Protokoll der Sitzung vom 09.03.2010

Es bleibt natürlich die Sachfrage. Was passiert denn eigentlich mit fairem Handel in Nordrhein-Westfalen? Beschaffungsrichtlinien des Bundes werden nicht umgesetzt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit gibt, diese Beschaffungsrichtlinien anzuwenden. Aber es gibt keine aktive Unterstützung. Fairer Handel reduziert sich in der Antwort der Landesregierung auf die Anschaffung von fair gehandeltem Kaffee. Meine Damen und Herren, das kann es nicht sein.

(Beifall von der SPD)

Wir müssen dafür sorgen, dass wir Kinderarbeit vermeiden, die Zwangsarbeit beseitigen, ein Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf durchsetzen. Das genau sagt die Beschaffungsrichtlinie des Bundes. Ich meine, sie müsste in Nordrhein-Westfalen Anwendung finden.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Nordrhein-Westfalen als Standort der UN und als Zentrum des Nord-Süd-Dialogs hier eine besondere Verantwortung trägt, die es aber bisher – das zeigt sich auch an in diesem Landtag abgewiesenen Anträgen – nicht übernommen hat. Das heißt, Nordrhein-Westfalen bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Ich glaube, wir tun gut daran, in der neuen Legislaturperiode unsere Positionen beim Thema Eine Welt als Querschnittsaufgabe aller Politikfelder noch einmal zu überdenken.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Bollenbach das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute zum wiederholten Male in relativ kurzer Zeit das Thema Entwicklungspolitik. Das ist gut, und das freut mich, zumal wir am Ende der Wahlperiode sind und wir meines Erachtens noch einmal deutlich machen können, was wir in den letzten Jahren auf diesem Themenfeld erreicht haben.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion liefert hierzu sehr anschaulich detaillierte Fakten.

Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Bundesland mit vielfältigen Außenbeziehungen. Nordrhein-westfälische Unternehmen, Organisationen, Institutionen, Vereine und Hochschulen sind auf unterschiedliche Weise überall in der Welt präsent. Zudem haben wir – Frau Hendricks hat darauf hingewiesen – mit Bonn als Sitz der Vereinten Nationen in Deutschland ein international etabliertes Zentrum für Entwicklungszusammenarbeit.

Vor diesem Hintergrund haben wir eine große Verantwortung, wir alle hier in Nordrhein-Westfalen: Länder und Kommunen, Regierungen, NichtRegierungsorganisationen, Politiker sowie Bürgerinnen und Bürger. Wir alle müssen uns nach unseren jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten einsetzen, um einen angemessenen Beitrag zur Bekämpfung von Armut, Hunger, Klimawandel und Ressourcenverschwendung zu leisten, um gleichzeitig beispielsweise zur Verbesserung von Bildung und Energiesicherheit beizutragen. Ich glaube, darin sind wir uns hier in diesem Hause alle einig.

Unterschiedliche Ansichten vertreten wir allerdings, wenn es um die Frage geht, wie wir diese Ziele erreichen können.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier in den letzten fünf Jahren deutliche Fortschritte erzielt haben, deutlicher als unter Rot-Grün. Unter Rot-Grün war die Entwicklungszusammenarbeit der Landesregierung diffus und beliebig. Sie war geprägt von Ineffizienz und ohne jegliche Zielsetzung. Dass gerade Sie uns immer wieder vorwerfen, reine Entwicklungspolitik der schönen wolkigen Reden und ohne greifbare Umsetzung zu verfolgen, finde ich daher wirklich bemerkenswert.

(Beifall von Michael Solf [CDU])

Die jetzige Landesregierung dagegen hat eine strukturierte, inhaltlich schärfere und an konkreten Fortschritten orientierte Grundlage geschaffen. Das zeigen auch die im Jahre 2007 verabschiedeten Leitlinien, mit denen die Landesregierung einen klaren Kompass gegeben hat. Ich möchte an dieser Stelle ein paar Punkte aufzählen, die mir dabei besonders wichtig erscheinen.

Erstens. Wir orientieren uns bei unseren entwicklungspolitischen Anstrengungen an dem Beschluss

der Ministerpräsidentenkonferenz von Oktober 2008. Darin heißt es – ich zitiere –:

Mit ihrem vielfältigen Engagement nehmen die Länder nicht nur Mitverantwortung für eine nachhaltige, globale Entwicklung wahr, sondern sichern auch ihre eigene gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit.

Dies ist ein Punkt, der mir besonders wichtig erscheint und den wir in allen Diskussionen noch deutlicher nach außen transportieren sollten. Entwicklungshilfe nützt in erster Linie natürlich den Entwicklungsländern. Das ist auch Sinn des Engagements. Aber sie nützt auch uns konkret. Entwicklungszusammenarbeit ist auch ein Beitrag zur Stärkung unserer eigenen internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zur Erschließung von erheblichen Wachstumspotenzialen.

Ferner haben die Ministerpräsidenten in ihrem Beschluss festgehalten, dass die Länder nicht als weitere Geber in Konkurrenz zu den nationalen und internationalen Akteuren treten dürfen. Auf diesen Punkt werde ich später noch einmal zurückkommen.

Vor allem aber haben die Ministerpräsidenten Kernkompetenzen und Handlungsfelder benannt, die für das Engagement der Länder maßgeblich sein sollen. Darunter finden sich Themen wie Klimaschutz und Energie, Ernährungssicherheit und ländliche Räume, gute Regierungsführung und Dezentralisierung, wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit und die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit.

Es ist die vorrangige Aufgabe der Länder,

so heißt es in dem Beschluss weiter –

als Träger und Rahmengeber für Entwicklungspartnerschaften zu fungieren, diese zu koordinieren und zu unterstützen.

Wir als Land müssen also im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür Sorge tragen, dass sich die einzelnen entwicklungspolitischen Akteure besser vernetzen können, damit sich die jeweiligen Aktivitäten nicht widersprechen.

Die Landesregierung hat meines Erachtens in den vergangenen fünf Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Sie hat die Partnerschaften und Kooperationen mit Entwicklungsorganisationen, Kirchen, Hilfswerken und sonstigen Nicht-Regierungsorganisationen konsequent weiter vorangetrieben. Ich möchte an dieser Stelle an die Zusammenarbeit mit InWEnt oder dem Eine-Welt-Netz in NRW erinnern. Alleine für die Arbeit von InWEnt sind in diesem Jahr im Landeshaushalt mehr als 1,3 Millionen € veranschlagt.

Ich möchte auch auf die Förderung des GhanaForums sowie die Internetplattform Afrika-NRW.net hinweisen.

Zweitens. Wir müssen gerade die entwicklungspolitische Bildungs- und Informationsarbeit vorantreiben, um die Bürgerinnen und Bürger zu motivieren, sich zu engagieren. Der ressortübergreifende Aktionsplan „Zukunft Lernen“ liefert hierzu einen hervorragenden Beitrag, unter anderem durch die Aktionstage in den Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. Gleiches gilt für die von der Landesregierung geförderte Kampagne „Dein Tag für Afrika“ von „Aktion Tagwerk“ oder den von der Landesregierung gestifteten Eine-Welt-Filmpreis NordrheinWestfalen.

Drittens. Wir haben zwei ganz wichtige Partnerschaften: die mit Ghana, die wir überhaupt erst begründet haben, sowie die mit unserer südafrikanischen Partnerprovinz Mpumalanga, die wir erneuert und verlängert haben. In beiden Fällen konzentriert sich die Kooperation vor allem auf die Bereiche wirtschaftliche Zusammenarbeit, Bildung, Gesundheit, Jugend, Sport, Kultur. Gefördert werden dabei beispielsweise Projekte zu Erneuerbaren Energien, zur Verbesserung der Qualität von Arzneimitteln oder zur besseren Nutzung von Wasserressourcen. Mpumalanga unterstützen wir besonders bei der Organisation der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft, die für das Land eine einzigartige Chance zur Entwicklung ist.

Viertens. Uns muss es gelingen, vermehrt Akteure aus der Privatwirtschaft für ein entwicklungspolitisches Engagement zu gewinnen. Auch hier sind wir meines Erachtens schon auf einem guten Weg. Es gibt bereits eine Reihe von einzelnen Projekten wie beispielsweise in Ghana die Errichtung von zwei Pilotanlagen zur Einspeisung von Solarstrom. Hier arbeitet die Landesregierung mit einem Kölner Unternehmen zusammen. Weiterhin will ich an das Deutsch-Afrikanische Wirtschaftsforum erinnern, das erst vergangene Woche in Dortmund stattgefunden hat.

Fünftens. Unsere Hilfe muss tatsächlich bei denjenigen ankommen, die sie benötigen, und darf nicht in irgendwelchen undurchsichtigen Kanälen verschwinden. Deshalb knüpfen unsere entwicklungspolitischen Bemühungen an das Kriterium gute Regierungsführung an und unterstützen unsere Partnerländer und Regionen in den entsprechenden Bemühungen dazu. So finanziert die Landesregierung beispielsweise einen institutionellen Berater in der Provinzregierung Mpumalanga. Dieser berät die Provinzregierung unter anderem in den Fragen des Aufbaus nachhaltiger Berufsbildungsstrukturen oder der Ausbildung im öffentlichen Dienst.

Ich könnte an dieser Stelle noch weitere entwicklungspolitische Initiativen und Maßnahmen wie die Stärkung des Wissenschaftsstandorts, die Förderung des konkreten Friedensdienstes oder die Bonner Konferenz für Wissenspolitik nennen, möchte aber noch auf ein anderes Thema kommen, das Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposi

tion, gleich bestimmt wieder aufgreifen werden; Frau Hendricks hat es schon getan. Sie werden uns sicherlich wieder entgegenhalten: Sie nehmen immer schöne Worte in den Mund, aber kein Geld in die Hand. – Hierzu nur zwei kurze Anmerkungen:

Erstens. Es ist – darin sind sich fast alle Experten einig – nicht Aufgabe der Länder, in Konkurrenz zum Bund als Nebengeldgeber aufzutreten; dies habe ich bereits ausgeführt.

Zweitens entspricht das, was Sie hier immer wieder behaupten, schlichtweg nicht der Realität. Schauen Sie sich den Haushalt einmal genau an: Allein im Geschäftsbereich des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration sind mehr als 5 Millionen € für Entwicklungspolitik und internationale Zusammenarbeit veranschlagt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern stehen wir hier sehr gut da.

(Beifall von CDU und FDP)

In Zahlen: 1,3 Millionen € InWEnt, 1,3 Millionen € für das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik, 800.000 € für die Koordination der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, fast 500.000 € für Maßnahmen der technischen Zusammenarbeit im bzw. mit dem Ausland und vieles mehr. Ist das alles etwa nichts? Nein, meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass wir durchaus einiges an finanziellen Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit aufbringen.

Sicherlich wünsche ich mir auch das eine oder andere mehr – das ist klar –, aber angesichts knapper öffentlicher Kassen müssen wir auch die Realität und die Möglichkeiten im Auge behalten. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass es oft nicht nur um die Höhe der Mittel gehen sollte, sondern vielmehr um die Effizienz ihres Einsatzes. Da haben wir in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bollenbach. – Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Leitlinien deutscher Entwicklungshilfepolitik sind von dem Liberalen Walter Scheel entwickelt und maßgeblich geprägt worden. Entwicklungszusammenarbeit muss nach Walter Scheel als globale Struktur- und Friedenspolitik verstanden werden. Sie trägt dazu bei, Krisen und Konflikte friedlich zu bewältigen. Entwicklungszusammenarbeit soll aber auch helfen, knappe Ressourcen gerechter zu verteilen, unsere Umwelt für die nächsten Generationen zu bewahren und die weltweite Armut zu verringern.

Elementare Bestandteile unserer Entwicklungspolitik sind Demokratie, Wohlstand und Menschenrechte. In den Entwicklungsländern müssen strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Menschen in die Lage versetzen, sich selbst zu helfen. Entwicklungspolitik wird erst dann nachhaltig wirken, wenn sie Armutsursachen bekämpft. Wohlstand für alle ist das Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe ist der Weg.

Grundlage einer dauerhaften Entwicklung sind die Freiheit des Einzelnen, die Einhaltung der Menschenrechte, äußere und innere Sicherheit, eine funktionierende soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und eine gute Regierungsführung – „Good Governance“. Nur Länder, die ihre Politik an diesen Grundsätzen ausrichten, haben eine Chance, die Armutsursachen nachhaltig zu beseitigen. Schließlich muss die Globalisierung als Chance für die Entwicklungspolitik begriffen werden. Die Ausbreitung von Freiheit, Menschenrechten, Demokratie, sozialer Marktwirtschaft und Wohlstand ist daher die zentrale Aufgabe der Entwicklungspolitik im Rahmen der Globalisierung.

Meine Damen und Herren, jeden Tag sterben mehr als 26.000 Kleinkinder an Hunger, an Krankheiten, durch Gewalt und Kriege. Etwa 1,4 Milliarden Menschen auf der Welt müssen von weniger als 1,25 USDollar pro Tag leben – fast jeder Fünfte von uns. Täglich werden allein im brasilianischen Amazonasbecken Waldflächen abgeholzt oder abgebrannt, die etwa so groß wie 4.000 Fußballfelder sind.

Meine Damen und Herren, kein Staat kann diese und die vielen anderen drängenden Probleme der Gegenwart allein bewältigen. Deutschland stellt sich dieser Verantwortung. Die Bundesregierung engagiert sich in enger Zusammenarbeit mit der internationalen Staatengemeinschaft für die Bekämpfung der Armut, für Frieden und Demokratie, für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung und für den Erhalt der Umwelt und der natürlichen Ressourcen.

Meine Damen und Herren, die FDP bekennt sich zu diesem Zusammenhang, zu den Verpflichtungen, die Deutschland im Rahmen der langfristigen Millennium Development Goals der Vereinten Nationen eingegangen ist. Die Auslobung der acht UNMillenniumsziele für das Jahr 2015 – unter anderem die Bekämpfung von extremer Armut und Hunger, eine Grundschulbildung für alle, die Senkung der Kindersterblichkeit und die Entwicklung von Partnerschaften – war ein wichtiger und richtiger Schritt.

Das Land Nordrhein-Westfalen spielt im Konzert der Entwicklungshilfebemühungen in Deutschland eine wichtige Rolle. Zwar ist Entwicklungshilfe zuerst und zumeist Aufgabe des Bundes; als Sitzland vieler wichtiger Institutionen und Hilfswerke hat NordrheinWestfalen aber selbstverständlich auch eine eigene Rolle. Wir nehmen diese Rolle auch wahr und werden ihr gerecht.

Entwicklungszusammenarbeit wird jetzt umfassender, effektiver, intensiver und zielgerichteter betrieben. Das können Sie auch den Antworten auf die Große Anfrage 36 der SPD entnehmen.

Beispielsweise wurde in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 die Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik eingeführt und eine Partnerschaft mit Ghana eingegangen.

Bonn ist einziger deutscher UN-Standort. Nirgendwo sonst in Deutschland sind mehr Organisationen und Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit ansässig.

Die Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik gibt wichtige Impulse für die Entwicklungszusammenarbeit der Länder, Regionen und Kommunen.