Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

Wie gesagt, ich habe bereits zweimal einen Untersuchungsausschuss gefordert. Denn Linssen gibt in Salamitaktik nur scheibchenweise Auskunft über das tatsächliche Ausmaß des Finanzdesasters. Das war schon bei den Anfang 2007 bekannt gewordenen Verlusten der WestLB infolge der SpreadSpekulationen mit Vorzugsaktien der Fall. Damals lagen dem Aufsichtsrat schon Monate vorher umfängliche Kenntnisse über die defizitären Finanzspekulationen bei der WestLB vor.

Auch bei den verlustreichen Geschäften mit USHypothekendarlehen – ich meine die sogenannte Subprime-Krise – hat Linssen die Lage bagatellisiert. Wohlgemerkt, Ende November und am 13. Dezember 2007 – also vor über zwei Jahren – bestritt Linssen das Milliardendefizit, welches ich ihm im Haushalts- und Finanzausschuss vorgehalten habe. Damals bezifferte er das Ausmaß im Bereich von nur einigen Hundert Millionen und äußerte, dass die WestLB derzeit keinen Kapitalbedarf habe.

Jetzt wurden die Risiken in dubiose Gesellschaften und in steuerlich noch dubiosere Länder ausgelagert. Von Transparenz keine Spur! Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal konstatieren: Natürlich brauchen wir Transparenz. Man muss besonders aufpassen, wo das Land an der Bank beteiligt ist; das ist alles richtig. Besonders wichtig ist auch, dass beobachtet wird, was mit den toxischen Papieren passiert, die das Platzen der WestLB verschuldet haben.

Ich kann nur sagen: Das, was SPD und Grüne hier heute vorschlagen, ist ein kleiner Teil dessen, was eigentlich notwendig wäre. Das sind keine großen Schritte. Das sind Trippelschritte, die Sie nach wie vor vorhaben. Ich werde mich deswegen enthalten, weil mir die Forderungen, die Sie aufstellen, nicht weitreichend genug sind. Von Transparenz und tatsächlicher Aufklärung des Sachverhalts kann hier keine Rede sein.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Jetzt, Herr Minister Dr. Linssen, haben Sie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag der Grünen las und noch mehr,

als der Antrag der SPD vorlag, habe ich mich gefragt: Warum machen die so etwas?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das fragen Sie zu Recht!)

Ich habe nun 30 Jahre Parlamentserfahrung und habe mir angewöhnt, mich immer mal so in Ihren Kopf zu versetzen.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Das ist schwer!)

Es ist schwer, Herr Ministerpräsident. Es ist wirklich schwer, aber die einzige Erklärung, ist folgende:

(Gisela Walsken [SPD]: Die wird aber inte- ressant sein!)

Sie mussten erkennen, dass die Lösung, die wir – die Eigentümer mit dem SoFFin – jetzt gemeinsam erarbeitet haben, eine gute Lösung ist. Deshalb haben Sie in der Sache praktisch überhaupt nichts mehr zu sagen. Da ist Ihnen eingefallen: Wir müssen das Thema aber am Leben halten. Als Opposition täte ich das auch. Versuch ist ja nicht strafbar.

Und dann haben Sie gesagt: Dann nehmen wir doch einmal die Informationspolitik. Aber da haben Sie natürlich den nächsten Flop gelandet. Ich habe mir einmal aufschreiben lassen, wann ich Sie informiert haben, meine Damen und Herren. Es ist hier schon mehrfach angeklungen, dass frühere Regierungen das nie so gehandhabt haben, wie ich es getan habe. Ich habe es selbst auf das Risiko, dass ich am nächsten Tag wieder Gott weiß was aus vertraulichen Sitzungen in der Zeitung lesen muss, getan, weil ich gedacht habe: Irgendwann werden sie vielleicht erkennen, dass diese Bank nicht Gegenstand von Polemik der Opposition sein kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Die letzten Monate haben mich – zumindest seitens der SPD – auch darin bestärkt, dass die Methode richtig war. Ich will Ihnen gerne sagen, Frau Walsken: Ich habe den Haushalts- und Finanzausschuss – fast immer persönlich – 24 Mal in den letzten zwei Jahren informiert.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Aber immer erst nach Erscheinen in der Tageszeitung!)

24 Mal! Am 14. Januar dieses Jahres habe ich wieder informiert. Da hatten Sie eigentlich gar nicht so das richtige Interesse; ich musste Ihnen die Information praktisch aufdrängen.

(Zuruf von der SPD: Wir hatten die doch schon morgens in der Tageszeitung gelesen, Herr Minister!)

Nein, Sie hatten nichts davon gelesen, sondern ich habe Ihnen mit dem Hinweis darauf, dass offensichtlich demnächst über die Erste Abwicklungsanstalt, die EAA, die jetzt neu gegründet ist, etwas in der Zeitung stehen würde, gesagt, dass ich Ihnen das gerne vorher sagen würde.

Ich habe das Plenum in den zwei Jahren 15 Mal informiert.

(Gisela Walsken [SPD]: Wie viele Male auf Antrag der Opposition?)

Ich habe die Obleute 18 Mal in den zwei Jahren entweder in vertraulichen Sitzungen oder aber in Telefonkonferenzen, fast immer unmittelbar nach bestimmten Ereignissen informiert. Dass Herr Sagel davon ausgeschlossen war – tut mir ja leid, Herr Sagel. Aber so sind nun einmal die Usancen hier im Parlament, und deshalb ist vielleicht bei Ihnen der Verdruss besonders groß. Aber das müssen Sie dann nicht bei mir anlanden.

Frau Walsken und Herr Sagel waren sich in dem Punkt wohl offensichtlich einig, dass jetzt 85 Milliarden – so Frau Walsken – nicht handelbare Papiere ausgelagert würden. Und Herr Sagel spricht in bewährter Manier von Schrottpapieren.

Sie wissen ganz genau, was von diesen 85 Milliarden toxische Papiere sind und dass die große Mehrheit entweder Staatsanleihen oder Kredite sind, jedenfalls nichtstrategische Dinge, die die Bank auf die Dauer nicht mehr handeln muss. Wenn Sie in Ihrer Wortwahl, Frau Walsken, da vielleicht ein wenig vorsichtiger wären, dann …

(Gisela Walsken [SPD]: Nicht handelbar!)

Nicht handelbar? Natürlich sind die handelbar. Entschuldigen Sie einmal, eine Staatsanleihe von Italien, Portugal, Griechenland, selbst Student Loans aus Amerika, das wissen Sie auch – die sind übrigens wieder mit 96 % bewertet –, sind natürlich jederzeit handelbar.

(Gisela Walsken [SPD]: Mit Verlust, klar!)

Es wird auch durch Ihre Intervention jetzt nicht besser.

Herr Groth, ich will jetzt einmal zugunsten der FDP etwas sagen. Sie haben vorhin erklärt, Sie würden diese Methode „Privat vor Staat, Hauptsache verscherbeln“, nicht mitmachen.

Hier wird nicht „Hauptsache verscherbeln“ betrieben, sondern es ist ein übereinstimmendes Konzept – auch mit Ihnen –, dass wir in die Konsolidierung der Landesbanken mit der Kernbank hereingehen wollen, wenn sich ein Partner findet. Ja, Sie haben immer wieder appelliert, wir müssten auf Bundesebene Konferenzen machen. Sie wissen, welche Bemühungen gelaufen sind. Zu einem Zusammenschluss gehören immer mindestens zwei, Herr Groth. Wenn Sie mir einen nennen können, bin ich natürlich ausgesprochen dankbar, weil Sie ja sicherlich auch besondere Informationen haben.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Ein Geschäftsmodell sei nicht erkennbar, sagen Sie, Frau Walsken. Darüber haben wir im Ausschuss – ich weiß nicht, wie oft – gesprochen. Die EU hat der

Kernbank ein funktionierendes Geschäftsmodell attestiert. Das wissen Sie auch. Trotzdem versuchen Sie immer wieder, einen anderen Eindruck zu erwecken.

Also, das Parlament soll stärker kontrollieren. So stark, wie das Parlament informiert worden ist, ist das noch nie in der Geschichte des Landtags geschehen. Von daher ist es – meine ich – ein untauglicher Versuch, hier das Thema zu beleben.

Für ein zusätzliches parlamentarisches Kotrollorgan besteht jedenfalls schon alleine im Hinblick auf die umfassende Berichterstattung aus meiner Sicht kein Bedarf. An den Unterausschuss „Landesbetriebe und Sondervermögen“ darf ich erinnern, da wird alle zwei Monate – so wie vereinbart – über die Entwicklung des Phoenix-Portfolios und die Risiken berichtet.

Ich darf zu dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen nur sagen: Die Risiken bei der Auslagerung des sogenannten Omega-Portfolios, Herr Groth, habe ich in den Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses am 26. November und am 10. Dezember ausgiebig erläutert. Ein Bericht über die nachlaufende Gewährträgerhaftung wird geliefert, sobald die im Zusammenhang mit der Übertragung noch bestehenden Fragen von der WestLB geklärt worden sind. Auch das hatte ich Ihnen im Ausschuss selbstverständlich berichtet. Dass die Verträge nach den besonderen Usancen – Verschlusssachenordnung des Landtags – eingesehen werden können, ist auch hinlänglich besprochen worden.

Sie hatten auch freundlicherweise – das haben Sie hier nicht wiederholt – im Ausschuss vorgetragen, dass Sie einsehen, dass viele Bereiche Ihres Antrages durch Zeitablauf überholt wären. Wenn Sie das da schon sagen, denke ich, kann ich das hier auch dem Publikum mitteilen, denn das war ja auch in öffentlicher Sitzung von Ihnen so vorgetragen worden.

Frau Walsken, die Funktion der parlamentarischen Kommission soll weit über die Aufgaben hinausgehen, die einem Parlament in einem demokratischen Rechtsstaat zukommen. Das Recht, auf die Geschäftspolitik der WestLB AG Einfluss zu nehmen, steht ausschließlich der Exekutive durch die von ihr in die Gremien der Bank entsandten Vertreter zu. Ein wie auch immer gearteter Vorbehalt einer parlamentarischen Kommission wird nicht vom parlamentarischen Informations-, Kontroll- oder Initiativrecht umfasst. Die Abgeordneten würden die verfassungsrechtlich vorgegebenen Kompetenzgrenzen missachten, wenn sie selbst das Geschehen, für das die Landesregierung die Verantwortung trägt, lenken oder unmittelbar beeinflussen wollten.

Bedauerlicherweise, meine Damen und Herren, muss ich ein weiteres Mal auf Ihren fehlerhaften

Umgang mit Zahlen zu sprechen kommen. Dies ist angesichts der bereits geschilderten Informationsdichte umso ärgerlicher. Es wirft jedenfalls ein schlechtes Bild auf Ihren Antrag, wenn Sie falsche Zahlen nennen. Darin ist die Rede davon, dass das Land für das Phoenix-Portfolio und im Zusammenhang mit der Errichtung der Abwicklungsanstalt mit Garantien in Höhe von 9,5 Milliarden € hafte. Sie wissen, dass diese Zahl falsch ist.

Heute haben Sie hier vorgetragen, dass der Landeshaushalt jederzeit mit über 8 Milliarden € in Haftung genommen werden könne. Das kann überhaupt nicht passieren. Das wissen Sie auch.

(Gisela Walsken [SPD]: Aber selbstver- ständlich kann das passieren!)

Sie wissen, dass die Garantien sich auf insgesamt 4,242 Milliarden € belaufen. Für das PhoenixPortfolio haftet das Land mit einer Garantie von 3,76 Milliarden €, und zwar 0,76 Milliarden € quotal und 3 Milliarden € disquotal. Die Garantie des Landes zugunsten der Abwicklungsanstalt ist für zu erwartende Verluste auf 0,482 Milliarden € begrenzt. Erst wenn das vorhandene Eigenkapital und die Garantien der Eigentümer von 1 Milliarde € nicht ausreichen, um eventuell unerwartete Verluste abzudecken, besteht in diesem eher unwahrscheinlichen Fall für die Alteigentümer eine weitere Verlustausgleichspflicht.

In einem weiteren Punkt geht der Antrag von einer unzutreffenden Annahme aus. Nach den Vorstellungen der Antragsteller soll die parlamentarische Kommission die Landesvertreter in den Gremien der WestLB AG überwachen, um insbesondere die Entwicklung der ausgelagerten Portfolien kontrollieren zu können. Dazu ist hier auch schon vorgetragen worden. Sie wissen, dass sich diese Papiere in Zukunft in der Ersten Abwicklungsanstalt befinden und dann die Kontrolle über den Verwaltungsrat dieser Ersten Abwicklungsanstalt erfolgt.

Ich darf Sie daran erinnern, dass die Abwicklungsanstalt als Anstalt innerhalb der Finanzmarktstabilisierungsanstalt der bundesrechtlichen Kontrolle unterliegt – nach den Vorgaben des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes und der ergänzenden bundesrechtlichen Bestimmungen. Diese umfassen auch umfangreiche Berichtspflichten gegenüber der Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Für eine zusätzliche parlamentarische Kontrolle auf Landesebene besteht deshalb insoweit kein Erfordernis.

Selbstverständlich werde ich das Parlament über die Entwicklung der Beteiligung des Landes an der Ersten Abwicklungsanstalt umfassend informieren, so wie ich es am 14. Januar schon zu den ersten Schritten dieser Abwicklungsanstalt getan habe.

Sofern sich die eingeforderte Wahrnehmung der Kontroll- und Überwachungsbefugnisse der parlamentarischen Kommission auf die Gremien der WestLB AG bezieht, stehen dem eindeutige aktien

rechtliche Bestimmungen entgegen. Auch das ist von den Rednern der Regierungsfraktionen hier deutlich vorgetragen worden. Deshalb will ich diesen Punkt nicht weiter vertiefen.

Allerdings gilt es auch zu beachten, dass Aufsichtsratsmitglieder nach Aktiengesetz weisungsungebunden sind. Die parlamentarische Kommission kann deshalb keinen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der vom Land entsandten Mitglieder im Aufsichtsrat der WestLB AG nehmen. Diese Aufsichtsratsmitglieder sind zudem zur Verschwiegenheit verpflichtet. Verstöße hiergegen sind strafbewehrt. Sie wissen, wie oft wir an die Grenze des Rechts gekommen sind, wenn wir versucht haben, Sie sehr intensiv zu informieren.

Außerdem darf ich in Erinnerung rufen, dass wir nicht die Mehrheit bei der WestLB haben. Vielmehr beträgt unser Anteil jetzt, nachdem die Landschaftsverbände mit ihrer kleineren Quote bei der NRW.BANK vertreten sind, 48,2 %. Die Mehrheit haben nach wie vor die Sparkassenverbände.