Protokoll der Sitzung vom 09.03.2010

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schilderung dieser wenigen Beispiele belegt eindrucksvoll die mannigfaltigen Aktivitäten des Petitionsausschusses. Sie verdeutlicht sehr gut, wie wichtig die Petitionsarbeit ist und dass sie die Parlamentsarbeit für die Menschen im Land ist. Damit sind wir nah dran und stehen mitten im Leben.

Bedanken möchte ich mich bei allen Ausschussmitgliedern für das gute Miteinander. Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Petitionsreferat

(Allgemeiner Beifall)

für die ausgezeichnete und vertrauensvolle Zusammenarbeit – oft über das übliche Maß hinaus. Alle zusammen waren wir ein Team, fast unschlagbar. Ich bin mir ganz sicher, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke der Vorsitzenden des Petitionsausschusses für den sehr aufschlussreichen Bericht und darf mich im Namen des gesamten Hauses bei den Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses und bei Ihnen als Vorsitzender herzlich für die geleistete Arbeit bedanken. Ich glaube, dass die Mitbürgerinnen und Mitbürger über fünf Jahre hinweg in Ihnen sehr engagierte Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter gefunden haben, die sich für die Belange der Menschen ganz unmittelbar eingesetzt haben. Hierfür herzlichen Dank.

(Beifall von SPD, FDP und GRÜNEN)

Ich darf auf den schriftlichen Bericht des Petitionsausschusses über die Arbeit in der gesamten 14. Wahlperiode hinweisen, der Ihnen voraussichtlich nach der Osterpause zugehen wird.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 5.

Wir kommen zu:

6 Entwicklungspolitik in NRW

Große Anfrage 36 der Fraktion der SPD Drucksache 14/9465

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/10165

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst für die Fraktion der SPD der Abgeordneten Frau Hendricks das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen hat eine lange Tradition in der Entwicklungspolitik, die ihren Höhepunkt darin findet, dass wir mit der Stadt Bonn Zentrum des NordSüd-Dialogs sind.

Herr Laschet, ich spreche Sie ganz persönlich an, weil ich weiß, dass Ihnen dieses Thema am Herzen liegt und dass es Ihnen in dieser Legislaturperiode nicht immer möglich gewesen ist, die Dinge so umzusetzen, wie Sie sie wahrscheinlich gern umgesetzt hätten. Das ist auch Teil des politischen Geschäfts.

Diese Vorbildfunktion Nordrhein-Westfalens im Rahmen des Nord-Süd-Dialogs ist aber gleichzeitig auch eine Verpflichtung, fortschreitende Globalisierung, Wirtschaft und Gesellschaft miteinander zu denken. Vor allen Dingen müssen wir uns insgesamt von der Wunschvorstellung verabschieden, dass Fortschritt und Ausgleich von Haushalten in schrumpfenden Gesellschaften allein durch Wirtschaftswachstum möglich sein werden. Wir brauchen ein Umdenken im Umgang mit Ressourcen, wir brauchen ein Umdenken im Umgang mit Klima.

Die letzten Jahre zeigen, dass der Weg aus der Armut angepeilt ist – es gab das Versprechen, für Afrika 0,7 % des BIP einzustellen – und wir werden es als Bundesrepublik vielleicht wirklich schaffen, unsere Versprechen international einzuhalten.

Wir haben in diesem Parlament vor etwa zwei Jahren fraktionsübergreifend einen Antrag verabschiedet, in dem wir uns für den Global Marshall Plan ausgesprochen haben. Es ging unter anderem darum, die Millenniumsziele bis 2015 auch im Land Nordrhein-Westfalen zu realisieren.

Das Parlament hat in diesen zwei Jahren leider relativ wenig davon zu sehen bekommen, dass diese Millenniumsziele in Nordrhein-Westfalen wirklich realisiert worden wären. Das ist auch ein Grund für die SPD gewesen, eine Große Anfrage zu stellen. Denn wir wollten einfach wissen, wie konkret die fraktionsübergreifend verabschiedeten Ziele tatsächlich umgesetzt werden.

Lassen Sie mich mit einem sehr erfreulichen Aspekt beginnen, Herr Laschet: Wir finden es gut, dass Sie die Stiftung Umwelt und Entwicklung gerettet haben, auch wenn das Budget nicht mehr so groß ist wie in der Vergangenheit. Aber es ist für NordrheinWestfalen wichtig, dass wir das gemacht haben.

(Michael Solf [CDU]: Sehr schön!)

Jetzt komme ich zum Aber, Herr Solf.

Die eigentliche Aufgabe des Landes NordrheinWestfalen liegt gerade in der Entwicklungspolitik oder in der Eine-Welt-Politik in der Bildungsarbeit. Deshalb haben wir in der Anfrage auch wissen wollen, wie das denn ganz konkret in den Schulen und Bildungseinrichtungen umgesetzt wird. Die Antworten tragen schon ein paar Stilblüten.

Die Lehrerfortbildung wird aus den allgemeinen Budgets finanziert. – Wir wissen, dass das sowieso schwierig ist, weil aus den allgemeinen Budgets normalerweise auch noch vieles andere finanziert werden muss. Die Entwicklungspolitik wird nicht oberste Priorität genießen.

Ein fächerübergreifender Ansatz dieses wichtigen Themenbereichs verhindert es etwa, dass Entwicklungspolitik Gegenstand der zentralen Prüfungen sein kann. Es kann aber nicht sein, dass wir wichtige Themen, die sich mit Querschnittaufgaben unserer Politik befassen, nur curricularscharf und nicht fächerübergreifend abprüfen können. Diese Antwort auf Seite 43 der Großen Anfrage hat mich natürlich geradezu schockiert, weil ich mich gefragt habe: Was machen wir hier eigentlich?

Die Umsetzung des Aktionsplans „Zukunft Lernen“, für den die Landesregierung in den Jahren 2005 bis 2009 186.685 € ausgegeben hat, bedeutet, dass pro Jahr pro Schüler in Nordrhein-Westfalen etwa 0,01 Cent aufgewandt worden sind. Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie die Mittel für diesen Aktionsplan zukünftig erhöhen wird, und zwar auf jährlich 100.000 €. Auch dieses, Herr Minister Laschet, ist natürlich nicht besonders viel. Wir kommen auf 0,05 Cent pro Schüler. Damit lässt sich nicht viel machen, und man muss zurzeit auch sagen, dass der Aktionsplan „Zukunft Lernen“ in Nordrhein-Westfalen natürlich zögerlich und schleppend umgesetzt wird.

Zudem vertritt die Landesregierung die Auffassung – da sind wir mit der Landesregierung nicht einer Meinung –, dass entwicklungspolitische Bildungsarbeit Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung ist.

Wir sehen hier auch eine originäre Aufgabe der Landeszentrale und können die Einschätzung der Landesregierung nicht teilen.

Betreffend die Jugendbegegnungen wurde an uns herangetragen, dass ein Austausch mit Ghana daran scheitert, dass die Höchstbeträge für Einzelprojekte so niedrig sind, dass er sich nicht realisieren lässt. Wenn das wirklich so sein sollte, Herr Minister, konterkarieren Sie Ihr eigenes Ziel, nämlich den Austausch zwischen der jungen Generation und den beiden Ländern voranzutreiben.

Bei den Hochschulen will ich mich auf einen Aspekt beschränken. Wir als SPD haben in der Vergangenheit vehemente Kritik an der Abschaffung der Studienkollegs geäußert. Wir sehen uns übrigens auch in allen Einlassungen der Landesregierung darin bestätigt, dass mit dem Paradigmenwechsel in der Finanzierung von Stipendien ein Wechsel der jungen Menschen einhergegangen ist, die unsere Hochschulen besuchen.

Wir halten ein Studienkolleg für Chinesen in Jülich, die etliche Tausend Euro im Jahr bezahlen müssen, nicht für den richtigen Weg. Wir sind übrigens auch der Meinung, dass die junge Generation, die in der Vergangenheit in Deutschland und vor allen Dingen in Nordrhein-Westfalen studiert hat, heute keinen Weg mehr findet, weil die Bestenauswahl vielen von ihnen den Weg möglicherweise versperrt. Ich kenne in Bonn junge Assistenzärzte, die über die Studienkollegs die Möglichkeit erhalten haben, hier zu studieren. Die werden wir demnächst auf diese andere Art und Weise nicht mehr gewinnen.

Wir haben zwei Partnerschaften. Sie, Herr Minister, haben mit der Partnerschaft mit Ghana einen neuen Akzent gesetzt; oder vielleicht sollte ich eher sagen: Der Ministerpräsident hat dort einen neuen Akzent gesetzt.

Es ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass insbesondere die Partnerschaft mit Ghana von Ihnen als Selbstläuferprojekt angelegt worden ist. Dieses Selbstläuferprojekt – Sie haben es so formuliert: Wir fußen auf über hundert Organisationen, die Kontakte zu Ghana haben – war darauf ausgerichtet, dass es über die Kommunen zu Partnerschaften kommen sollte, dass hier ein Know-How-Transfer stattfinden sollte, dass hier ein Good Governance in Praxisbeispielen auf den Weg gebracht werden sollte. Wir stellen fest, dass dieses nicht zuletzt aufgrund der schwierigen finanziellen Lage der Kommunen nicht möglich ist.

Selbstläuferprojekt Ghana. An dieser Stelle, Herr Minister, lassen Sie mich doch bitte fragen, wie sich die Landesregierung dazu stellt, dass Ghana im Rahmen der „Paris Declaration“ eine Entschuldung bekommen, aber gleichzeitig mit China fast 1 Milliarde € Kredit wieder aufgenommen hat. – Das ist eine Frage, die wir im Rahmen unserer Kooperation mit Ghana durchaus klären müssen, weil ich

glaube, dass ein solcher Vorgang nicht unbedingt im Interesse Europas liegt.

Unsere Partnerschaft mit Mpumalanga besteht seit 1995. Sie resultiert daraus, dass die Apartheid in Südafrika zu Ende gegangen ist und damals Roman Herzog darum gebeten hat, dass wir uns aktiv mit den südafrikanischen Staaten verbrüdern. Das haben wir mit dieser Partnerschaft getan.

Im Februar hatten wir die Möglichkeit, mit einer Delegation, der auch drei Parlamentarier dieses Hohen Hauses angehört haben, die Provinz Mpumalanga aufzusuchen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas hinweisen, was uns insgesamt von den Parlamentariern, aber auch von anderen Gesprächspartnern übermittelt worden ist, dass sich nämlich Mpumalanga über 2010 hinaus eine intensive Partnerschaft mit Nordrhein-Westfalen wünscht. Mpumalanga wünscht sich zudem nicht, dass sich NRW weiter zurückzieht. Es hofft auf eine Unterstützung bei der Berufsbildung.

Sie schreiben in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage:

Im Rahmen der Zusammenarbeit NordrheinWestfalen -Mpumalanga ist ein Mitarbeiter als Langzeitexperte/Institutioneller Berater in der Provinzregierung Mpumalanga tätig. Seine Einsatzbereiche sind der Aufbau von nachhaltigen Berufsbildungsstrukturen (Mpumalanga Er- ziehungsministerium), der Aufbau von Ausbildungsgängen im Öffentlichen Dienst und Personal-Fortbildung und Qualifizierung (Staatskanzlei Mpumalanga)...

Meine Damen und Herren, dieser qualifizierte Mitarbeiter Nordrhein-Westfalens wird im August 2010 Mpumalanga verlassen müssen, kehrt nach Nordrhein-Westfalen zurück, um hier anderthalb Jahre in einem Berufskolleg zu unterrichten, um sich dann pensionieren zu lassen, während gleichzeitig der Wunsch an uns herangetragen wird, sich genau mit diesem Berater zukünftig wieder stärker in die Frage der Berufsbildung in Mpumalanga einzumischen.

Den Gewinn, den uns diese Rückkehr von Volker Schmidt möglicherweise für das Land NordrheinWestfalen bringt, kann ich nicht sehen. Aber ich sehe den Gewinn, den wir hätten, wenn Volker Schmidt in Mpumalanga bliebe und dort unser Ansprechpartner für die weitere Unterstützung in der Berufsbildung in Mpumalanga wäre.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich noch auf ein paar Dinge eingehen, die auch nach der Beantwortung der Großen Anfrage durchaus noch problematisch sind.

Das eine ist die Kürzung der Mittel für die kommunale Entwicklungszusammenarbeit. Sie schreiben in der Antwort:

Aus Gründen der Haushaltskonsolidierung, aber auch wegen struktureller Defizite und mangelnder Effizienz war die Landesregierung gezwungen, das Programm zur Förderung der Kommunalen Entwicklungszusammenarbeit … zu kürzen und ab 2007 ganz einzustellen.

Meine Damen und Herren, wer sich in der Community Eine-Welt bewegt, weiß, dass genau dieses als größtes Sakrileg empfunden wird. Es gibt nichts, was sie sich dringender wünschen, als das genau dieses Geld für die Bildungsarbeit in den Kommunen wieder eingestellt wird.

Diese Ausführung in der Großen Anfrage ist zudem ein Schlag ins Gesicht derjenigen Gruppen, die sich global denkend und lokal handelnd für die Umsetzung der Millenniumsziele und der Nachhaltigkeit vor Ort einsetzen.

Die Foren Ghana und Mpumalanga sind unterfinanziert. Das wird auch ganz deutlich immer wieder angemahnt.

Es bleibt natürlich die Sachfrage. Was passiert denn eigentlich mit fairem Handel in Nordrhein-Westfalen? Beschaffungsrichtlinien des Bundes werden nicht umgesetzt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit gibt, diese Beschaffungsrichtlinien anzuwenden. Aber es gibt keine aktive Unterstützung. Fairer Handel reduziert sich in der Antwort der Landesregierung auf die Anschaffung von fair gehandeltem Kaffee. Meine Damen und Herren, das kann es nicht sein.