Wir kommen damit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 14/820. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich aufzuzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Meine Damen und Herren, damit verlassen wir den Tagesordnungspunkt 2 und kommen zum Tagesordnungspunkt
3 Dem Anstieg der HIV-Infektionen entgegentreten – Präventionsarbeit zu HIV und AIDS weiterentwickeln!
Ich erlaube mir an dieser Stelle den Hinweis auf den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/826.
Jetzt eröffne ich am heutigen Weltaidstag die Beratung zu den vorgelegten Anträgen. Als erste Rednerin hat für die antragstellende Fraktion der SPD Frau Kollegin Altenkamp das Wort.
„Trotz aller Fortschritte in der Aidsforschung und bei der Behandlung von HIV-Infektionen in den letzten Jahren ist die Menschheit von einer wirklichen Kontrolle, geschweige denn einer Eindämmung der HIV-Epidemie noch immer weit entfernt … In den 90er Jahren sanken in den Industrieländern – abgesehen von einer Zunahme bei Migranten aus Hochprävalenzregionen – die HIV-Diagnosezahlen, was vorübergehend den Eindruck erweckte, durch er
folgreiche Prävention und die sich zunehmend verbessernden Behandlungsmöglichkeiten sei das Problem hier bereits weitgehend unter Kontrolle.“
Dies habe ich dem am 25. November 2005 veröffentlichten „Epidemiologischen Bulletin“ des Robert-Koch-Instituts entnommen.
Diesem Bulletin kann man entnehmen, dass nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts in Deutschland 49.000 Menschen mit HIV leben. 2.600 davon haben sich im Jahr 2005 mit HIV infiziert. Das entspricht einer bundesweiten Steigerungsrate von 30 %. In NRW wurden über 500 Neuinfektionen registriert, von denen das RobertKoch-Institut besonders viele in den Prävalenzzentren Köln und Düsseldorf, aber auch in Teilen des Ruhrgebiets ausmacht.
In 90 % aller Fälle haben wir es mit einem sexuellen Übertragungsweg zu tun, bei der Hälfte aufgrund Mann-männlicher sexueller Kontakte.
Gerade das Land NRW hat sich in der Vergangenheit mit seinen Aktivitäten zu HIV und Aids sehr stark auf die Präventionsarbeit konzentriert – und das erfolgreich, wie Sie zahlreichen Veröffentlichungen der Aids-Stiftung und auch anderer, zum Beispiel des eben zitierten Robert-KochInstituts, entnehmen konnten.
Dennoch haben wir es auch in NRW mit steigenden Zahlen bei den Neuinfektionen mit HIV zu tun. Zum Beispiel glauben zahlreiche junge Menschen, Aids sei keine so große Gefahr mehr für sie. Sie vermischen Empfängnisverhütung und Safer Sex miteinander. Sie sind zwar aufgeklärt und fühlen sich auch gut aufgeklärt. In den entscheidenden Momenten nehmen sie das Risiko, sich mit HIV oder mit Geschlechtskrankheiten zu infizieren, aber nicht mehr als konkretes Risiko wahr – nach dem Motto: Mir, uns, wird schon nichts passieren.
Gerade homosexuelle Männer, die, wie ich geschildert habe, die größte Gruppe bei den Neuinfektionen darstellen, sind über die Risiken – so viel kann man feststellen – bestens im Bilde. Dennoch ist gerade bei ihnen die Rate sehr, sehr hoch und in den letzten Jahren sehr drastisch angestiegen.
Meine Damen und Herren, Aids ist nach wie vor tödlich. Aids ist nicht heilbar, auch wenn die Medikation heute eine längere Zeit des Überlebens ermöglicht. Dennoch ist es so, dass die zum Teil schweren Nebenwirkungen der Behandlung nicht mehr wahrgenommen werden. Das hat zum einen etwas mit der Werbestrategie der Pharmaindustrie
zu tun, zum anderen aber auch damit, dass die akut Kranken aus der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit völlig verschwunden sind.
Wir sind also quasi in einer Präventionsfalle; denn die gute Aufklärung und die gute medizinische Versorgung werden als ein Moment verstanden, das das Risiko nicht mehr so groß erscheinen lässt. Letztlich müssen wir feststellen, dass wir bei den bekannten Risikogruppen beziehungsweise den besonderen Prävalenzgruppen mit unseren Präventionskampagnen nicht mehr so ankommen, wie das noch vor einigen Jahren feststellbar war. Offensichtlich dringen wir nicht mehr durch – zwar ans Ohr, aber nicht ins Bewusstsein.
Es ist offensichtlich auch so, dass homosexuelle Männer quasi als besonderen Kick bewusst das Risiko des ungeschützten Sexes suchen. Es gibt zahlreiche Internetseiten und zahlreiche Vermittlungsangebote, wo dies nachzuverfolgen ist. Die Anbahnung dieser bewusst ungeschützten sexuellen Kontakte erfolgt also im Internet. Die Folgen werden als nicht mehr so schlimm oder jedenfalls als absehbar empfunden.
Darauf muss sich die Aids- und HIV-Prävention einstellen, denke ich. Es geht um eine inhaltliche Ausgestaltung. Es geht um eine Weiterentwicklung der Kampagnen und der Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren hier in Nordrhein-Westfalen aufgelegt und in den Haushalt eingestellt haben. – Darum geht es in unserem Antrag, meine Damen und Herren.
Nun will ich etwas zu dem Entschließungsantrag von CDU und FDP sagen. Ich finde, dies ist ein guter Antrag. Sie haben dort sehr viele sehr wichtige Dinge zusammengetragen und aufgeschrieben – nicht zuletzt die Ergebnisse erfolgreicher Politik von Rot-Grün. Schade, dass Sie nicht die Größe haben, anzuerkennen, dass das tatsächlich auch so ist! Besonders die Anerkennung des Ehrenamtes, aber auch die Einschätzung, dass die Schwerpunkte bei der Präventionsarbeit verändert werden müssen, wird von uns, den antragstellenden Fraktionen, voll geteilt.
„Allen aus der falschen Politik der Vergangenheit resultierenden jetzt unumgänglichen finanziellen Restriktionen zum Trotz, spricht der Landtag den vielen professionellen und ehrenamtlichen Helfern gegen HIV und Aids seine Hochachtung und Anerkennung für ihr Engagement aus.“
Für diejenigen, die die Worte der Koalitionsfraktionen nicht so oft hören wie wir, erläutere ich es:
Ich weise darauf hin, dass es in den letzten Jahren, zum Beispiel auch im Doppelhaushalt 2004/2005, nur einen einzigen Bereich gegeben hat, für den der Mittelansatz überrollt worden ist – sprich: der Ansatz entsprach dem Ansatz der vorherigen Jahre –, und das war der Bereich HIV und Aids. Ich habe an keiner Stelle vernommen, dass das in irgendeiner Form von der CDU kritisiert worden ist. Von der FDP ist das nur leise kritisiert worden.
Deshalb wundere ich mich über solche Sätze. Man muss doch feststellen: Die rot-grüne Regierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen in Nordrhein-Westfalen haben sich immer der Verantwortung auf dem Sektor HIV und Aids gestellt.
Meine Damen und Herren, es geht in unserem Antrag darum, dass Sie in in der Präventionsarbeit mindestens so viel tun, wenn auch mit anderen Schwerpunkten und mit anderen Zielrichtungen, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Es geht hier nicht um eine vorgezogene Haushaltsberatung, sondern es geht am Weltaidstag darum, dass auch diese neue Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen sich dem Thema HIV und Aids nicht in einer darstellenden Art und Weise, wie Sie es im Entschließungsantrag getan haben, stellen, sondern tatsächlich auch politische Schlussfolgerungen ziehen, die ein bisschen weitergehen, als „Wir bitten die Landesregierung“.
Berücksichtigen Sie diese Hinweise in unserem Antrag in den Haushaltsberatungen 2006 und in Ihrem Haushalt, aber berücksichtigen Sie sie auch bei der inhaltlichen Diskussion! Dann kommen wir alle gemeinsam in diesem Land auf dem Weg, den wir im Bereich HIV- und Aidsprävention beschritten haben, einen entscheidenden Schritt voran. Ich hoffe, dass es Ihnen vor allem darum geht. – Danke.
Das ist das Motto des diesjährigen Weltaidstages, den wir heute am 1. Dezember begehen. Uns geht es in unserem, heute zusammen mit der SPD-Fraktion vorgelegten Antrag genau um diese gemeinsame Verantwortung.
Meine Damen und Herren, die in den letzten Tagen über die zunehmenden Aidsraten veröffentlichten Zahlen sind alarmierend, sie müssen uns alle alarmieren. Gerade weil die Bedrohung durch Aids etwas aus dem öffentlichen Fokus geraten ist, gerade weil das Virus offenbar etwas von seinem Schrecken verloren hat, müssen wir es ins öffentliche Bewusstsein zurückholen, müssen wir verstärkt Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen entwickeln und anbieten.
Es scheint, das Thema Aids wird durch den medizinischen Fortschritt weniger ernst genommen. Es hat den Anschein, als wäre die Krankheit nicht mehr ganz so schlimm.
Aber das, meine Damen und Herren, ist ein fataler Trugschluss. Denn auch wenn Aids heute nicht mehr zwangsläufig zum Tod führt, ist es doch immer noch eine schwere, eine nicht heilbare Krankheit. Die Betroffenen haben nach wie vor eine weitaus geringere Lebenserwartung als andere. Sie müssen dauerhaft ärztliche Behandlungen, zum Teil furchtbare Nebenwirkungen und massive gesundheitliche Einschränkungen in Kauf nehmen.
Trotz aller Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden, trotz aller Prävention und Aufklärung konnte nicht verhindert werden, dass die Zahl der HIVNeuinfektionen im ersten Halbjahr 2005 in erschreckender Weise angestiegen ist.
Das gilt auch für NRW, wie die Zahlen des Robert-Koch-Instituts belegen. Auch hier ist seit Jahren ein Anstieg zu verzeichnen, und das, obwohl wir in der Vergangenheit alle Kürzungsversuche im Landeshaushalt erfolgreich abgewehrt und jährlich fast 4,5 Millionen € für die Bekämpfung von Aids zur Verfügung gestellt haben.
Ich möchte es nicht versäumen, ganz besonders den vielen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen bei der Aidshilfe und in den Beratungsstellen in Nordrhein-Westfalen zu danken. Wie es aussähe, wenn es nicht diese zahlreichen engagierten Menschen gäbe, möchte ich mir nicht ausmalen. Aber dennoch, trotz des außergewöhnlichen Engagements und einer hervorragenden Präventi
Besonders hoch ist offensichtlich – das zeigen die Zahlen – immer noch das Risiko für Homosexuelle, Schwule und bisexuelle Männer. Ich zitiere:
Für Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten ist das Risiko einer HIV-Infektion aktuell so groß wie nie in den letzten zwölf Jahren, nämlich fast doppelt so hoch wie noch vor vier Jahren.
Dies schrieb das Robert-Koch-Institut im Epidemiologischen Bulletin. Das ist eine Steigerungsrate von 80 %. Dabei werden die höchsten Neuinfektionsraten in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Köln verzeichnet. Dazu kommt – das macht die Situation umso dramatischer –, dass das wachsende Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, mit der rückläufigen Bereitschaft, Kondome zu benutzen und sich damit zu schützen, einhergeht.
Dass es zu einem solchen Anstieg gekommen ist, liegt auch an der veränderten Kontaktaufnahme homosexueller Männer. Früher suchte man einschlägige Lokale auf, während heute der Kontakt sehr häufig über das Internet hergestellt wird. Internetseiten wie Gayromeo und Co. haben in den letzten Jahren geradezu einen Boom erlebt. Ein Blick auf diese Internetseiten zeigt, dass sie sich sozusagen fast wie ein homosexuelles Einwohnermeldeamt lesen. Allein in NRW sind fast 35.000 Männer registriert.
Das bedeutet, man muss heute nicht mehr das Haus verlassen, um einen Kontakt herzustellen, sondern man macht es sozusagen von zu Hause aus am PC. Genau das birgt eine Reihe neuer Risiken, wie eine aktuelle Studie belegt. Denn zahlreiche junge Männer haben heute ihr Coming-out im Internet und kommen dann in der realen Welt bei ihren ersten realen Kontakten nicht zurecht und schützen sich nicht ausreichend.
Genau diese Bevölkerungsgruppe, also Männer, die Kontakte über das Web knüpfen, erreicht man mit den in den Kneipen ausliegenden Aufklärungsbroschüren nicht. Man erreicht sie also nicht über die klassischen Aufklärungs- und Zugangswege.
Deswegen hat die Aidshilfe in NordrheinWestfalen auf die zunehmende Bedeutung des Internets bei der Kontaktanbahnung reagiert und im Sommer des letzten Jahres einen runden Tisch zum Thema „schwules Internet“ gegründet, und sie arbeitet jetzt verstärkt in diesem Feld.