Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Hatten die beiden Verfahren wirklich nichts miteinander zu tun, wie Sie es darstellen, Frau MüllerPiepenkötter? – Ich denke, der klägliche Versuch, das der Öffentlichkeit heute noch zu verkaufen, ist gescheitert. Das sollten Sie auch gar nicht erst versuchen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Oder hier der Opposition vorzuwerfen, wir würden Vertraulichkeit nicht achten, oder uns Lügen vorzuwerfen: Wir beziehen uns auf das, was in der Zeitung steht, was durch Ihre Staatsanwaltschaft ver

öffentlicht wird. Dies wirft in der Tat zahlreiche Fragen auf.

Ich fasse zusammen. Ein Bediensteter, der bei einer Geldübergabe observiert wird und daher dringend verdächtig ist, sich als Schlepper zu betätigen, wird unbehelligt gelassen und im Hafthaus 1 beschäftigt – wie erläutert, in ebenjenem Bereich, in dem man auch an der Pforte aushilft, einer Pforte, die im Übrigen seit dem 8. Mai 2008 nur noch mit einem Beamten besetzt ist und nicht schon seit 2002, Frau Ministerin, wie Sie in einem Pressegespräch kurz nach dem Ausbruch noch behauptet haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Diese falsche Behauptung haben Sie bis heute nicht korrigiert, nicht öffentlich zurückgenommen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ein Sicherheitsrisiko, ein erhebliches und ein nicht beherrschbares, wurde hier also in Kauf genommen, um eventuell weitere Erkenntnisse über strafbare Handlungen zu gewinnen. Diese Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen, war im Nachhinein betrachtet falsch und hatte die bekannten fatalen Folgen. Das Ziel, die Bekämpfung von Drogenhandel, wurde über die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung gestellt. Diese Abwägung war falsch. Diese falsche Abwägung haben Sie als Tatsache bis heute nicht eingestanden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das aber erwarten wir von Ihnen hier und heute: dass Sie dies endlich einmal tun.

Sie verstecken sich hinter formaljuristischen Erklärungen. Das Totschlagargument lautet wie immer: Gefährdung des Ermittlungszwecks. Welchen Ermittlungszweck galt es denn zu schützen, dass Sie die beobachtete Geldübergabe des inzwischen verhafteten mutmaßlichen Fluchthelfers der Öffentlichkeit nicht mitteilten? Ihr Staatsanwalt war da wohl ganz anderer Auffassung, als er genau dies wenige Tage nach der vertraulichen Sitzung öffentlich bestätigte.

Frau Ministerin, nachdem Ihr Ablenkungsmanöver nunmehr gescheitert ist, offenbaren Sie – um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen – Ihre unsägliche Unsensibilität – man kann das nur als einen Akt der Verzweiflung betrachten –, indem Sie diejenigen mundtot machen wollen, die die offenkundigen Missstände im Vollzug anprangern, nämlich Ihre eigenen Beschäftigten.

(Lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wie sonst, liebe Kolleginnen und Kollegen, soll die Sperrung des Zugangs zu „wdr.de“ als einzigem Nachrichtenportal auf Ihrem justizinternen Intranet zu verstehen sein?

(Marc Jan Eumann [SPD]: Nordkorea! – Wei- terer Zuruf: China!)

Und: Die Bediensteten erfahren dies erst – wie Bedienstete mir bestätigt haben – auf Nachfrage bei der IT-Abteilung. Massenhafte Hilferufe und artikulierte Frustrationen infolge Personalnot und Überstunden auch über Sicherheitsmängel kann man, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den offenen Foren auf dieser Seite nachlesen. Das war wohl etwas zu viel für Sie, Frau Ministerin. Ich fordere Sie heute noch einmal auf: Setzen Sie sich offensiv mit diesen Problemen auseinander! Stellen Sie sich an die Seite Ihrer Bediensteten! Nehmen Sie diese Rückmeldung über die Zustände in unseren Strafvollzugsanstalten endlich ernst! Mit einer chinesischen Lösung machen Sie alles nur noch schlimmer.

(Lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD] Frau Ministerin, ich habe gestern Abend um 23 Uhr noch einmal „wdr.de“ angeklickt. Es waren nach Ihrer Sperrung und nach dem Bericht über die Sper- rung vom Nachmittag bis zum Abend 270 Einträge zu verzeichnen – und zwar von privaten Computern aus –, in denen man sich über diese Maßnahme aufgeregt hat. Diese Meldungen sollten Sie viel- leicht auch einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall von GRÜNEN und SPD)

Denn seit wann ist es in einer Behörde in einem demokratischen Rechtsstaat eine dienstfremde Beschäftigung, wenn man sich als mündiger Beschäftigter um die Situation des Strafvollzugs sorgt und dies dann auch in dem Forum artikuliert? Machen Sie eine Politik mit und für Ihre Beschäftigten, nicht gegen sie, und beenden Sie dieses unwürdige Schauspiel!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Düker. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Giebels.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist heute die Fortsetzung des Geplänkels vor und nach der letzten Sondersitzung des Rechtsausschusses.

(Zurufe von der SPD)

Geplänkel, Herr Kollege Stotko. Natürlich!

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie Ver- harmloser! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ihr Gemaule jetzt zeigt doch auch, dass Sie gar nicht an den Fakten interessiert sind, sondern einfach nur skandalisieren wollen.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD)

In der Sondersitzung sind diese Fakten ganz klar aufgearbeitet worden.

(Frank Sichau [SPD]: Nebelkerze!)

In der Sondersitzung sind im öffentlichen Teil und im vertraulichen Teil die Fakten auch genannt worden. Danach sind die Fakten aus dem vertraulichen Teil Stück für Stück an die Öffentlichkeit gelangt. Aber das hier zum Vorwurf zu konstruieren, die Ministerin hätte die Öffentlichkeit nur scheibchenweise informiert, ist mehr als unredlich. Das wissen Sie sehr genau.

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Stimmt das nicht? – Wei- tere Zurufe von der SPD)

Ihnen ging es bereits in der Sondersitzung darum, einfach nur eine Stimmung zu erzeugen, in der man die Fakten gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen will.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Das war der Hintergrund. Das hat auch die dpa erkannt. In ihrer Meldung vom 4. Dezember schreibt sie wörtlich: „Da zieht Jäger es vor, die von ihm mit beantragte Sondersitzung vorzeitig zu verlassen, um seine Behauptungen lieber vor dem Saal und unwidersprochen vor Fernsehkameras zu wiederholen …“ – Zitat Ende.

(Beifall von der CDU)

Das ist Ihre Masche. Das wird hier ganz offen entlarvt.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die Fakten sich bekannt, sind herausgearbeitet worden. Wir haben sie während der Sondersitzung ja schon angesprochen, aber ich will das hier gerne noch einmal tun.

Wahrscheinlich passt es Ihnen nicht, aber wir können daran erinnern, dass zwischen 1990 und 1999, also in Ihrer Verantwortung als Regierung,

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

242 Gefangene ausgebrochen sind. Allein zwischen 2000 und 2005 sind 36 Gefangene ausgebrochen. Wo war denn da Ihre Empörung, liebe Kollegen der SPD?

(Beifall von CDU und FDP)

Nachdem 2006 kein Ausbruch stattgefunden hat, 2007 drei Ausbrüche, 2008 ein Ausbruch, war der Ausbruch der beiden hier genannten Gefangenen 2009 kurz vor Jahresende der erste.

(Thomas Stotko [SPD]: Wie viel waren es in 2004?)

Man muss auch einmal überlegen, wie sich die Fakten im Strafvollzug verändert haben. Wer hat denn in der letzten Legislaturperiode das Personal im Justizvollzug massiv reduziert? Waren Sie das?

(Lothar Hegemann [CDU]: Natürlich!)

SPD und Grüne haben das gemeinsam gemacht, Frau Düker. Das sollte man hier auch noch einmal in Erinnerung rufen.

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Was hat das aktuell mit dem Fall zu tun?)

Wer hat denn bereits 1998 ganz konkret beantragt, das Personal in der JVA Aachen drastisch zu reduzieren? Das waren auch Sie, die Fraktionen von SPD und Grünen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Im Gegensatz dazu haben wir im Justizvollzug 500 Stellen neu geschaffen. Die JVA Aachen ist personell genauso gut ausgestattet wie Anstalten mit vergleichbarer Klientel. Ich nenne hier Bochum und Werl. Auch die Pforte in Werl ist nicht anders besetzt als in Aachen, liebe Kollegen. Aber das wissen Sie auch ganz genau.