Aber der Ansatz, dieses Lachen, diese Überheblichkeit, wenn es um die Fragen des ländlichen Raumes geht, gefällt mir nicht. Deswegen mein herzlicher Dank an die Koalitionsfraktionen, im Rahmen einer Aktuellen Stunde die Fragen des ländlichen Raumes zu betrachten und zu diskutieren.
(Beifall von CDU und FDP – Marc Jan Eu- mann [SPD]: Unverschämtheit! Herr Kollege, das ist Ihre Aktuelle Stunde! Das ist eine Un- verschämtheit!)
Meine Damen und Herren, Nordhrein-Westfalen hat viele Gesichter. Wir haben viele unterschiedliche Landschaften und Baukulturen. Wir haben viele unterschiedliche Charaktere in Nordrhein-Westfalen – die Rheinländer, die Westfalen, die Lipper –; das ist immer wieder dargestellt worden. 75 % unserer Fläche in Nordrhein-Westfalen wird von Land- und Forstwirten bewirtschaftet. Herr Abgeordneter Remmel, ich stelle Ihnen gerne noch einmal unser gerade mit Wissenschaftlern erarbeitetes Programm 2020 zur Verfügung, wie es im Rahmen der Strukturentwicklung und des Wettbewerbs mit unserer Landwirtschaf in Nordrhein-Westfalen weitergeht.
Die ländlichen Regionen unseres Bundeslandes erfüllen viele und wichtige Funktionen: Sie sind Lebens- und Wirtschaftsraum, sie sind natürlich auch Ausgleichsraum für Ballungsräume. Aber Sie dürfen auch nicht zur grünen Lunge der Ballungsräume verkommen.
Freizeit- und Erholungsraum, Natur- und Landschaftsraum, und natürlich auch Standort für die Land- und Forstwirtschaft zur Erzeugung gesunder Nahrungsmittel. Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiges Agrarland, das drittwichtigste Agrarland.
Und wir sind das wichtigste Verbraucherschutzland in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben gute Standortvoraussetzungen für unsere wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale.
Aber die ländlichen Räume haben auch Anforderungen an die Zukunft. Deswegen bedanke ich mich ausdrücklich noch einmal dafür, dass diese Fragen im Parlament diskutiert werden.
Wie geht es mit der demografischen Entwicklung in den ländlichen Räumen in Nordhrein-Westfalen weiter? – Wir haben da sehr unterschiedliche Entwicklungen. Wenn ich an den Kreis Borken denke: Dort haben wir einen Geburtenüberschuss. Wenn ich an den Kreis Siegen-Wittgenstein oder an den Hochsauerlandkreis denke: Dort haben wir einen deutlichen Geburtenrückgang. Wie gehen wir damit um?
Wie gehen wir mit dem aktuellen Thema „Notdienst im medizinischen Bereich für ältere Menschen“ um? Die Kassenärztliche Vereinigung ist dabei, Strukturveränderungen vorzunehmen, die zu weiteren Wegen führen. Das sind doch Riesenprobleme, die wir heute in den ländlichen Räumen haben; und darunter leiden die älteren Menschen. Ich habe heute Morgen noch ein Telefongespräch in dieser Angelegenheit geführt. Mit diesen Fragen müssen wir uns auseinandersetzen.
Und im Zusammenhang mit der Globalisierung der Märkte steht die Frage, wie es mit den Arbeits- und Ausbildungsplätzen weitergeht. Es war eine gute Entscheidung der Landesregierung, dass drei neue Fachhochschulen ins Leben gerufen worden sind, dass 10.000 neue Ausbildungsplätze geschaffen worden sind, und zwar in erster Linie in den ländlichen Räumen in Nordrhein-Westfalen. Die Fachhochschulen tragen doch dazu bei, dass Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen geschaffen und gehalten werden. Die enge Verbindung zwischen Industrie und Wissenschaft in den ländlichen Räumen ist für die Zukunftsfähigkeit unserer ländlichen Räume ganz wichtig.
Der Abwanderung gut ausgebildeter Menschen und deren Familien kann man gerade mit dieser Maßnahme entgegenwirken.
Meine Damen und Herren, beim Übergang zur Informations- und Wissensgesellschaft sind für die ländlichen Räume die gleichen Chancen zu sichern, wie sie sie die anderen besitzen. Deswegen ist es natürlich wichtig, dass wir – sowohl die Staatskanzlei als auch mein Ministerium – in den vergangenen Jahren die Breitbandverkabelung – das alles hat es früher in Nordrhein-Westfalen nicht gegeben –
in den Mittelpunkt gestellt haben, dass wir jetzt alle ländlichen Räume im Rahmen der Breitbandverkabelung erfassen, dass dort auch Innovation und technische Lösungen vorangetrieben werden, wie das in den Ballungsgebieten der Fall ist.
Was das Thema Flächenversiegelung angeht, so ist das natürlich ein Problem der ländlichen Räume, aber auch der Ballungsgebiete. Ich darf daran erinnern, dass es gerade diese Landesregierung war, die die Allianz für die Fläche auf den Weg gebracht hat.
Es gibt jetzt die ersten Fortschritte, wenn ich an Emsdetten erinnern darf: Der Flächenverbrauch geht zurück. Es gibt gute Beispiele und es gibt eine breite Diskussion im kommunalen Bereich, dass nicht alles zugebaut wird, dass sich unsere Kommunen anders entwickeln müssen – nicht weiter von innen nach außen, sodass an den Rändern immer neue Baugebiete entstehen und in der Mitte die Dörfer und die Gemeinden ausbluten. Wir haben eine entgegengesetzte Entwicklung. Das hat diese Landesregierung auf den Weg gebracht.
Zu dem Thema Artenvielfalt, Herr Abgeordneter Remmel, darf ich sagen, dass in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen niemals mehr Mittel für den Bereich Naturschutz/Artenvielfalt zur Verfügung gestellt worden sind wie durch diese Landesregierung.
Die Naturschutzverbände haben mir bescheinigt, dass wir das mit einem größeren Erfolg machen als Sie früher. Wir machen es mit den Landwirten.
Die Landwirte sind für uns Partner. Wir setzen es auf den Flächen der Landwirte um. Wir machen es im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Diese unsägliche Konfrontation, die es früher gegeben hat, als Leute aus den Großstädten in die ländlichen Räume gegangen sind – Beispiel: Ansiedlung Nationalpark Senne –, und den Menschen im ländlichen Raum erklärt haben, was gut für sie sei, ohne die Region, die ländlichen Räume mitzunehmen, das gehört der Vergangenheit an. Es gibt jetzt wieder ein vernünftiges Miteinander der ländlichen Räume und der Landesregierung. Diese Landesregierung hat die ländlichen Räume und hat die Landwirtschaft wieder in den Mittelpunkt der Landespolitik gestellt.
Die Politik für die ländlichen Räume ist kein Anhängsel mehr wie in den Jahren unter Ihrer Regierung. Sie sehen das an den ganzen Förderprogrammen der Wirtschaftsministerin im Bereich der Innovation, im Bereich der Technologieförderung. Die standen früher nur den Ballungsgebietern zur Verfügung. Heute werden diese Programme im Wettbewerb allen Regionen in NordrheinWestfalen zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieses Wettbewerbs entwickeln sich die ganz unterschiedlichen Regionen in Nordrhein-Westfalen miteinander und bringen dieses Land nach vorne.
Es ließe sich noch vieles zu diesem Thema sagen. Ich erinnere nur an unser Programm „Ländlicher Raum“ mit mehr als 800 Millionen € in den nächsten Jahren in der ersten und zweiten Säule. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft. Wir haben in Zukunft nur dann eine Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen, wenn sie wettbewerbsfähig ist. Wir haben globalisierte Märkte, es gibt bestimmte Vorgaben der Europäischen Union im Rahmen der Agrarpolitik: Das greifen wir in Nordrhein-Westfalen auf.
Ich möchte mich sehr herzlich bei den Koalitionsfraktionen bedanken, dass sie diese Themen in den Mittelpunkt einer Plenarsitzung gestellt haben. Die Unsicherheit und das permanente Lachen der Opposition machen deutlich, dass sie mit diesem Thema nicht umgehen kann, dass sie keine inhaltlichen Konzepte hat.
Es ist eine sehr interessante Aufgabe in einem Land wie Nordrhein-Westfalen mit Ballungsgebieten auf der einen und ländlichen Räumen auf der anderen Seite – eine solche Infrastruktur hat kein anderes Bundesland –, Politik zu gestalten. Ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich bei den Koalitionsfraktionen für die Unterstützung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Uhlenberg, ich finde es nicht angebracht – dass muss ich Ihnen einmal sagen –, als Minister hier im Hause solche persönlichen Attacken zu fahren.
Wir als SPD haben uns hier im Land 39 Jahre lang dafür eingesetzt, die Unterschiede zwischen Stadt und Land anzugleichen. Das ist uns in vielen Punkten auch gelungen.
Wenn wir heute von wirtschaftlich starken Regionen reden, dann sind es doch genau die Regionen, die Sie, Herr Deppe, zu Recht aufführen, nämlich zum Beispiel das Münsterland und der Raum Arnsberg. Aber wo gibt es denn eine hohe Arbeitslosigkeit und prekäre Wohn- und Lebensverhältnisse? – Diese gibt es doch in den Ballungszentren. Vor dem Hintergrund frage ich Sie, wo wir einen Ausgleich schaffen müssen. Hiervor kann man nicht die Augen verschließen.
Ich komme nun zu dem Thema Ihrer sogenannten Aktuellen Stunde, die ja anscheinend in Ihren Reihen „sehr viel“ Aufmerksamkeit genießt, wie ich feststelle.
Herr Wißen ist ja bereits auf die Infrastruktur eingegangen. Ich möchte etwas zur Agrarpolitik sagen, die Sie auch in Ihrem Klientel bedienen. Sie setzten dort auf 1:1-Umsetzung. Sie setzen Bauernverbandspolitik 1:1 um. Aber EU-Vorgaben setzen Sie auch nur noch 1:1 um, gehen also nicht darüber hinaus.
Die Transparenzinitiative, die Sie lange bekämpft haben, gibt uns heute die Zahlen an die Hand, wie es mit den Subventionen aussieht. In NordrheinWestfalen erhalten 14 % der landwirtschaftlichen
Betriebe zusammen mehr als die Hälfte aller EUDirektzahlungen. Das sind 68 Großbetriebe, die mehr als 100.000 € bekommen. Bei mir im Kreis Warendorf sind es übrigens die Molkerei und der größte Futtermittelhersteller, die die höchsten Zahlungen bekommen. Wo bleibt da die Förderung des ländlichen Raums? Damit fördern Sie einzelne landwirtschaftliche Großbetriebe, anstatt die vielen kleinen und mittleren Betriebe sowie die Familienbetriebe. Letztere jedoch stellen den überwiegenden Teil der Unternehmen dar. Sie stellen Arbeitsplätze zur Verfügung. Sie sind Teil der Wertschöpfung in Nordrhein-Westfalen.
(Marc Jan Eumann [SPD]: Das Dramatische ist, dass der Minister gerade den Plenarsaal verlassen hat! Das ist eine Missachtung des Parlaments in dieser Debatte! – Gegenruf von Minister Eckhard Uhlenberg: Ganz ru- hig, ganz ruhig! – Gegenruf von Marc Jan Eumann [SPD]: Sie waren doch weg! – Wei- tere Zurufe)
Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages zum 1. Dezember diesen Jahres ist die Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik noch einmal erheblich gestärkt worden.