Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sagen Sie nicht immer die Unwahrheit! Den gab es zu Zeiten von Schartau und Brusis auch schon!)

Der war zu Schartaus Zeiten nicht allgemein verbindlich. Herr Schmeltzer, regen Sie sich doch nicht auf. Herr Schmeltzer, Sie müssen sich gar nicht aufregen. Sagen Sie doch: Es ist gut, dass KarlJosef Laumann für eine viertel Million Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen Löhne für allgemein verbindlich erklärt hat! Sagen Sie das doch einmal!

(Beifall von CDU und FDP)

Wären Sie in dieser Sache einmal ein bisschen ehrlicher, wären Sie auch ein bisschen glaubwürdiger.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Mit Ihrer Unwahrheit kommen Sie auch keinen Schritt nach vorne!)

Herr Schmeltzer, ich sage Ihnen eins: Ihr Funktionärsgehabe wird keinen Arbeitnehmer für die SPD überzeugen. Da bin ich ganz ruhig.

(Beifall von CDU und FDP)

Da wir im Sozialversicherungsrecht bewusst das Entstehungsprinzip verteidigt haben, bedeutet das: Wenn ein Unternehmen in der Gastronomie den Mindestlohn nicht zahlt und die sozialversicherungsrechtliche Prüfung feststellt, dass man mit dem Betrag, der vorenthalten worden ist, über die Grenze von 400 € gekommen wäre, dann müssen die Betriebe nachträglich die volle Sozialversicherungspflicht bezahlen. Ich kann Ihnen von Bescheiden zum Beispiel gegen Einzelhandelsketten berichten, wonach diese Ketten erhebliche Sozialversicherungsbeiträge nachbezahlen mussten, weil wir diese Regelung sehr wohl verteidigt haben. Dieser Schutz ist viel wirksamer als diese 15-StundenRegelung. An der Stelle hätte ich Ihnen wirklich zugetraut, dass Ihnen etwas mehr eingefallen wäre, Herr Schmeltzer.

Dann sagen Sie, wir sollen zusammen mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften Aufklärungskampagnen betreiben. Wir sollen Arbeitgeber darauf hinweisen, dass sie ihrer Fürsorgepflicht nachkommen. Wir sollen Maßnahmen zur Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte für geringfügig Beschäftigte ergreifen. Jawohl, das ist der Job eines Arbeitsministers. Das ist der Job eines Arbeitsministeriums,

dem wir grundsätzlich jeden Tag nachgehen. Dazu braucht man uns gar nicht aufzufordern. Das ist eine ganz normale Aufgabe eines Arbeitsministeriums.

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir haben in Deutschland für die 400-€-Verträge eine Institution geschaffen. Diese Institution haben wir bundesweit einheitlich mit der Minijobzentrale bei der Knappschaft angesiedelt. Diese Minijobzentrale ist als Bundesinstitution dafür zuständig, diese Aufklärungsarbeit zu leisten. Gehen Sie einmal auf die Internetseiten der Minijobzentrale, und zwar dorthin, wo deren Publikationen ausgelegt sind. Ich finde, dass die Minijobzentrale in dieser Frage eine hervorragende Arbeit macht. Auch dieser Punkt ist von uns bedacht worden.

Jetzt zum allerletzten Punkt: Ihnen müsste doch bekannt sein, dass Minijobber selbstverständlich einen Anspruch auf Tarifvertragsregelungen haben, wenn es sie in ihren Bereichen gibt. Den können sie auch einklagen. Also tun Sie doch bitte nicht so, als seien die alle schutzlos.

Wir als Regierung können ganz klar sagen: Im Grundsatz haben sich die Verträge bewährt.

(Gerda Kieninger [SPD]: Gehen Sie doch einmal zu den Menschen!)

Ich habe Ihnen auch etwas zu den Schattenseiten gesagt. Wenn Sie hier so ein Theater aufbauen, aber nur drei solch lächerliche Forderungen aufstellen, nämlich „Aufklärung“, „dafür sorgen, dass die Arbeitgeber ihrer Fürsorgepflicht nachgehen“ und „Festsetzung der Stundenhöchstzahl“, und Ihnen nicht mehr einfällt, dann hätten Sie sich diesen Antrag wirklich sparen können. Er ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist.

(Beifall von CDU und FDP – Gerda Kieninger [SPD]: Dann weiß ich gar nicht, warum Sie sich so darüber aufregen!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Kollege Schmeltzer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Zuruf von der CDU: Das bringt doch nichts!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Den Zwischenruf „Das bringt doch nichts!“ kann ich verstehen, weil Sie nicht für die Realitäten der Arbeitswelt in diesem Lande einstehen. Das haben Sie heute wieder gezeigt.

(Beifall von der SPD)

Herr Kern, so populistisch kenne ich Sie gar nicht. Den Antrag scheinen Sie gar nicht gelesen zu haben. Die Realität ist: Wenn man liest und nachvoll

zieht, um was es überhaupt geht, dann sind wir eigentlich nahe beieinander. Nur müssen Sie wohl 94 Tage vor dem Regierungswechsel eine andere Linie fahren. Das verstehe ich zwar, aber Sie werden mit Ihrem Populismus nicht weiterkommen.

Heute Morgen ging es im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF – im Hotelzimmer hat man die Möglichkeit, da beim Wachwerden kurz reinzuschauen – um Minijobs, Herr Minister. Es gab Anrufe von Zuschauern, die zum Beispiel gefragt haben: Warum bekomme ich keinen Urlaub? Warum bekomme ich als Minijobber keine Lohnfortzahlung? Stimmt es, dass ich nicht arbeiten darf und keinen Lohn bekomme, wenn mein Arbeitgeber in den Urlaub fährt? – Das sind Fragen, die tausendfach am Tag gestellt werden. Die Menschen haben teilweise Angst, diese Rechte durchzusetzen, selbst wenn sie wissen, dass sie sie haben, weil sie glauben, als 400-€-Jobber Arbeitskräfte zweiter Klasse zu sein.

Ich will ihnen das Beispiel eines Mannes nennen, dessen Betrieb in Insolvenz gegangen ist und der dann zu mir gekommen ist. Er sagte: Ich bin nur 400-€-Jobber und brauche mich gar nicht anzustrengen, noch einen Euro zu bekommen; ich stehe noch nicht einmal auf der Lohnliste. – Die Menschen wissen nicht, dass sie die gleichen Rechte haben. Genau darum geht es. Wir müssen ihnen verdeutlichen, dass sie keine Arbeitnehmer zweiter Klasse sind, sondern dass sie mit ihrem 400-€-Job alle Rechte haben, die alle übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land auch haben. Dazu sollen Sie beitragen, Herr Minister, aber da verweigern Sie sich!

Ich komme zu dem, was hier im Hinblick auf die Arbeitslosenzahlen unterstellt wurde. Herr Kollege Kern, dazu hat Frau Steffens Ihnen einiges gesagt. Das kleine Einmaleins ist manchmal ganz wichtig. Zählen Sie einfach all die Kurzarbeiter, für die Olaf Scholz eine gute Kurzarbeiterregelung auf den Weg gebracht hat, dazu, dann kommen Sie annähernd auf die Arbeitslosenzahl von 2005.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Allgemeinverbindlichkeitserklärungen sagen. Herr Minister Laumann, eine Unwahrheit wird nicht wahrer, wenn Sie sie permanent in diesem Hause wiederholen.

(Beifall von der SPD)

Sie haben nicht mehr Allgemeinverbindlichkeitserklärungen erlassen als Ihre Vorgänger Harald Schartau und Ilse Brusis. Sie haben in der Masse der Branchen weniger erlassen. Nehmen wir doch das Beispiel des Hotel- und Gaststättengewerbes; das bietet sich bei dem Thema an. Sie propagieren überall, Sie hätten keine Allgemeinverbindlichkeitserklärung unter 7,50 € erlassen. Für das Hotel- und Gaststättengewerbe gelten aber 6,50 €. Wenn ich in der Schule richtig aufgepasst habe, ist das weniger als 7,50 €.

Oder nehmen wir doch einmal das Beispiel der Minijobber im Hotel- und Gaststättengewerbe.

(Minister Karl-Josef Laumann schüttelt mit dem Kopf.)

Schütteln Sie nicht mit dem Kopf. Das trägt Ihre Unterschrift, und dazu haben Sie selbst eine Presseerklärung herausgegeben. Allerdings waren es damals noch 6,30 €; mittlerweile ist das angehoben worden.

Nehmen wir doch einmal das Hotel- und Gaststättengewerbe. Beschäftigung auf 400-€-Basis ist durchaus keine Seltenheit in diesem Gewerbe. Wenn wir das auf den Stundenlohn von 6,50 € umrechnen, kommen wir auf 14,3 Stunden in der Woche – wenn es denn regulär eins zu eins so umgesetzt werden würde. Aber, Herr Minister Laumann, es reicht nicht, in der Kneipe ein Bier zu trinken. Man muss auch sehen, wer es einem bringt und unter welchen Arbeitsverhältnissen. Die 14,3 Stunden sind unrealistisch. Die Menschen knechten für wesentlich weniger, als Sie uns glauben machen wollen.

Nehmen wir doch einmal die Höchststundenzahl. Im Übrigen ist im Antrag gar keine genannt. Abgesehen davon, dass Sie nur drei Forderungen erkannt haben, es aber vier sind, unterstellen Sie uns eine Höchststundenzahl von 15, aber es ist gar keine genannt. Lesen bildet nicht nur, Lesen ist auch eine Grundvoraussetzung für das Debattieren, Herr Minister.

Nehmen wir einmal die 15 Stunden …

(Zuruf von Manfred Palmen [CDU])

Herr Palmen, endlich dürfen Sie einmal offiziell dazwischen schreien. Herzlich willkommen in den Abgeordnetenreihen!

Nehmen wir einmal die 15 Stunden, die wir immer fordern. Wenn wir die 15 Stunden als Höchstgrenze, die meines Erachtens noch zu hoch ist, unterstellen, dann liegen wir bei einem Stundenlohn eines 400-€-Jobbers von 6,16 €. Wenn wir aber 20 Stunden als Höchstgrenze nehmen – ich erinnere mich noch an die Milchmädchenrechnung von Herrn Brakelmann in diesem Hause –, dann liegen wir bei einem Stundenlohn von 4,62 €. Das nennen Sie ein ordentliches Arbeitsmarktinstrument. Sie fördern das Lohndumping und den Niedriglohnbereich. Deswegen ist das, was Sie hier abliefern, schäbig, Herr Minister. Tun Sie endlich einmal etwas, und zeigen Sie nicht immer nur mit dem Finger auf andere. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmeltzer. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht

vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind und zur Abstimmung kommen können. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt, sodass wir jetzt zur selbigen kommen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Da ist doch kei- ner da! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir müs- sen doch nicht für Mehrheiten sorgen!)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10593. Wer dem Inhalt des Antrages zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Herr Sagel enthält sich. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu:

3 Anlegerschutz auf dem Finanzmarkt stärken – Bundesregierung unterstützen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/10591

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU dem Abgeordneten Peter Kaiser das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Kaiser.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unser heute vorgelegter Antrag führt eine Diskussion fort, die wir hier im Landtag im September des vergangenen Jahres angestoßen haben. Was wir hier im Landtag Nordrhein-Westfalen im Herbst besprochen haben, wollen wir nun konkret und orientiert am Koalitionsvertrag von Berlin in unserem Land weiterentwickeln und damit die Bundesregierung aktiv unterstützen.

Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, die versuchen, ihr Geld möglichst gewinnbringend für die Altersversorgung, für eine Immobilie, für ein Auto, für die Kinder und für die Enkel anzulegen, steht im Mittelpunkt unseres Antrages. Die Verbraucher stehen immer noch einem unübersichtlichen Finanzmarkt gegenüber. Die Unübersichtlichkeit wird sich auch nicht ändern. Dafür ist der globale Finanzmarkt zu kompliziert.

Aber gerade deshalb gehen die Verbraucherinnen und Verbraucher zu den Banken und Beratern, weil sie dort kompetente und zuverlässige Beratung erwarten. Sie können und müssen nicht die Details wissen, die die Profis kennen. Sie wollen informiert werden, wollen die Produkte bekommen, nach denen sie verlangen, und vor allem wollen sie Zuverlässigkeit.

Für die CDU-Fraktion dreht sich die heutige Diskussion daher um ein zentrales Stichwort, nämlich „Information“. Informationen für die Verbraucher zu den teilweise komplizierten Produkten des Finanzmarktes müssen umfassend, verständlich und vor allem vergleichbar sein. So sollen sie in die Lage versetzt werden, ihre Entscheidungen richtig zu treffen und finanzielle Risiken oder gar Schaden zu vermeiden.

Da setzen wir in Nordrhein-Westfalen schon früh an. So hat die Landesregierung in den Schulen Programme wie etwa die Initiative „Alles im Griff“ aufgesetzt, die gut angenommen werden und auch in diesem Jahr fortgesetzt werden müssen, um auf Dauer möglichst weitreichenden Erfolg zu haben. Die christlich-liberale Koalition in Berlin hatte sich zum Ziel gesetzt, den Verbraucherschutz auf dem Finanzmarkt zu stärken. Hierbei hat sie unsere volle Unterstützung.