Protokoll der Sitzung vom 01.12.2005

Der Bund hat die Kompetenzen beim Hochschulzugang und bei Hochschulabschlüssen. Damit kann er in diesen Bereichen entsprechende Förderungen durchführen.

Wenn wir uns einig sind, dass wir wollen, dass es in Zukunft Hochschulsonderprogramme gibt, sage ich Ihnen, wenn das noch nicht klar genug sein sollte: Wir müssen das im Gesetzgebungsverfahren, zumindest in der Begründung, deutlich machen,

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

weil es angesichts der Tatsache, dass die Anzahl der Studierenden steigt, natürlich möglich sein muss, eine Anstrengung zu machen, an der sich der Bund beteiligt.

(Beifall von der CDU)

An der Stelle sage ich Ihnen: Es steht drin. Wenn Sie sagen, es steht nicht drin, gibt es eine Unklarheit. Dann müssen wir versuchen, das zu klären.

Frau Löhrmann hat sich gemeldet.

Bitte.

Schönen Dank, Herr Ministerpräsident. – Ich lese das als eine KannVorschrift und nicht als eine Muss-Vorschrift. Das ist ein großer Unterschied. – Wenn Sie sagen, das kann an dieser oder jener Stelle geändert werden, bringt mich das ich zu einer weiteren Frage. Ich hatte ja gefragt: Wie geht das Verfahren weiter? – Mich würde zum einen die zeitliche Perspektive interessieren. Zum anderen frage ich mich: Wie weit ist das in Stein gemeißelt? Wie groß ist der Spielraum für Änderungen? – Das finde ich für dieses Parlament, das wir stärken wollen, sehr wichtig zu wissen.

Es kann nichts anderes drinstehen als „kann“. Der Bund kann ein Programm auflegen. Dieses Recht hat er dann. Wenn er es kann, kann er es machen. Der damalige Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann hat das gemacht. Ich habe das in meiner Zeit als Bundesbildungsminister auch gemacht. Seitdem gab es kein solches Programm mehr.

Wenn wir das wollen, weil es einen starken Anstieg von Studierendenzahlen gibt, müssen wir über diese Sache politisch diskutieren und versuchen, das hinzubekommen. Ich bin nicht dagegen, damit das klar ist. Ich finde, dass bei aller Notwendigkeit klarer Zuständigkeiten der Bund die

Möglichkeit haben muss, an dieser Stelle etwas zu tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Ministerpräsident, es gibt eine weitere Wortmeldung des Kollegen Kuschke.

Herr Ministerpräsident, sehen Sie auch in anderen Bereichen als bei der von Frau Löhrmann angesprochenen Hochschulpolitik noch Präzisierungsbedarf? Ich denke an den Ausbau von Ganztagsschulen. Das konnte nur sehr, sehr mühsam auf den Weg gebracht werden und wurde noch soeben vom Grundgesetz abgedeckt. Wenn dabei keine Klärung hergestellt wird, wird das, was in breitem Konsens als sinnvoll angesehen wird, zukünftig nicht möglich sein.

Es ist klar, man darf nicht drum herumreden: Es wird in Zukunft nicht möglich sein. Das war die Mehrheitsmeinung der Ministerpräsidenten, und die haben sich in dieser Frage durchgesetzt. Es gibt immer das Problem von „halbvoll – halbleer“. Es handelt sich um ein Gesamtkonzept, um einen Gesamtkompromiss. Das war nicht erwünscht. Das wurde übrigens schon zu einem Zeitpunkt beschlossen, als ich noch nicht Mitglied dieser Ministerpräsidentenkonferenz war.

Ich möchte noch eine abschließende Bemerkung zum Verfahren machen: Wir haben vonseiten der Ministerpräsidentenkonferenz sehr darauf Wert gelegt, dass es ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren gibt und dass dies nicht nur im Rahmen der Verhandlungen über eine große Koalition mitverhandelt wird. Das haben wir übrigens allein schon aus politischen Gründen gemacht. Denn es bedarf einer Mehrheit im Bundesrat, und da müssen sich Koalitionen wie unsere in NordrheinWestfalen darüber klar werden, ob sie zustimmen oder ob sie nicht zustimmen. Ohne sie geht es nicht.

Also haben wir den Versuch unternommen – ich glaube, ich habe einen guten Vorschlag gemacht –, dass wir in der großen Koalition darüber reden, was gemeinsam geht. Das ist festgeschrieben worden. Es ist auch mit der FDP geredet worden. Die von Herrn Papke angesprochenen Punkte sind in den Gesprächen festgehalten worden. In der übernächsten Woche tagt die Ministerpräsidentenkonferenz und wird über dieses Thema reden.

Ich gehe einmal davon aus, dass es dafür eine breite Zustimmung der Bundesländer gibt. Dann wird im kommenden Jahr das Gesetzgebungsverfahren in der Form eingeleitet, wie Sie es kennen, das heißt, mit den ausformulierten Texten. Es wird ein normales Gesetzgebungsverfahren geben.

Natürlich besteht die Möglichkeit, da zu Veränderungen zu kommen. Aber die realistische politische Beschreibung ist, dass es bei der breiten Vordiskussion unwahrscheinlich ist, dass es an der einen oder anderen Stelle noch geöffnet wird. Ich glaube, das ist einfach eine Frage der Ehrlichkeit, das so zu sagen und jetzt nicht so zu tun, als würden wir das machen. Da ist inzwischen viel politisches Goodwill und Engagement eingeflossen, und man hat sich auf Formulierungen verständigt.

Abschließend möchte ich Ihnen noch sagen, warum ich überhaupt auf diese Unterrichtung Wert gelegt habe. Ich wollte, dass, bevor ich in der Ministerpräsidentenkonferenz sage, wir stimmen dem zu, dieser Landtag über das Thema diskutieren kann. Denn ich glaube, dass das auch eine Frage des Umgangs miteinander ist, das vorher zu tun und nicht nachher.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Kollegen Rudolph das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, es gibt ja Dinge, wo man das Landesparlament stärken kann, ohne eine Föderalismuskommission zu bemühen. Ich finde es gut, dass Sie sich noch einmal in dieser Föderalismusdebatte dafür ausgesprochen haben, dass auch aus Ihrer Sicht, aus Sicht des Ministerpräsidenten und der Exekutive, das Landesparlament da gestärkt werden soll und muss, wo es gestärkt werden kann.

Sie könnten uns vielleicht hilfreich zur Seite stehen, wenn Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion mitteilen könnten, dass wir es leid sind, dass die beantragte Sondersitzung des Innenausschusses und des Wirtschaftsausschusses zur Katastrophe im Münsterland offensichtlich weggeschoben wird. Ich finde, da fängt die Wahrheit an.

(Beifall von der SPD)

Dafür brauchen wir keine Föderalismuskommission. Vielleicht können wir diese kleineren Probleme auch intern regeln.

(Horst Engel [FDP]: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Ja, das bleibe ich.

(Horst Engel [FDP]: Das war einvernehm- lich!)

Dazu gibt es mindestens zwei Meinungen.

Jetzt zur Sache: Die Diskussion über die Föderalismusreform zeigt, dass wir eine entscheidende Nagelprobe der deutschen Politik bestanden haben, nämlich in einem Feld weiterzukommen, das in den letzten Jahren zu Kritik aus allen Richtungen Anlass bot. Die Kritik wurde von den Parteien, von den Regierungen und Experten meistens unter dem Stichwort thematisiert: Ist eigentlich die bundesdeutsche Staatsorganisation noch reformierbar? Ist das Staatswesen noch reformierbar? Ist Deutschland regierbar? Findet Deutschland zu Entscheidungen?

Ich finde, genauso wichtig ist die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger, die sich darauf verlassen, dass Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz gilt, nämlich: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Was wir alle miteinander in den letzten 20 Jahren erlebt haben, ist die Tatsache, dass eben nicht mehr ganz klar war, wo die Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht, denn eigentlich hinläuft, wenn sie in eine Verflechtungsfalle gerät, im Kompetenzwirrwarr oder irgendwo in den Vermittlungsausschüssen liegen bleibt.

Deswegen, meine ich, ist es gut und richtig, dass diese Föderalismusreform wieder auf den Weg gebracht wurde.

Es ist aber auch interessant in der Debatte, wie sich bestimmte Parteien hier im Landtag verhalten. Bei aller Liebe zu den Kolleginnen und Kollegen der Grünen: Ich hielte es für falsch, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil ich meine, dass man dieses Thema nicht so behandeln kann. Das betrifft vor allen Dingen Ihren Punkt 3, Stichwort Bildung. Wobei ich interessant finde, dass die Partei der Grünen, angefangen sehr dezentral und föderativ, zumindest in einem Punkt ziemlich unitarisch argumentiert.

Bei der FDP ist das umgekehrt. Ich freue mich darüber, dass die FDP so richtig im Föderalismus angekommen ist. Denn in der Vergangenheit war ja gerade die nordrhein-westfälische FDP immer munter dabei, wenn es um Zentralisierung, Modernisierung und Unitarisierung ging. Dass Sie

jetzt das Loblied des Föderalismus singen, finde ich gut.

Aber was den Wettbewerbsföderalismus angeht, das finde ich nicht gut. Da finde ich interessant, wie sich die Koalition bewegen wird. Sie tun immer so, als sei empirisch erwiesen, dass Wettbewerbsföderalismus für die Menschen gut ist und zu mehr Wohlstand führt. Es gibt in Wahrheit keinen empirischen Beweis dafür.

(Beifall von der SPD)

Ich rate Ihnen, einmal in andere Länder auf der Welt zu reisen, die auch Föderalismus haben. Dort können Sie sehen, wie Föderalismus ohne Wettbewerb und ohne Neoliberalismus sehr gut im Sinne des Wohlstands, der Chancengleichheit und gleichwertiger Lebensverhältnisse funktioniert.

Zu Ihrem Junktim, das Sie da zwischen dem ersten Zug und dem zweiten Zug aufmachen: Ganz klar ist mir nicht, was das materiell eigentlich heißt, was Sie da wollen. Ich verstehe immer nur, dieses Junktim ist da, damit Sie rufen können: Die FDP ist auch noch da! Wir sind auch noch wichtig! – Das ist dann aber vor allen Dingen das Problem von Herrn Rüttgers und von der CDU, diesen kraftvollen Machtanspruch hier auch umzusetzen.

Damit die Sicht der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf Art. 20 Abs. 2 Satz 1 verlassen wollen, freier wird, wohin die Staatsgewalt läuft, geht es aber nicht nur um Strukturen und um den Organisationsaufbau des Staates, sondern natürlich auch um Inhalte. Die wollen natürlich wissen: Wer ist für was zuständig? Wer entscheidet was?

Deswegen war die Kritik der SPD und des Kollegen Kuschke an Ihnen, Herr Ministerpräsident, eben die, dass wir von Ihnen erwartet hatten, dass Sie doch etwas frühzeitiger über Inhalte sprechen und sagen, was Sie damit machen wollen. Dafür müssen Sie keinen Gesetzentwurf vorlegen. Aber wir hätten natürlich gerne erfahren, wie Sie denn diese neuen Kompetenzen oder verschobenen Kompetenzen landespolitisch ausfüllen möchten.

Da rate ich Ihnen auch, ehrlich zu sein.

Herr Kollege Rudolph, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich bin sofort fertig.

In Wahrheit ist der Spagat bei Ihnen der größte. Denn Sie müssen uns all das vorschlagen, was mit den Kolleginnen und Kollegen von der FDP

vereinbart worden ist. Wir sind sehr gespannt auf die einzelnen Vorschläge. Die NRW-SPD bleibt das, was sie war. Sie bleibt sich selbst treu. Darum brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich jetzt die Aussprache zur Unterrichtung am heutigen Vormittag.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 14/820. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich aufzuzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.