Protokoll der Sitzung vom 01.12.2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen damit zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf:

10 Neuinvestitionen des Landes in Krankenhäusern für eine gute und sichere medizinische Versorgung sind unverzichtbar!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/712

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, das ist ein interessantes Thema. Es ist möglicherweise interessanter als die vielen Gespräche, die im Moment im Plenum stattfinden. Führen Sie diese Gespräche bitte draußen, wenn Sie sie führen müssen.

Ich eröffne die Beratung. Als erste Rednerin hat Frau Abgeordnete Fischer für die SPD-Fraktion das Wort.

(Anhaltende Unruhe)

Ich darf noch einmal darum bitten, die Gespräche jetzt nach draußen zu verlagern. Das gilt für alle – auch für Fraktionsvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier in den letzten Monaten nicht zum ersten Mal das Thema der Krankenhausinvestitionen. Uns treibt die Versorgungssituation in Nordrhein-Westfalen und damit die Zukunft der Krankenhäuser um. Die zahlreichen Briefe und Gesprächswünsche, die uns erreichen, machen uns in der Tat sehr nachdenklich, welche Folgen ein Investitionsstopp bei den Krankenhäusern im Jahr 2006 nach sich zieht und was dieser für die Versorgung der Patientinnen

und Patienten hier in Nordrhein-Westfalen bedeutet.

(Rudolf Henke [CDU]: Es gibt keinen Investi- tionsstopp!)

Darum greifen wir dieses Thema erneut auf. Wir wollen zum einen auf die Dringlichkeit dieses Themas hinweisen und den Handlungsbedarf für das Jahr 2006 ansprechen. Zum anderen wollen wir die Planung der Landesregierung für diese Legislaturperiode – also auch für die Folgejahre – aufgreifen, damit wir Gelegenheit haben, die Perspektiven der neuen Landesregierung zur Krankhausplanung hier im Landtag zu debattieren.

Wir werden mit Sicherheit nicht nachlassen, dieses Thema anzusprechen. Denn es geht um die Zukunftsfähigkeit der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen, und es geht um die Verlässlichkeit der Politik in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung und auch im Hinblick auf die Krankenhausträger hier bei uns.

(Rudolf Henke [CDU]: Sie müssen gerade von Verlässlichkeit sprechen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt nun einmal einen Rechtsanspruch gegenüber dem Land, in die Krankenhäuser zu investieren und für die Investitionskosten aufzukommen. Dies gilt nicht für die Höhe, aber dem Grunde nach ganz sicher – und das erst recht in der schwierigen Situation, in der sich die Krankenhäuser zurzeit befinden.

Gibt es keine Neuinvestitionen im Jahr 2006, ist zu befürchten, dass es eindeutig Qualitätseinbußen bei der medizinischen Versorgung, eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und auch eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der Krankenhäuser gibt.

(Rudolf Henke [CDU]: Es gibt Neuinvestitio- nen!)

Was es mit Sicherheit geben wird, ist eine Verschlechterung der bisher hervorragenden Versorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen.

Sie setzen damit ganz bewusst – und hier meine ich die neue Landesregierung sowie die Fraktionen von CDU und FDP – die Führungsfunktion Nordrhein-Westfalens bei der medizinischen Versorgung aufs Spiel. Sie reden viel über Gesundheitswirtschaft und deren Bedeutung für Nordrhein-Westfalen, kappen aber zugleich jede Inno

vation und jede Weiterentwicklung der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen.

(Rudolf Henke [CDU]: Was?)

Investitionen sind nun einmal nicht beliebig und erst recht nicht beliebig zeitlich zu verschieben. Es werden ohnehin auch jetzt immer nur Projekte gefördert, wenn sie ausdrücklich notwendig sind. Dazu gibt es festgelegte Kriterien. Sie werden zum Beispiel nur dann gefördert, wenn es um eine Gefahr für Leib und Leben geht, wenn es darum geht, diese Gefahr abzuwenden, wenn hygienische Mängel beseitigt werden müssen, wenn die medizinische Unterbringungsqualität verbessert werden muss, wenn Vorgaben aus dem Krankenhausplan des Landes erfüllt werden müssen.

Darum gab es auch in der Vergangenheit eindeutige Schwerpunkte, beispielsweise die Erweiterung der OP-Kapazitäten, Verbesserung der Intensivbetten, Erweiterung von Funktionsräumen, Anhebung hygienischer Standards. Das heißt, dies sind alles Schwerpunkte gewesen, die deutlich machen, dass es einen großen Bedarf in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern gibt, hier für Verbesserungen Sorge zu tragen.

Fehlen Investitionen, leidet darunter die Versorgungsqualität und die Wirtschaftlichkeit, der Kostendruck steigt für die Krankenhäuser. Es entstehen strukturelle Defizite. Die Erlöse sinken und die Folgekosten schnellen hoch. Die Folge sind Insolvenzen, eine fehlende Wettbewerbsfähigkeit und eine unzureichende Versorgung der Bevölkerung.

Man muss sich darüber hinaus klar machen, was es bedeutet, wenn es hier einen wachsenden Investitionsstau zukünftig gibt. Es bedeutet nämlich zugleich, dass sich dieser Investitionsstau in den Folgejahren potenziert. Und es bedeutet, dass es massive ökonomische Auswirkungen geben wird. Es wird Auswirkungen haben auf Arbeitsplätze. Es wird Auswirkungen haben auf das Handwerk, auf heimische mittelständische Betriebe, die alle letztendlich bei Investitionsmaßnahmen mitwirken. Damit sind die ökonomischen Auswirkungen fatal, die wir hier zu verzeichnen haben.

Wir fordern daher die Landesregierung auf, Neuinvestitionen auch 2006 vorzusehen und nicht an der falschen Stelle zu sparen.

(Rudolf Henke [CDU]: Es wird Neuinvestitio- nen geben!)

Wir fragen die Landesregierung darüber hinaus – nicht nur für das Jahr 2006, sondern für diese Legislaturperiode –: Welches Konzept haben Sie für die Krankenhausplanung in dieser Periode? Wel

che Förderschwerpunkte sehen Sie in den nächsten Jahren vor? Wie soll die Landeskrankenhausplanung zukünftig verändert werden angesichts der eindeutig neuen Herausforderungen unter den Bedingungen der DRG-Finanzierung und angesichts zukünftiger Leistungsverträge zwischen Kassen und Krankenhäusern?

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Die Festlegung der Bettenzahl im Krankenhaus ist zukünftig mit Sicherheit kein geeignetes Instrument für die Fortschreibung der Krankenhausplanung. Nicht das Vorhalten der Betten, sondern die angebotenen und erbrachten Leistungen müssen im Vordergrund stehen, auch bei der Krankenhausplanung.

Wir wollen von Ihnen wissen, wie die Landesregierung erstens ihrer rechtlichen Verpflichtung nachkommt und zweitens eine Landeskrankenhausplanung zukunftsfähig ausrichtet, damit wir in dieser Legislaturperiode zu verlässlichen Planungen für die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen kommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Fischer. – Es redet nun Herr Henke von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn man die Ausschusstermine, die Fraktionssitzungen und Arbeitskreistreffen mit einbezieht, dann wird deutlich, dass sich der Landtag heute zum 18. oder 19. Mal mit den Absichten befasst, die die SPD-Fraktion dieses hohen Hauses beim Thema Krankenhausinvestitionen gerne gehabt hätte, wenn die Wähler und die Wählerinnen die SPD bei der letzten Wahl noch immer so gerne gehabt hätten, wie die SPD gerne gehabt worden wäre, sodass sie jetzt das als von ihr selbst gerne gehabt darstellt, was die Krankenhausgesellschaft notwendigerweise als von ihr gerne gehabt betonen muss, damit sie von denen, für die sie handelt, weiter gerne gehabt wird.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das lesen wir noch einmal nach!)

Dieses vielfältige Gerne-Gehabt-Sein-Wollen ändert nichts daran, dass die Krankenhausinvestitionen in diesem Jahr mit dem Nachtragshaushalt sogar um 30 Millionen € aufgestockt werden, damit die Zusagen der Vergangenheit bedient werden können. Es ändert aber auch nichts daran,

dass Sie von der SPD und in den letzten zehn Jahren von den Grünen, aber insbesondere Sie von der SPD dafür verantwortlich sind, in welche Schulden Sie mit den Regierungen dieses Landes das Land in 39 Jahren geführt haben. Ich will darauf nicht weiter eingehen. Das ist hier schon oft besprochen worden.

Es ist richtig, wenn wir uns ein bisschen mit der Gesamtsituation der Krankenhäuser befassen. Denn sowohl aus ökonomischen als auch aus medizinischen Gründen erleben wir derzeit einen starken Trend hin zur Konzentration der Krankenhäuser. Dazu tragen Effekte des DRG-Systems – also des Fallpauschalensystems –, die Debatte über Mindestmengen, die verstärkten Bemühungen um Zentrenbildung, höhere Qualitätsanforderungen im Interesse der Patientinnen und Patienten, die hohen Anforderungen an Organisation und Management von Krankenhäusern aber auch gesetzliche Anforderungen bei, die nur mit bestimmten Mindestbesetzungen zu erfüllen sind.

Dieser Konzentrationsprozess wird sich meiner Meinung nach fortsetzen. Ob das genau so sein wird, wie es das RWI oder andere Wirtschaftsinstitute voraussagen, ist Spekulation. Aber sicher ist, dass die Krankenhauskapazitäten abnehmen werden und die Zahl der Abteilungen und wahrscheinlich auch der selbstständigen Häuser zurückgehen wird. Das kann man begrüßen oder bedauern. Wer sich nicht darauf einstellt, wird von der Entwicklung überrollt. Deshalb mahnen wir die Bereitschaft an, Kooperationen zu pflegen und Synergieeffekte zu nutzen. Denn wer um jeden Preis isoliert bleibt, geht als Erster unter.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung verändert sich die Rolle der staatlichen Krankenhausplanung. Deshalb werden auch die Regeln der staatlichen Krankenhausplanung nicht so bleiben können, wie sie heute sind. Ein Grund dafür liegt auch darin, dass die staatliche Krankenhausplanung in dem Maße stärker von dem Vorwurf bedroht wird, willkürlich zu sein, in dem sich Krankenhäuser untereinander im Wettbewerb erleben. Das darf nicht sein. Wir brauchen eine regelgebundene, transparente, an von außen berechenbaren Kriterien orientierte Krankenhausplanung. Diese Kriterien dürfen nicht eindimensional sein, sondern müssen Qualität, Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit, Erfüllung des Versorgungsauftrags, Patientenorientierung, den sozialen Charakter des Krankenhauses und seine Fähigkeit einschließen, seine Aufgaben in Aus-, Weiter- und Fortbildung zu erfüllen und sich an Recht und Gesetz zu halten.

Um die Chancen dafür zu verbessern, sind wir bereit, das Krankenhausgesetz Nordrhein-Westfalen zu überarbeiten – natürlich in einer ausreichenden Debatte mit allen Beteiligten und einem Zeithorizont bis Ende 2006. Hinsichtlich der Qualität brauchen wir große Anstrengungen, uns an Ergebnissen zu orientieren. Denn je mehr Ergebnisorientierung möglich wird, desto eher können wir bürokratieintensive Strukturen und Prozesskontrollen zurückdrängen. Wer gute Ergebnisqualität vorweisen kann, kann umso leichter von umständlichen Verfahren zum Nachweis seiner Struktur- und Prozessqualität entlastet werden.

Die zukünftige Planung muss sich am absehbaren Bedarf der Patienten orientieren. Diesem Bedarf entspricht auch eine besser integrierte Versorgung. Bei dem bereits angesprochenen Prozess der Zentrenbildung plädiere ich statt isolierter Konzentration auf Mindestmengen für eine Abbildung der gesamten Vielfalt von Qualitätsfaktoren. Ich denke, dass es am weitesten führt, sich dabei auf die wichtigsten Qualitätsfaktoren zu konzentrieren. Zahlen spielen dabei auch eine Rolle. Aber sie sind nicht der einzig entscheidende Faktor.

Schließlich wird unsere Politik daran gemessen werden, dass wir dafür sorgen, dass jeder Bürger ein Krankenhaus der Grundversorgung in seiner Nähe findet, dass auch Krankenhäuser mit einer Spezialversorgung nicht zu weit entfernt liegen – das ist gerade für die flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum wichtig –, dass wir keine Wartelisten schaffen und dass überall im Land die Notrettung und Notfallversorgung gewährleistet bleiben.

Ich werbe dafür, dass wir uns dafür gemeinsam einsetzen. Der heute eingebrachte SPD-Antrag erfüllt diese Anforderungen nicht. Wir stimmen aber gerne zu, ihn in die Ausschussberatung zu überweisen. – Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Henke. – Frau Steffens von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Henke, Sie haben auch jetzt wieder in den Raum gestellt, es wären die Schulden der Vergangenheit, die es Ihnen so schwer machen würden, im Krankenhausbereich mehr zu finanzieren.

(Ilka Keller [CDU]: Ja was denn sonst?)

Sie müssen sich schon überlegen, was denn nun gilt. In der Vergangenheit haben Sie uns vorgeworfen, wir würden zu wenig investieren. Jetzt werfen Sie uns vor, wir hätten zu viel finanziert.

(Rudolf Henke [CDU]: Sie haben zu viel ver- sprochen!)