie nun ihre Öffnungszeiten machen wollen. Es sind oft besondere Gegebenheiten vor Ort, wo man diese Öffnungszeiten wahrnimmt. Für Köln ist es erstaunlich, dass man da ganz besonders findig ist. Ich bin sicher, dass die Ministerin abklären wird, wie diese Praktiken vor Ort tatsächlich ablaufen, und wir – das ist so im Hauptausschuss intensiv diskutiert worden – Informationen einfordern, wie die Praktiken vor Ort sind, und es zur Diskussion aufgreifen. Insofern ist aus unserer Sicht heute keine Aufregung notwendig.

Natürlich verstehen wir auch nicht, dass man zum Jahresende in Unna – wie das in der Presse zu lesen war – gleich wieder den nächsten offenen Sonntag darstellen will. Das ist schon sehr fragwürdig. Das müssen wir auch so sehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Lässt Ihr Gesetz aber zu!)

Ja, natürlich. Wenn man vier Mal im Jahr öffnen kann, dann kann man selbst das bestimmen. Ich möchte aber festhalten, dass man in der Adventszeit nur an einem Adventssonntag öffnen kann.

Wir wollen einfordern, wie die Praxis vor Ort ist, und es dann erneut diskutieren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin von Boeselager. – Herr Brockes für die FDP-Fraktion.