Herr Finanzminister, Sie haben die Absicht bei meiner Frage offenbar nicht verstanden. Mir ging es gar nicht so sehr um mehr Geld, sondern um eine grundsätzliche Konstruktion. Nicht zuletzt Ihre Parteikollegin Bundesbildungsministerin Schavan hat jetzt deutlich gesagt, dass sie den damals unternommenen Schritt für falsch hält. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob Herr Rüttgers und Herr Pinkwart auch einen Erkenntnisfortschritt haben.
Ich halte diese Entscheidung in der Diskussion zur Föderalismusreform I nicht für falsch. Ich hatte gesagt, dass keine erkennbare Mehrheit für eine Veränderung da ist und wir deshalb vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Verankerung in Art. 91b selbstverständlich für jede Art von Kooperation offen sind, die auch schon in der früheren Zeit stattgefunden hat. Wir denken zum Beispiel an die Programme, die vom Bund zum Teil in Gemeinschaftsfinanzierung mit uns aufgelegt worden sind. Soweit das rechtlich möglich ist, wird man das auch weiter so machen können.
Herr Minister Linssen, haben die Programme, die aufgelegt worden sind, zum Beispiel das IZBB, die Länderhoheit wirklich so weit beschnitten, dass das Kooperationsverbot sinnvoll erscheint? Was ist einzuwenden gegen
Bundesgeld zum Ausbau von Ganztagsschulen, bei der Kooperation von Forschungsprogrammen oder bei Unterrichtsprogrammen, zum Beispiel SINUS in der Mathematik, die alle nicht mehr möglich sind?
Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir das in der Föderalismusreform I so verankert haben. Die Länder sind durchaus in der Lage, das eigenständig zu machen und Prioritäten in der Bildung zu setzen, wie wir das hier in Nordrhein-Westfalen getan haben. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass der Bund gut beraten ist, wenn er uns entsprechende Umsatzsteuerpunkte für solche Aufgaben zur Verfügung stellt.
Ich will Sie einmal mit einer Aussage von Klaus Kinkel konfrontieren – diese Frage hätte ich natürlich besonders gerne an den stellvertretenden Ministerpräsidenten gerichtet –, der in einem bemerkenswerten Artikel in der Rubrik „Fremde Federn“ in der „FAZ“ vom 28. Oktober dieses Jahres sehr deutlich gesagt hat, dass Bildungspolitiker aller Parteien inzwischen laut über den Bildungsföderalismus nachdenken und eine abermalige Gesetzesänderung für richtig halten. Er hat gesagt: Finanzhilfen des Bundes sind demnach nur möglich, soweit das Grundgesetz dem Bund Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Das mindestens muss weg. Es kann nicht sein, dass es dem Bund verboten ist, dort mitzuhelfen, wo es zwickt. Es gibt eine gemeinsame Bildungsverantwortung des Bundes, der Länder und der Kommunen. Die föderale Kleinstaaterei in der Bildung ist ein Anachronismus und muss beendet werden.
Entnehme ich Ihren vorherigen Äußerungen, dass Sie diese Aussagen von Klaus Kinkel für falsch halten?
Ich weiß, dass viele Bildungspolitiker so denken, wie Klaus Kinkel das formuliert hat. Das ist aber nicht meine Überzeugung. Wir haben zum Beispiel beim KiföG, weil es da um öffentliche Fürsorge geht, Mittel und Wege gefunden, Bundesmittel im Land einzusetzen und damit Gutes zu tun.
In der Sendung WESTPOL am 13. Dezember 2009 wurde berichtet, dass Gänse, deren Fleisch zu günstigen Preisen in Deutschland verkauft wird, in den Herkunftsländern Polen und Ungarn bei lebendigem Leib gerupft werden. Dies sei in den genannten Herkunftsländern trotz EUweitem Verbot gängige Praxis. Eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für Gänsefleisch gäbe es bisher nicht.
Wie verhindert die Landesregierung, dass Gänse für den deutschen Markt in den Herkunftsländern trotz entgegenstehender Tierschutzbestimmungen bei lebendigem Leib gerupft werden?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tierschutz und die artgerechte Haltung von Tieren haben für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Insofern ist es auch mir ein Anliegen, dass die Tierschutzbestimmungen überall eingehalten werden und das Lebendrupfen von Weihnachtsgänsen in Polen und Ungarn beendet wird. Das Land Nordrhein-Westfalen hat hierbei aber leider wenige Handlungsmöglichkeiten. Wir können nicht kontrollieren, ob importiertes Gänsefleisch von lebend gerupften Gänsen stammt.
Das Lebendrupfen von Gänsen ist EU-weit verboten. Nachdem bekannt geworden ist, dass Gänse in Ungarn lebend gerupft wurden, hat die EUKommission Schritte gegen Ungarn eingeleitet. Die ungarische Regierung hat versichert, dass dies nicht mehr vorkommt.
In Nordrhein-Westfalen werden keine Gänse zur Federgewinnung gehalten. Das hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz bei den zuständigen Veterinärbehörden in NordrheinWestfalen Anfang des Jahres abgefragt.
Wenn das Fleisch nach Deutschland geliefert wurde, kann nicht kontrolliert werden, ob die Gänse zuvor lebend gerupft wurden; dies ist am Fleisch der geschlachteten Tiere nicht feststellbar. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Europäische Union bzw. die europäischen Staaten das geltende Recht durchsetzen und dafür Sorge tragen, dass die Produzenten es einhalten. Dies entspricht dem Grundsatz der Harmonisierung von Rechtsvorschriften und Kontrollen innerhalb der Europäischen Union.
auch keine entsprechende Kennzeichnungspflicht für diese Fälle geben. Dennoch gibt es Möglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher, mehr über die Herkunft der Gänse zu erfahren. Die Herkunft des Gänsefleisches, das von Tieren aus bestimmten EU-Mitgliedstaaten stammt, ist bei Fertigpackungen dem Identitätskennzeichen bzw. der Genusstauglichkeitskennzeichnung zu entnehmen. Darin sind die Abkürzungen der jeweiligen Mitgliedstaaten und die Veterinärkontrollnummer des jeweiligen Schlachthofes benannt.
Eine weitere Herkunftskennzeichnung der Europäischen Union ist rechtlich nicht vorgegeben. Die Wirtschaft hat jedoch durchaus die Möglichkeit, mit bestimmten Herkünften zu werben, wenn sie diese sicher nachweisen kann.
Ich würde mich freuen, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren Kaufentscheidungen mit dafür sorgen würden, dass wir hier weiter vorankommen und dass der Tierschutz auch in der Gänsehaltung eingehalten wird. Wer ganz sichergehen möchte, sollte heimische Gänse kaufen, die bei uns gehalten werden und die hohen Standards bei Tierschutz und Qualität sicher erfüllen können.
Vielen Dank, Herr Minister Uhlenberg. Sie sprachen gerade davon, dass die Wirtschaft werben kann. Die Frage ist: Wie unterstützen Sie die Wirtschaft vor Ort, also die heimischen Gänseproduzenten? Was unternehmen Sie gezielt für die Wirtschaft, damit nicht das billige Gänsefleisch aus Ungarn importiert wird?
Frau Abgeordnete Wiegand, es ist bekannt, dass wir als nordrhein-westfälische Landesregierung die Produktion von heimischen Produkten unterstützen, auch was Werbemöglichkeiten angeht. Man kann sich also immer auf Produkte aus NordrheinWestfalen beziehen.
Ich darf auch daran erinnern, dass insbesondere die CMA mit bestimmten Qualitätsstandards wirbt und dass es auch im Hinblick auf den Verkauf von Produkten aus Nordrhein-Westfalen und auch aus den anderen Bundesländern besondere Unterstützungsmöglichkeiten und Qualitätszeichen gibt.
Ich würde in jedem Fall Gänse nur aus NordrheinWestfalen kaufen. Das gebietet sich als nordrheinwestfälischer Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister.
Ich habe am Sonntagabend auch diese Bilder in „WESTPOL“ gesehen. Solche Bilder hatte ich zuvor noch nie gesehen. Ich wusste gar nicht, dass es einen solchen Vorgang gibt. Ich würde solche Tiere nie kaufen. Deswegen konzentriere ich mich als Privatmann – Sie haben mich als solchen gefragt; als Verbraucherschutzminister kann ich diese Empfehlung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben – auf Produkte aus Deutschland bzw. aus Nordrhein-Westfalen. Wir haben ganz klare Tierschutzbestimmungen. Von daher haben wir einen ganz klaren und sicheren Rahmen, wie unsere Gänse gehalten und geschlachtet werden.
Vielen Dank. – Herr Minister Uhlenberg, Sie sprachen gerade die Verbraucher an. Wie, wo und wann wollen Sie die Verbraucher informieren? Auf den Internetseiten des MUNLV und des LANUV habe ich aktuell keinen Hinweis gefunden.
Sie wissen, dass wir die Verbraucher immer wieder informieren. Wir haben uns in den letzten Tagen schon mehrmals darüber unterhalten, dass der Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen vier Jahren deutlich ausgebaut worden ist, dass in diesen Tagen drei neue Verbraucherzentralen in Nordrhein-Westfalen eingerichtet werden.
Frau Abgeordnete, ich darf darauf verweisen – vielleicht ist Ihnen das entgangen –, dass es eine umfangreiche Pressemitteilung unseres Hauses zu diesem Thema gegeben hat. Wir haben also die Verbraucher, wenn es wirklich eine Gefahr gibt, immer wieder informiert.
Herr Minister, ich habe den Bericht auch gesehen. Mir ist die Gans, die ich am Abend vorher gegessen hatte, wirklich fast wieder hochgekommen. Das war aber eine deutsche Gans, wie mir die Schwiegermutter versichert hat. Wie wollen Sie denn den Verbraucherinnen und Verbrauchern zum Beispiel in Restaurants die Sicherheit geben, dass sie keine Gänse aus solcher tierquälerischen Haltung zu essen bekommen?
Frau Abgeordnete, wenn die Tiere geschlachtet sind und zu uns nach Deutschland kommen, haben wir nicht mehr die Möglichkeit, das zu kontrollieren. Sie haben aber als Verbraucherin die Möglichkeit, die Gänse nicht nur bei der Schwiegermutter zu essen und diese zu fragen, sondern Gänse auch in einem Lokal zu essen und den Wirt zu fragen. In dieser Sendung hat es ja auch mehrere Befragungen von Restaurants gegeben. Man hat die Wirte auf dieses Thema aufmerksam gemacht. Die Landesregierung hat keine rechtliche Möglichkeit. Aber es ist schon sinnvoll, wenn Sie in ein Lokal gehen, die Frage zu stellen, wo die Tiere gezüchtet und gemästet worden sind. Denn das muss bei der Kennzeichnung der Tiere angegeben werden. Wenn eine Gans zum Beispiel aus Polen kommt, geht das aus der Kennzeichnung des Tieres hervor.
Wenn Sie sich, wie Sie eben ausgeführt haben, persönlich in Ihrer Kaufentscheidung für eine entsprechende Orientierung entscheiden, ist das völlig in Ordnung und zu begrüßen.
Meine Frage war aber auch auf das politische Handeln gerichtet. Warum erklären Sie nicht oder fordern öffentlich dazu auf, keine Gänse aus Polen und Ungarn zu kaufen, solange das dort nicht geklärt ist?