Protokoll der Sitzung vom 09.03.2010

(Heike Gebhard [SPD]: Haben Sie einen an- deren Antrag vorliegen als wir?)

Es wird nicht zugewartet. Vielmehr wird dieses Sofortprogramm parallel zur Aufstellung des Krankenhausplanes umgesetzt, und zwar erfolgreich. Darauf wird Minister Laumann in seiner Rede ausführlich eingehen.

(Heike Gebhard [SPD]: Das wissen Sie schon? – Ursula Meurer [SPD]: Ach, Sie wis- sen das schon!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, diese Aktivitäten sind Ihnen auch bekannt. Umso unverständlicher sind Ihre Angriffe gegen den Minister, dem Sie Untätigkeit vorwerfen und jegliche Sensibilität und Verantwortung bei diesem Thema absprechen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das haben jetzt Sie gesagt!)

Diese Vorwürfe sind reine Wahlkampfpolemik. Sie sind nicht gerechtfertigt. Wir weisen sie entschieden zurück.

(Beifall von CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Tatsache, dass diese Formulierung erst jetzt, im März 2010, in den gemeinsamen Antrag aufgenommen wurde – in den Einzelanträgen finden sich diese Anschuldigungen nicht –, macht Ihre Intention mehr als deutlich. Ich bedaure das sehr. Das Thema ist viel zu ernst, um im Wahlkampf Munition zu liefern. Es eignet sich auch nicht für parteipolitische Profilierungen.

Zudem müssen Sie sich fragen lassen: Welche Situation haben wir 2005 bei Regierungsübernahme nach Jahren rot-grüner Verantwortung für die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher vorgefunden?

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Gab es die weißen Flecken nicht? Gab es die Engpässe nicht? Gab es den Mangel an Fachärzten und Therapeuten nicht? Ist das alles neu oder alles vergessen?

(Marlies Stotz [SPD]: Sie hatten aber fünf Jahre Zeit! – Gegenruf von Minister Karl- Josef Laumann: In dieser Zeit bildet man kei- nen Arzt aus!)

Die Situation heute – das ist wahr – verschärft sich durch steigende Zahlen von behandlungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen. So hat unter anderem die schwierige Wirtschaftslage zu einer Verschärfung sozialer Problemlagen geführt. Die Auswirkungen und die Unsicherheiten reichen bis weit in die Familien hinein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir fest: Es gibt eine Fülle von Ursachen, die die psychische und seelische Gesundheit von Kindern gefährden. Das ist in den Anträgen ausführlich dargestellt. Es gibt die Verantwortung der Eltern, aber auch die Verantwortung der Einrichtungen und Institutionen von Erziehung, Bildung und Betreuung. Kindern und Jugendlichen ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich altersgemäß entwickeln und entfalten können, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Im Abschlussbericht der Enquetekommission „Chancen für Kinder“ wird eine „Kultur des Hinschauens“ gefordert, eine Achtsamkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen, um riskante Lebenssituationen frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und entsprechende Hilfen einzusetzen, und zwar bevor sich Auffälligkeiten zu einer manifesten Störung entwickeln.

Bestehende Präventions- und Hilfemaßnahmen weiterzuentwickeln und sie besser mit den Einrichtungen der Bildung, Erziehung und Betreuung einschließlich der Schulen zu vernetzen, die für diese besondere Problematik zu sensibilisieren sind, lauten wichtige Forderungen in unserem Antrag, dem Antrag von CDU und FDP.

Ziel der Förderung von Kindern ist es, sie stark zu machen, damit sie besser mit Stress, Frustration und Ängsten umgehen und ein starkes Selbstwertgefühl entwickeln können.

In den letzten fünf Jahren ist in Nordrhein-Westfalen viel geschehen, um die Rahmenbedingungen für Kinder, für Eltern und für Familien zu verbessern. Lassen Sie mich dazu einige Stichworte nennen:

der Ausbau des Frühwarnsystems und die Einbindung der U-Untersuchungen

Die Plätze für U3-Betreuung wurden seit 2006 fast verzehnfacht.

In Nordrhein-Westfalen gibt es endlich flächendeckend Sprachförderung für Kinder vom vierten Lebensjahr an.

Bislang sind 1.750 Familienzentren eingerichtet worden. Sie bieten Beratung und sozialraumorientierte Vernetzung aller Akteure, die für Familien von Bedeutung sind.

der Ausbau und die qualitative Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten in Grundschulen

die Einrichtung des Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“.

Ein letzter Hinweis sei mir gestattet. Die Zahl der vom Land geförderten Schulpsychologen wird zum 1. August dieses Jahres bei 145 liegen. Das ist eine Verdoppelung gegenüber 2005.

Uns geht es – ich will es wiederholen – um eine ausreichende dezentrale ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfestruktur für Kinder und Jugendliche, die unter psychischen Störungen leiden

(Heike Gebhard [SPD]: Von teilstationär und stationär steht dort überhaupt nichts! – Bar- bara Steffens [GRÜNE]: Das steht aber nicht in Ihrem Antrag!)

doch –, und um den Abbau von Wartezeiten, die für Betroffene und ihre Familien schwer erträglich und von der Sache her nicht hinnehmbar sind. Diese Aufgabe ist bei Minister Laumann in guten Händen. Aber uns geht es auch um einen ganzheitlichen Ansatz, um gute Rahmenbedingungen, um Prävention, um Früherkennung und zeitnahe Hilfen, um drohende Erkrankungen möglichst zu vermeiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den kommenden Plenartagen mehrfach die Situation von Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen und Hilfen für Kinder in Not diskutieren und uns intensiv darüber austauschen. Das ist ein wichtiges Thema, das wir, denke ich, auch in den nächsten Jahren intensiv und gemeinsam vorantreiben werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Monheim. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Dr. Romberg das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ein Wort zu Frau Steffens: Bei dem ganzen Bedauern hätte ich mir gewünscht, dass Sie unseren Antrag etwas genauer gelesen hätten.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Ich habe ihn gut gelesen!)

Anscheinend haben Sie viele Punkte überlesen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Nein!)

Übrigens ist die Primärprävention der allererste Punkt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Ja, aber dazu steht kaum etwas drin!)

Lesen Sie das einfach noch mal und hören Sie zu. Dann kommen Sie vielleicht ein bisschen klüger aus der Debatte heraus.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Bestimmt nicht, wenn Sie reden!)

Gerade bei mir! – Insbesondere dieser Bereich der Psychiatrie verlangt nicht nur besondere Aufmerksamkeit, sondern aus naheliegenden Gründen auch besonderes Fingerspitzengefühl. Außerdem ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Zersplitterung unseres Gesundheits- und Sozialwesens mit seinen unterschiedlichen Zuständigkeiten an die Entwicklung wirksamer und auch praktikabler Ansätze und Konzepte besondere Anforderungen stellt. Das gilt vor allem dann, wenn man die primärpräventiven Aspekte eingehender betrachtet.

Die Entstehung von psychischen Erkrankungen hängt je nach Art der Erkrankung von sehr unterschiedlichen Faktoren ab. Das gilt für Kinder ebenso wie für Erwachsene. Auffällig ist, dass es deutliche Hinweise und Belege dafür gibt, dass die Zahl von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft wächst, bei denen psychische Auffälligkeiten feststellbar sind. Der Gesundheitssurvey des RobertKoch-Instituts konnte diese Entwicklung belegen.

Das soziale Umfeld ist hierbei von besonderer Bedeutung. Das reicht vom Elternhaus über den Freundeskreis und den Sportverein bis hin zu Kindergarten und Schule. Deshalb muss man diese auf allen Ebenen einbeziehen: sowohl bei der Prävention als auch bei der Behandlung und der Nachsorge.

Die Landesregierung hat im Übrigen bereits – Frau Monheim hat darauf hingewiesen – ein Konzept zur Verbesserung der teilstationären und der stationären Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie entwickelt. Der darin angekündigte Ausbau der Plätze wird sukzessive umgesetzt.

Darüber hinaus ist eine strukturierte Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Jugendhilfe ebenso unerlässlich wie mit der Familien- und Geburtshilfe auf örtlicher Ebene. Da gibt es bereits Modellprojekte, die sich für eine erfolgversprechende Weiterentwicklung eignen.

Das primäre Ziel ist es, die Kompetenz der Eltern zu verbessern, damit seelische Störungen erst gar nicht entstehen oder zumindest auf eine gute Weise bewältigt werden können. Hierzu benötigen wir entsprechende Leitlinien und Zugangswege – gerade für solche Eltern, die es nicht gewohnt sind, sich Problemen offensiv zu stellen. Diese Zielsetzung kann selbstverständlich nicht von heute auf morgen erreicht werden.

Sehr wichtig ist uns auch, die Strukturen so zu gestalten, dass eine effektive Behandlung im Krankheitsfall ermöglicht wird. Nach meiner persönlichen Auffassung steht und fällt ein solcher Anspruch mit einem gemeindenahen, sektorenübergreifenden Versorgungsansatz. Hierbei kommt es darauf an, Ängste schon im Vorfeld zu nehmen und für so viel Vertrauen und Normalität wie möglich zu sorgen.

Das Wohlbefinden der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist aufgrund ihrer Störung bzw. ihrer Erkrankung häufig schon beeinträchtigt genug. Deshalb ist es von enormer Bedeutung, die Behandlung so zu gestalten, dass sie stigmatisierungsfrei ist. Das ist unter Umständen nicht einfach, aber das gilt als Paradigma ohne Alternative.

Wir fordern, die Zusammenarbeit zwischen Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie intensiver zu gestalten. Es darf nicht darum gehen, starre Altersgrenzen anzuwenden, sondern es muss darum gehen, im Einzelfall zu entscheiden, wo ein junger Erwachsener am besten behandelt werden kann.

Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, sich gegenüber der Selbstverwaltung dafür einzusetzen, dass das Angebot an niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern und -psychotherapeuten dem wachsenden Bedarf angepasst wird. Dazu gehört eine gezielte Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich und die Überlegung, wie man noch mehr Anreize schaffen kann, damit sich mehr Ärzte und Psychologen in diesem wichtigen Bereich engagieren.

Im Vergleich dazu halte ich die Forderungen aus dem Antrag von SPD und Grünen für unsachgemäß, zum Teil für überflüssig.

(Widerspruch von Barbara Steffens [GRÜ- NE])