Insofern ist Morsbach hier ein weiteres Beispiel. Deswegen, Frau Ministerin, diskutieren wir auch so oft hier im Landtag darüber, was Sie in der Fläche des Landes nicht zur Kenntnis nehmen wollen, nämlich – ich sage es noch einmal – den Elternwillen und den Gestaltungswillen der Kommunalpoliti
nicht, weil wir das von uns aus auf die Tagesordnung gesetzt haben; nein, weil Sie politisch so schlecht agieren.
Ich will, um das in einen Kontext zu rücken, noch einmal deutlich machen, dass Morsbach kein Einzelfall ist. Hier geht es jetzt tatsächlich um den Errichtungsbeschluss.
Aber wie ist das dann zum Beispiel in Köln? – Ich habe gerade eine aktuelle Pressemitteilung vor mir liegen. In Köln soll eine Gesamtschule gegründet werden, und auch die Stadt Köln möchte den Ganztag. Sie möchte den 8.300 Eltern, die ihre Kinder gerne an weiterführenden Schulen anmelden wollen bzw. das Bedürfnis nach Klarheit haben, zum 1. Februar eine Antwort geben. Das kann sie aber nicht, weil die Landesregierung nicht in der Lage ist, rechtzeitig zu diesem Termin eine Entscheidung zu treffen, wie es in Köln weitergehen kann.
Wir bleiben beim Regierungspräsidenten Köln. Es geht um Sankt Augustin. Regierungspräsident Lindlar schreibt mit Bezug auf Sankt Augustin: Ein Teilstandort kann nur in begründeten besonderen Ausnahmefällen unter sehr engen Voraussetzungen genehmigt werden.
Jetzt erinnern wir uns doch einmal, wie das in Horstmar und Schöppingen mit der Auslagerung des Teilstandortes Gymnasium war. Das ging da ohne Probleme. Hier, im Fall von Sankt Augustin, beruft sich die Bezirksregierung Köln darauf: Die Entfernung zwischen den Standorten muss in fünf Minuten zu Fuß zu überwinden sein. – Wie ist das denn zwischen Steinfurt und Horstmar und Schöppingen? Ist die Strecke auch in fünf Minuten zu überwinden?
Ich frage Sie allen Ernstes: Kann die eine Bezirksregierung so und die andere Bezirksregierung so handeln? Ich verstehe das nicht mehr, und die Menschen in Nordrhein-Westfalen verstehen es schon lange nicht mehr.
Ich sage Ihnen: Diese Bildungspolitik wird einen Beitrag dazu leisten, dass die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen eine Episode bleiben wird
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind mal wieder bei einer Gesamtschuldebatte, in der ein kommunales Thema, eine vor Ort aufgeworfene Einzelfrage, einen derart zentralen Stellenwert im Plenum bekommt.
Wenn wir uns zukünftig mit jeder einzelnen lokalen Frage von Elterninitiativen, Schuldgründungsprojekten etc. beschäftigen, zeigt das, weil wir diese Debatte nicht zum ersten Mal führen, die Themenarmut der Opposition insbesondere in der Bildungspolitik, aber auch darüber hinaus.
Sie wissen genau: Es gibt für unterschiedlichste Schulformen in unterschiedlichsten Landesteilen Gründungsbestrebungen. In anderen Ortschaften wollen Elterninitiativen zum Beispiel einen neuen Realschulstandort haben.
Ich glaube, es ist für den Landtag nicht sachgerecht, all diese Einzelfälle hier zum Thema aufzublasen.
Ich sage Ihnen von den Grünen: Der Rückbau von Privilegien ist für sich genommen noch keine Benachteiligung.
Wie Sie in den letzten Jahren vorgegangen sind, als Sie hier noch die Verantwortung hatten, will ich gerne benennen. Sie haben ideologisch mehr Gesamtschulen gewollt. – Das ist in der Tat nicht unser Ziel. – Anschließend haben Sie Zückerchen für Zückerchen verteilt, indem Sie das Privileg Ganztag, das andere Schulen auch gerne haben wollten, nur den Gesamtschulen zugebilligt haben. Anderen haben Sie es verweigert und nur den Gesamtschulen gegeben. Was haben hier in den letzten Legislaturperioden Realschulen, Gymnasien und Hauptschulen auf der Matte gestanden, die Ganztagsressourcen haben wollten? Das hat Sie überhaupt nicht interessiert!
Das war für Sie ein exklusives Angebot an die Gesamtschulen. An den Gesamtschulen haben wir jetzt einen Ganztagsversorgungsgrad von 98 %.
Deshalb sagen wir: Es ist eine Frage von Chancengleichheit – für eine faire Gesellschaft, eine faire Chancenauswahl –, wenn jetzt auch mal Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien zum Zuge kommen. Das ist unser Verständnis von Gerechtigkeit in der Ressourcenzuweisung!
Es mutet wirklich karikaturesk an, wenn Sie hier über Ressourcenaufwand sprechen, Frau Beer und Frau Schäfer. Haben Sie denn den Landesrechnungshofbericht überhaupt nicht gelesen? Den haben wir hier doch auch oft genug erörtert. Der Bericht weist in detaillierten Analysen nach, welche Ressourcen in leer laufenden Gesamtschuloberstufen gegenwärtig verschwendet werden. Ausdrücklich wird gesagt, dass gerade deshalb eine stabile und auf Dauer gerichtete Prognose für einen hinreichenden Besuch von Gesamtschuloberstufen – solange es sie schulrechtlich gibt – vorhanden sein muss.
Sie wissen genau: Die Mindestgröße eines Jahrgangs von 42 Schülern wird in Klasse 11 bereits von 8 % der Gesamtschulen unterschritten. Im Laufe der Oberstufe – so der Landesrechnungshof – steigt diese Zahl auf 52 % der Gesamtschuloberstufen an, womit dann auch die für ein qualitatives Fächerangebot benötigte Schülerzahl unterschritten wird.
Bemerkenswert fand ich, Frau Hendricks, dass Sie vorhin die Wahlergebnisentwicklung bei den Parteien angesprochen haben.
Ob gerade die Entwicklung, die Sie in der letzten Zeit genommen haben, für eine breite Zustimmung zu Ihrer Politik spricht, können Sie sicherlich sehr viel besser beantworten.
(Minister Karl-Josef Laumann, an Achim Tüt- tenberg [SPD] gewandt: Sie haben 30 %. Das ist auch kein Ruhmesblatt! -Achim Tüt- tenberg [SPD]: Mehr als 6 %!)
Mir geht es in der Debatte um Glaubwürdigkeit. Als wir hier über die freie Wahl für die Elternschaft, die Abschaffung von Schulbezirken, um den Elternrechten mehr Kraft zu geben, diskutiert haben, haben Sie Bilder von Chaos an die Wand gemalt. Sie haben die Vokabel der regionalen Schulentwicklungsplanung bemüht. Man dürfe nicht Einzelaspekte in Bezug auf eine Schule sehen und dabei die Auswirkungen für einen Raum insgesamt als Bildungslandschaft vergessen. – Alle diese Gedanken sollten Sie bei Ihrer Schulstruktur auch zugrunde legen.
Deshalb freue ich mich auch im anstehenden Landtagswahlkampf sehr auf diese Debatte. Frau Beer, momentan gibt es in Hamburg eine Volksabstimmung gegen die Politik einer grünen Bildungssenatorin. Dort wird noch sehr, sehr viel passieren. Ich sehe mit sehr großer Freude, wie dort die Eltern an der Basis und die Bürger aufstehen.
Auch den Fall Sankt Augustin hätten Sie vor diesem Hintergrund als Gesamtschulthema einmal näher beleuchten können. Dort gibt es in einem Bürgerentscheid eine breite Mehrheit gegen die Gesamtschulgründung. Nur ist der leider knapp gescheitert, weil das Quorum für ein Bürgerbegehren nicht eingehalten war.
Das Bild ist also sehr viel facettenreicher, als Sie es hier zeichnen. Deshalb setzen wir unseren Weg konsequent fort.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die CDU-Fraktion wünscht noch einmal der Abgeordnete Löttgen das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Schäfer, im Gegensatz zu Ihnen und Ihrem Wortbeitrag habe ich mir vorgenommen, jetzt wieder zum Thema Morsbach zu sprechen. Das ist das, was die Eltern erwarten. Ich möchte die noch ausstehende Frage, wieso das Gerichtsurteil angezweifelt wird, mit Ihrer Frage verbinden, was das Ganze mit dem Elternwillen zu tun hat:
In der Begründung Ihres Antrags gehen Sie von einer 90-prozentigen Zustimmung der befragten Elternschaft für eine Gesamtschule aus. Das ist ein Argument, das nicht zuletzt Bürgermeister, Verwaltung und die sogenannte „Bunte Liste“ für die Gesamtschule unter dem Stichwort „Elternwille“ immer wieder ins Feld führen. Dazu ist es erforderlich, die Situation zu beleuchten, in der die Eltern gebeten wurden, abzustimmen:
Am 13. November 2008 schreibt der Bürgermeister die Eltern der Grundschulkinder der 1. bis 4. Klasse in der Gemeinde Morsbach an. Dem Schreiben ist ein Fragebogen beigelegt, der bis zum 24. November 2008 zurückzusenden ist. Der Tenor des Anschreibens findet sich auf S. 4. Ich zitiere:
Liebe Eltern! Die klare Mehrheit im Rat der Gemeinde hat mit dem Beschluss zur Errichtung der Gesamtschule und zur Elternbefragung Ihnen, den Eltern, die Entscheidung über die bildungspolitische Zukunft in die Hand gegeben.