Überparteilichkeit im Petitionsausschuss bedeutet, dass die Regierungsfraktionen den Mitgliedern der Oppositionsfraktionen Gestaltungsspielraum lassen. Andererseits müssen die Abgeordneten der Opposition diesen Gestaltungsspielraum mit Augenmaß und unter Beachtung der tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse nutzen. Die Menschen im Lande würden es nicht verstehen, wenn im Petitionsausschuss ihr Anliegen nach den üblichen Abstimmungsritualen behandelt würde. Ehrliche Petitionsarbeit hat die Lösung des Bürgerproblems im Blick und nicht den oft kurzlebigen parteipolitischen Vorteil. Das alles erfordert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Ausschuss. Dafür habe ich aus Überzeugung und gerne meinen Beitrag als Vorsitzende geleistet.
Schon jetzt darf ich darauf hinweisen, dass wir nach der Osterpause einen ausführlichen Abschlussbericht über die Arbeit in der 14. Wahlperiode vorlegen werden. Daraus werden vor allem die Schwerpunkte unserer Arbeit hervorgehen. Ich verspreche Ihnen eine spannende Lektüre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Anzahl der Petitionen sind auch in dieser Wahlperiode auf einem hohen Niveau geblieben. Mit rund 25.000 Eingaben ist die 13. Wahlperiode sogar noch übertroffen worden. Über 26 % aller Eingaben konnten wir positiv abschließen. Positiv erledigen nach Art. 41a Landesverfassung konnten wir sogar über 50 %. Nähere Informationen zu den Zahlen können Sie am Ende des schriftlichen Berichts und auf den Internetseiten des Landtags erfahren.
Dass die eingehenden Petitionen eine konstant hohe Anzahl aufweisen, ist nicht zuletzt auf die nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen. Dafür haben wir 14 auswärtige Ausschusssprechtage – vor allem in den ländlichen Bereichen des Landes – durchgeführt. Zusätzlich gab es monatliche Sprechstunden in Düsseldorf. Gemeinsam mit den Obleuten haben wir zehn Telefonaktionen mit diversen Tageszeitungen im Lande durchgeführt. Alle Beteiligten, auch die Redaktionen, waren sehr überrascht, welch großen Anklang diese Aktionen bei der Leserschaft gefunden haben.
Wichtig für die Öffentlichkeitsarbeit ist auch der Film über die Arbeit des Petitionsausschusses. Darin wird die Arbeit des Ausschusses sehr anschaulich gezeigt, auch, wie jedermann Petitionen einreichen und nutzen kann. Besuchergruppen und Schulkassen im Landtag wird dieser Film gezeigt bzw. zur Verfügung gestellt. Außerdem befindet sich der Film auf den Internetseiten des Landtags.
In dieser Wahlperiode haben wir den Menschen im Land erstmals ermöglicht, sich auch online an den Ausschuss zu wenden. Dafür ist auf den Internetseiten ein Online-Formular abrufbar. Auch einfache E-Mail-Eingaben werden akzeptiert, wenn die erforderlichen Kriterien erfüllt sind. Die Zahl der OnlinePetitionen steigt stetig und liegt derzeit bei 20 % aller Eingaben.
Massenpetitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gab es im Landtag erstmals im Winter 2007 und im Frühjahr 2008. In der Spitze waren es 19.000 Eingaben, die vorwiegend elektronisch eingegeben wurden. Die Petenten waren Beamtinnen und Beamten des Landes und der Kommunen, die sich gegen die von der Landesregierung beabsichtigte Verschiebung der Besoldungsanpassung um sechs Monate wandten. Der Petitionsausschuss hat nach einem angemessenen und verfassungsgemäßen Weg gesucht, mit dieser Eingabenflut fertig zu werden. Dabei mussten wir einerseits das Petitionsgrundrecht der Einsender beachten, andererseits die Funktionsfähigkeit der Parlamentsarbeit sicherstellen mit dem Ergebnis, dass bei einer Massenpe
tition die Funktionsfähigkeit des Parlaments im Vordergrund stehen muss. Wir haben deshalb den im Ergebnis negativen Beschluss des Ausschusses öffentlich gemacht und nicht allen Einsendern individuell übermittelt. Ich gehe davon aus, dass die nächste Geschäftsordnung des Landtags eine Regelung für die Behandlung von Massenpetitionen enthalten wird.
Die Schwerpunkte der Petitionsarbeit werden übrigens weitgehend durch die aktuelle Regierungspolitik bestimmt. Dabei ist nicht nur die Politik im Land, sondern auch die im Bund ausschlaggebend. Viele Änderungen in Bundesgesetzen wirken sich auf Verwaltungsentscheidungen in den Ländern – speziell im kommunalen Bereich – aus. Entsprechende Petitionen sind daher von uns hier im Landtag und nicht im Deutschen Bundestag zu bearbeiten.
Meine Damen und Herren, die Schwerpunkte der Petitionsarbeit liegen mit einem Anteil von ca. 55 % erstmals deutlich im Bereich des öffentlichen Dienstes, Soziales, Arbeit und Gesundheit. Im Bereich Arbeit und Soziales ist die Leistungsgewährung das Hauptproblem der Petitionen, vor allen Dingen die Bewilligung und Fortzahlung von Arbeitslosengeld II. Zu nennen sind auch krankheitsbedingte Zuschüsse zur Ernährung, die Aufforderung zum Wohnungswechsel und die Klärung von Bedarfsgemeinschaften.
Darüber hinaus gab es Beschwerden über die Art und Weise der Bearbeitung durch die Argen, Optionskommunen und Sozialämter. Oftmals konnten organisatorische Mängel schon vor Einschaltung der Landesregierung im Sinne der Menschen kurzfristig beseitigt werden. Hier zu nennen sind die Bearbeitungsdauer von Anträgen und die telefonische Erreichbarkeit der Ämter.
Aber auch in der Sache selbst konnte der Petitionsausschuss den Bürgern konkret helfen. Ein Großteil der vorgetragenen Probleme betraf Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Antragstellern und Mitarbeitern der Behörden. Hier konnte der Petitionsausschuss nicht nur inhaltlich in den Erörterungsterminen vermitteln und positive Entscheidungen herbeiführen, sondern auch eine Kommunikationsbasis schaffen, die eine zukünftige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten wieder ermöglicht.
Zu nennen ist auch der Gesundheitsbereich, zu dem sich Eingaben auch aufgrund der bundesrechtlichen Änderungen durch die Gesundheitsreform ergaben. Vor allem aber hat die Politik der Landesregierung das Petitionsaufkommen bestimmt. Besonders das Zweite Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in NRW aus dem Jahre 2007 hat dazu geführt, dass nach Auflösung der Versorgungsämter zahlreiche Beschäftigte auf die neuen Aufgabenträger nach dem Grundsatz „Das Personal folgt der Aufgabe“ verteilt werden mussten.
Trotz eines Zuordnungsplans und einer Härtefallregelung gab es viele Beschäftigte, die sich mit der Bitte um einen wohnortnäheren Einsatzort an den Petitionsausschuss wandten. Bis zuletzt haben diese Fälle den Ausschuss sehr beschäftigt. Vielfach haben wir akzeptable Lösungen erreicht. Die bisher noch nicht geregelten Fälle werden wir weiter im Auge behalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es überrascht Sie sicherlich nicht, dass sich die zahlreichen Änderungen in der Schulpolitik ebenfalls in den Eingaben des Petitionsausschusses widerspiegeln. Besonders hervorzuheben ist die Problematik zur Aufhebung des Mangelfacherlasses. Die Aufhebung dieses Erlasses und die damit verbundenen Folgen für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer, die im Vertrauen auf eine spätere Verbeamtung als Seiteneinsteiger in den Schuldienst gewechselt haben, haben uns während der gesamten Wahlperiode sehr beschäftigt. Die vorzeitige Aufhebung betraf in erster Linie die Personen, die 2005 in den Vorbereitungsdienst eingestellt worden waren.
Die betroffenen Pädagogen empfanden es als gravierende Ungerechtigkeit, dass nunmehr eine Verbeamtung über das 35. Lebensjahr hinaus nicht mehr möglich sein sollte, obwohl mit eben diesem Anreiz geworben wurde. Hinzu kommt, dass die Verbeamtung mit einem erheblich höheren Nettoeinkommen verbunden ist. Erst nach einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts hat die Landesregierung die beamtenrechtliche Höchstaltersgrenze auf 40 Jahre angehoben. Damit haben sich zahlreiche Fälle erledigt. Die noch offenen Verfahren wird der Petitionsausschuss in der nächsten Wahlperiode weiter verfolgen.
Zum Thema Schule sind außerdem die Schulzeitverkürzung an Gymnasien, der gemeinsame integrative Unterricht an weiterführenden Schulen sowie die Schulpflicht im Lichte der Religionsfreiheit zu nennen. Der Petitionsausschuss wünscht sich hier für die Zukunft, dass der Schulausschuss die an ihn überwiesenen Fälle politisch aufgreift und zeitnah berät.
Meine Damen und Herren, nach der grausamen Tötung in der JVA Siegburg hat die Landesregierung mit dem Ombudsmann für den Justizvollzug Nordrhein-Westfalen eine weitere Beschwerdestelle für den Strafvollzug geschaffen. Dieser Ombudsmann wurde nicht an das Parlament, sondern an das Justizministerium angebunden.
Er ist demgemäß ein Organ der Landesregierung und unmittelbar dem Justizministerium unterstellt. Die seinerzeit gelegentlich geäußerte Annahme, die Arbeit des Petitionsausschusses im Strafvollzug
Im Gegenteil: Die Zahl der Inhaftierten, die sich nach wie vor an das Parlament wenden, hat sich im Laufe der Wahlperiode sogar verdoppelt.
Die Eingaben zu den Rundfunkgebühren waren ein weiteres großes Themenfeld. Durch die Änderungen im Gebührenstaatsvertrag entfiel ein großer Teil der Befreiungsmöglichkeiten. Zudem fühlten sich sehr viele Gebührenzahler durch die mitunter rabiate Vorgehensweise der GEZ unangemessen behandelt.
In vielen Fällen konnte in der geschilderten Einzelfallproblematik geholfen werden. Daneben ist es gelungen, im Zusammenwirken mit den Petitionsausschüssen anderer Landesparlamente zusätzliche Härtefallgesichtspunkte in den Rundfunkgebührenstaatsvertrag einzubauen.
Insgesamt kann von einer befriedigenden Situation allerdings noch nicht gesprochen werden. Insbesondere für die Wohngeldberechtigten müssen noch Verbesserungen erreicht werden, weil es hier zu einer Gesetzeslücke gekommen ist.
Im Ausländerrecht hat uns der dramatische Fall der Familie R. nachhaltig beeindruckt. Die Mutter war mit fünf Kindern nach Serbien abgeschoben worden, obwohl der Ehemann und Vater zuvor über Jahre hinweg drei seiner Kinder sexuell schwer missbraucht hatte. Dafür wurde er zu neun Jahren Haft verurteilt, die er in Deutschland absitzt. Die Familie hat man allerdings abgeschoben.
Der seelischen Verfassung der Familie und insbesondere der Kinder hatte die Ausländerbehörde wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Nachdem bekannt wurde, in welch desolaten Verhältnissen die Abgeschobenen ohne jede therapeutische Versorgung lebten, setzte sich der Ausschuss massiv für die Rückkehr dieser Familie ein.
Es war allerdings ein langer Weg zum Erfolg. Am Ende wurde das Ziel nur erreicht, weil der Petitionsausschuss geschlossen auftrat und dies auch in diversen Erörterungsterminen eindruckvoll demonstrierte. Auf diese eindrucksvolle Mannschaftsleistung bin ich sehr stolz.
Meine Damen und Herren, einen Erfolg ganz anderer Art konnten wir im Bereich des Bauplanungsrechts verzeichnen. Nach jahrelangen Bemühungen ist es gelungen, Kriterien zu entwickeln, nach denen die Umwandlung von Ferienhausgebieten in Dauerwohngebiete möglich ist – ein Thema, das in
mehreren Wahlperioden nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte. Jetzt endlich hat die Landesregierung die Anregungen des Petitionsausschusses aufgegriffen und einen Erlass verkündet, der in vielen Fällen hilfreich sein wird.
Dass Behörden einfach untätig bleiben, selbst wenn Bürgerinnen und Bürger in eine wirkliche Notlage geraten, haben wir bei einem Fall aus der Landeshauptstadt erfahren: Weder die Verwaltung noch die Polizei und auch nicht die Justiz konnten eine Familie davor schützen, von einem Behinderten massiv bedroht und belästigt zu werden. Nicht nur Haus und Grundstück wurden verunstaltet und mit Fäkalien beschmiert, sondern es wurden auch Gewaltaktionen gegen einzelne Familienmitglieder angedroht.
Die Justiz hielt den Mann für nicht schuldfähig. Das Ordnungsamt fühlte sich nicht zuständig. Der behinderte Mann hatte Narrenfreiheit. Erst mit der Petition kam Bewegung in die Angelegenheit. Es gab mehrere Erörterungstermine mit allen beteiligten Stellen, sodass die ausweglose Situation der Familie offenkundig und greifbar wurde. Nachdem ein Gericht in einem der vielen Strafverfahren keine Schuldunfähigkeit mehr annahm, änderte sich etwas: Der Mann kam in Haft.
Der Petitionsausschuss hat mit Nachdruck darauf hingewirkt, dass der Soziale Dienst der Stadt ihn nach der Entlassung betreut und so möglichst von weiteren Aktionen abhält.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus dem Bereich Gesundheit ist der seltene Fall der sogenannten Mondscheinerkrankung, einer genetisch bedingten Hauterkrankung, zu nennen. Ein junger Mann hatte rund fünfzig Hautoperationen zur Entfernung von Tumoren über sich ergehen lassen müssen. Sein Körper ist völlig entstellt. Er benötigt permanent und dringend ein Haut- bzw. Lichtschutzpräparat mit dem höchsten Lichtschutzfaktor, ohne das er gar nicht in das Tageslicht treten kann.
Die Kosten belaufen sich auf etwa 700 € jährlich; sie sind also wirklich nicht hoch. Die Krankenkasse übernahm diese Kosten zunächst nicht, weil es sich um ein kosmetisches Präparat handelt. Diese Entscheidung ist zwar gesetzeskonform, stellt aber einen Teufelskreis für den fast mittellosen Mann dar.
Auch hier konnten wir helfen. Nach intensiven Gesprächen entschied die damalige Bundesgesundheitsministerin, dass die Krankenkassen in Sonderfällen Ausnahmeentscheidungen treffen können. Seither werden die 700 € von der Krankenkasse übernommen.
Ganz aktuell beschäftigt uns die Eingabe der Witwe eines Feuerwehrmannes, der bei der Blaulichtfahrt zu einem Brandort ums Leben kam. Die Ehefrau,
die mit einem schwerstbehinderten Kind zurückblieb, kann nicht verstehen, dass der Unfall ihres Mannes nicht als qualifizierter Dienstunfall, sondern als einfacher Unfall auf dem Weg zur Arbeit gewertet wird.
Wir müssen hier noch einige Fragen klären. Über diesen Einzelfall hinaus müssen wir uns allerdings fragen, ob wir unsere Feuerwehrleute, Polizisten sowie Rettungsdienstkräfte und ihre Familien nicht besser absichern müssen.
Schließlich begeben sich all diese Kräfte für uns alle in gefährlichste Situationen. Ich glaube, wir können nur dann vollen Einsatz für unser Leben und unser Hab und Gut erwarten, wenn sie sich und ihre Familien umfassend abgesichert wissen.