Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages zum 1. Dezember diesen Jahres ist die Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik noch einmal erheblich gestärkt worden.

Jetzt wird in aller Breite darüber geredet, wie der größte Bereich der EU-Subventionen verteilt wird, wie die Maßnahmen für die Entwicklung des ländlichen Raums vorangetrieben werden. Da Ihre Maßnahmen, nämlich Marktordnungsausgaben, Direktzahlungen, mehr und mehr infrage gestellt werden und immer weniger Akzeptanz bei den Steuerzahlern finden, müssen Sie den Menschen und landwirtschaftlichen Betrieben in Nordhrein-Westfalen aufzeigen, wohin die Reise geht.

Es ist doch schon heute erkennbar, dass es in der neuen Förderperiode der gemeinsamen Agrarpolitik, nämlich über 2013 hinaus, im Wesentlichen Geld für gemeinwohlorientierte Leistungen gibt. Damit die Landwirtschaft diesen neuen Aufgaben gerecht wird, braucht es doch eine verstärkte Umschichtung aus der ersten Säule des EUAgrarhaushalts in die zweite Säule.

Herr Ortgies, Sie haben hier immer wieder gesagt, dass Sie dagegen sind. Jetzt feiern Sie die Mehrausgaben für den Naturschutz. Die kommen aus der Modulation von der ersten in die zweite Säule. Jetzt lassen Sie sich dafür abfeiern, dass Sie dieses Geld jetzt haben.

(Beifall von der SPD – Minister Eckhard Uh- lenberg: Das muss kofinanziert werden!)

Ja, das muss kofinanziert werden. – Damit werden Umweltmaßnahmen und die Entwicklung des ländlichen Raums unterstützt. Dabei muss klar sein, dass die Gesellschaft auf diese Dienstleistungen der Landwirte im Naturschutz, in der Landschaftspflege angewiesen ist und bereit sein wird, dafür auch Steuergelder aufzuwenden.

Bezüglich der Neuausrichtung ist auch klar, dass sich die Erzeugung von Nahrungsmitteln an den Interessen der Verbraucher und Verbraucherinnen ausrichten muss. Dazu bedarf es deutlich mehr Anstrengungen im Bereich der Qualitätsoffensive, der Unterstützung des Bio-Anbaus und der Regionalvermarktung, und zwar mehr, als wir bisher in Nordrhein-Westfalen dafür tun.

Das CDU-Papier zur Entwicklung des ländlichen Raums wird der Situation und den Anforderungen in NRW nicht gerecht. Sie beschreibt darin einen ländlichen Raum, der den realen Gegebenheiten nicht entspricht. Die Folge ist, dass die Förderungen beliebig sind und stark landwirtschaftsorientiert bleiben.

Sie berufen sich ferner auf die Maßnahmen der Bundesregierung; aber auch da finde ich nichts zu den neuen Herausforderungen der EU-Agrarpolitik. Sie setzen auf die Erschließung neuer Märkte für Agrarprodukte, die im Übermaß vorhanden sind.

Aber statt die Exportoffensive zu starten, mit der die Welt mit deutschem Milchpulver beglückt wird, statt die Genkartoffel Amflora zuzulassen, die 80 % unserer Verbraucherinnen und Verbraucher ablehnen, sollte diese Regierung endlich einsehen, dass sich eine Politik zur Stärkung des ländlichen Raums daran messen lassen muss, dass erstens Arbeitsplätze geschaffen werden, zweitens die Umwelt erhalten und geschützt wird, drittens die Kulturlandschaft erhalten und gepflegt wird und viertens die Menschen in unserem Land hochwertige regionale Lebensmittel bekommen.

(Beifall von der SPD)

Wer wirklich eine Stärkung des ländlichen Raumes voranbringen will, der muss jetzt Rahmenbedingungen schaffen, mit denen wir eine nachhaltige Landwirtschaft fördern und mit der der Fokus verstärkt auf eine integrierte Entwicklung ländlicher Räume gelenkt wird, damit es nicht so sehr darauf ankommt, möglichst viel zusätzliches Geld in die Landwirtschaft zu lenken, sondern darauf, die kreativen Kräfte der ländlichen Bevölkerung zu stärken und zu fördern. Die vielen LEADER-Projekte hier im Land Nordrhein-Westfalen zeigen uns den Weg auf. Das ist richtig. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Watermann-Krass. – Für die CDU spricht nun die Kollegin Westerhorstmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Watermann-Krass, die EUAusgleichszahlungen zum Thema einer Aktuellen Stunde über ländliche Räume zu machen, halte ich doch für reichlich überzogen. Die besagten 68 Landwirte und die Großbetriebe, die Sie hierzu heranziehen, sind Arbeitgeber in der Region. Sie stellen Arbeitsplätze in der Region

(Beifall von der CDU)

und sind vor allen Dingen diejenigen, die in die Region investieren und dafür sorgen, dass das Geld den heimischen Handwerkern und Unternehmern zugute kommt und nicht auf Konten irgendwo in fernen Ländern oder sonst wo landet.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen lebt von der Vielfalt seiner Regionen. In ihrer Unterschiedlichkeit tragen sie zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen bei. Beide, ländliche Räume und Ballungszentren, gehören untrennbar zur Identität unseres Landes.

Was sind denn die ländlichen Räume? – Ich stimme völlig mit Ihnen überein, dass ländliche Räume nicht homogen sind. Sie sind so unterschiedlich wie nur irgendetwas, ebenso, wie es auch unsere Ballungsräume sind. Aber dann zu sagen, dass aus der Fläche heraus die Versorgungsämter und die Landesstraßenbauämter, Straßen.NRW, abgezogen werden – wo gab es denn mehr Nachholbedarf in Bezug auf die Straßen als gerade im ländlichen Raum?

(Bodo Wißen [SPD]: Warum machen Sie es nicht?)

Was haben Sie denn in all den vorangegangenen Jahren getan? Sie hätten doch in den Jahren, als die Straßenämter in der Nähe waren, dafür etwas tun können. Das war aber nicht der Fall.

(Bodo Wißen [SPD]: Ja, Sie schließen die Niederlassungen!)

Infolgedessen ist doch nicht einzig und allein die Niederlassung am Ort ausschlaggebend dafür, ob der ländliche Raum funktioniert.

(Zuruf von der SPD: Da muss selbst der Mi- nister lachen!)

Unsere Regionen haben alle ihre Stärken und alle ihre Schwächen.

Eines muss man vielleicht auch einmal festhalten: Wenn heute junge Menschen gut ausgebildet sind, dann gehen sie häufig in die städtischen Ballungsräume und entziehen damit dem ländlichen Raum auch Potenziale. Es ist schwierig genug, diese jungen Menschen wieder für die ländlichen Räume zu gewinnen, wozu wir auch entsprechende Arbeitsplätze vor Ort benötigen.

(André Stinka [SPD]: Nennen Sie einmal ein Beispiel!)

Wir von der CDU sind uns dieser Tatsache sehr bewusst, und wir haben uns bereits im Dezember 2007 mit einem eigenen Positionspapier dazu auf den Weg gemacht. Wir haben den Arbeitskreis Ländlicher Raum auf den Weg gebracht, und wir stellen uns diesen Zukunftsfragen. Sie sind im ländlichen Raum nicht weniger relevant als in den städtischen Metropolen Nordrhein-Westfalens. Immerhin leben 60 % unserer Bevölkerung außerhalb der Großstädte.

Klar ist, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen: Die Folgen des demografischen Wandels treffen abseits gelegene ländliche Räume sehr viel stärker und stellen sie vor große Herausforderungen. Dies erfordert insbesondere die Zusammenarbeit mit den Kommunen, die hier gerade angesprochen wurde, aber auch die Zusammenarbeit insbesondere mit den Vereinen und den Verbänden. An dieser Stelle sage ich es ganz deutlich: Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit den Landfrauen; ich habe langjährige Erfahrungen in diesem Verband.

Die Tatsache, dass wir uns seit vielen Jahren der Thematik stellen, wie wir ländliche Räume nach vorn entwickeln können und dass wir sie zukunftsfähig halten müssen, zeigt, dass dort das Zusammenspiel stimmig ist und wir dabei an einem Strang ziehen und gemeinsam versuchen, die Zukunft zu gestalten.

(Beifall von der CDU)

Deshalb sollte uns auch klar sein: Der ländliche Raum ist nicht nur ein Raum für Wohnen, Freizeit und Erholung. Er steht auch für Arbeit, für Bildung, für Wissenschaft und für Landwirtschaft. Bisher ging der Blick eben immer nur in Richtung der Ballungsräume.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Von wem denn? – Zuruf von der SPD: Quatsch! Unsinn!)

Wenn Sie vorhin beklagten, dass die Pkw-Maut kommen könnte, meine Herren, dann muss ich deutlich sagen: In der Vergangenheit war es so, dass der Wert, Arbeitsplätze einzurichten, immer nur in die Ballungsräume gelenkt wurde.

(Ursula Meurer [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! – Reinhard Jung [SPD]: Wo leben Sie denn?)

Es war dann für Betriebe immer schwierig, im ländlichen Raum ausreichend Fuß zu fassen.

(Ursula Meurer [SPD]:) Wo kennen Sie sich denn aus?)

Wir machen Schluss mit dieser Ungleichbehandlung, und uns ist es wichtig, dass ländliche Räume Chancenräume sind und auch ihre Potenziale nutzen können. Daher begrüße ich es ausdrücklich, wenn die Bundesregierung dieses Programm

„Ländlicher Raum“ auflegt; diese Unterstützung nehmen wir gerne an.

Der Strukturwandel führt nicht nur in der Landwirtschaft zu Veränderungen; auch unsere Dörfer im ländlichen Raum sind ihm in besonderem Maße unterworfen. Auch hier ist die Modernität eingezogen. Laut Allensbach glaubt immer noch die Hälfte der Bevölkerung an das idyllische Dorf mit dem kleinen Bauernhof wie im Bilderbuch.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Sie tragen doch zu dieser Debatte bei! – Reinhard Jung [SPD]: Sie suggerieren das auch!)

Indes ist die Realität heute eine andere. Es liegt letztendlich keinerlei Sinn darin, kleine und große Betriebe gegeneinander auszuspielen. Wir sind froh, wenn wir im Land leistungsstarke Betriebe haben.

(Andreas Becker [SPD]: Sehr großzügig!)

Sie können sowohl klein als auch groß sein. Infolgedessen ist das ein starker Wirtschaftspartner. Moderne Lebensformen sind längst eingezogen. Die ländlichen Räume sind moderne und auch attraktive Lebensräume.

(Reinhard Jung [SPD]: Das ist die Märche- nerzählerin!)

Sie bieten hochwertige Arbeitsplätze in Handwerk, Handel, Dienstleistung und Industrie, in der Landwirtschaft und eben auch in der Lebensmittelerzeugung. Auch die Mehrzahl der kleinen und mittleren Betriebe agiert in ländlichen Räumen, und wir sind alle miteinander gute Partner.

Darunter gibt es viele Betriebe, die sich auch im internationalen Wettbewerb behaupten – Betriebe, die in erstaunlicher Zahl in der Weltwirtschaft vorne mitspielen, sogenannte Hidden Champions,

(Reinhard Jung [SPD]: Geht das auch auf Deutsch?)

weil sie im Zeitalter forcierter Strukturen die Chancen neuer Produkte und Märkte nutzen.

Ohne seine ländlichen Räume wäre NordrheinWestfalen nicht das Industrieland, das es ist. Sie alle erwarten aber eine ausgebaute Infrastruktur, eine leistungsstarke Daseinsvorsorge mit Kindergärten, Schulen sowie zuverlässigen sozialen Einrichtungen und nicht zuletzt ein gutes Kulturangebot.