Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Also können wir die Beratung schließen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion in der Drucksache 14/10778 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDUFraktion und FDP-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 14/10756 ab, welche vorschlägt, dass der Gesetzentwurf Drucksache 14/9956 in der Fassung seiner Beschlüsse angenommen werden soll. Wer stimmt dem zu? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe zügig auf – und mache darauf aufmerksam, dass wir etwas mehr als eine Stunde hinter der Zeit sind –:

9 Ein typisches Beispiel schwarz-gelber Realpolitik: 1 Milliarde € mehr für Hotelbesitzer, 1 Milliarde € weniger für die Gebäudesanierung

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10744

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen Herrn Priggen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben die Diskussion über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die Steuererleichterungen für Hoteliers verfolgt. In toto geht es um 1 Milliarde €. Die Begründung für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz war, dass man Arbeitsplätze schaffen wollte.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe Respekt davor, dass neue Regierungen und neue Mehrheiten ihre eigenen Programme umsetzen, obwohl man das in der Sache auch anders sehen kann. Als ich dann allerdings gesehen habe, dass gleichzeitig das Programm für die Gebäudesanierung um 1,1 Milliarden € gekürzt wurde, habe ich gedacht, dass das fachlich überhaupt kein Mensch vertreten kann.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Wenn man Arbeitsplätze und Wirtschaftspolitik fördern will, dann ist 1 Milliarde € bei der Gebäudesanierung wesentlich effektiver angelegt und schafft auch wesentlich mehr Arbeitsplätze. Denn bei der Gebäudesanierung kommt hinzu, dass aufgrund des staatlichen Anreizes – das ist immer so – erhebliche weitere private Mittel mobilisiert werden, die wiederum Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun werden die Hoteliers um 1 Milliarde € steuerlich entlastet und die Mittel für die Gebäudesanierung heruntergefahren, obwohl man weiß, dass die Konjunkturprogramme des Bundes, die in dem Teil sinnvoll sind – sie stammen noch aus der Zeit der

Großen Koalition und dienen beispielsweise der Sanierung von Schulen und öffentlichen Einrichtungen –, in diesem Jahr auslaufen. Das heißt, das war eine kurze Zeitspanne, in der diese Programme geholfen haben. In den Jahren 2011 und folgende wird es allerdings sehr bitter.

Gleichzeitig weiß man, dass die Neubautätigkeit zurückgehen, dass die Kommunen weniger Geld haben und als Investoren wegfallen. Insofern können wir absehen, dass wir im Bauhandwerksbereich ab 2011 – beginnend schon 2010 – ganz starke Rückgänge verzeichnen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nur ein Beispiel: Die Innung Sanitär, Heizung und Klimatechnik Aachen-Stadt hat mir als Abgeordnetem einen Brief geschrieben und gefordert, keine Kürzungen bei energetischen Gebäudesanierungen vorzunehmen. Rein vom politischen Verständnis her stehen die Handwerksinnungen und -verbände den Christdemokraten näher. Das wissen wir schon lange, und das ist insoweit auch in Ordnung. Uns erreichen aber viele derartige Briefe. Daher frage ich mich, warum Sie das mitmachen. Ich habe bisher keinen Protest von Ihnen dagegen gehört.

Sie haben bei den Steuererleichterungen für Hoteliers allen Unfug geschluckt, den Berlin gemacht hat. Bei der Gebäudesanierung haben die Bundestagsfraktionen jetzt noch einmal 400 Millionen € draufgelegt. Aber auch dieser Betrag liegt inklusive der Erhöhung weit unter dem, den es letztes Jahr gab, und ist in der konjunkturellen Situation überhaupt nicht vernünftig.

Ich habe es Ihnen hier schon ein paar Mal vorgeschlagen: Warum starten Sie nicht eine Intervention in Richtung Berlin? – Wir würden die gerne unterstützen, damit aus den Einnahmen des Emissionshandels, die ab 2013 sowieso kommen, relevante Anteile für die Gebäudesanierung schon vorher verwendet werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein inhaltliches Maßnahmenfeld, auf dem es zwischen allen Fraktionen keine Differenzen gibt. Wir sind streitig beim Thema Atom und auch bei anderen Punkten, aber bei der Frage der Gebäudesanierung gibt es zwischen uns keine Differenzen. Das müsste als Konjunkturprogramm laufen und länger als ein Jahr angelegt sein. Das wäre absolut vernünftig Wir sollten daran arbeiten, dass wir über alle vier Fraktionen hinweg einen Antrag hinbekommen, der ein solches Programm, aus dem Emissionshandel finanziert – meinetwegen für zehn Jahre –, fordern würde. Dann könnte die chemische Industrie, die die Grundstoffe herstellt, Arbeitsplätze aufbauen. Die Dämmstoffindustrie und das Bauhandwerk könnten im Verlass auf ein solches Programm, das von allen getragen würde, über zehn Jahre Beschäftigungskapazitäten aufbauen.

Aber das eine zu kürzen und diesen Betrag den Hoteliers zu geben, das passt nicht zueinander. Deshalb haben wir diese Überschrift gewählt. Das ist für mich schwarz-gelbe Realpolitik und ist an der Sache vorbei. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Horst Becker [GRÜNE]: Das ist Extremismus, was Sie ma- chen!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Priggen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Sahnen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überschrift ist in der Tat verräterisch, und im Grunde genommen wird hier eine billige Polemik dargelegt, was nicht zu akzeptieren ist.

(Bodo Wißen [SPD]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

In der Sache, Herr Priggen, ist es so, dass man Ihrer Argumentation durchaus folgen kann. Das hat die Landesregierung auch sofort getan. Als diese Kürzungen nämlich beschlossen worden sind, sind Frau Thoben und Herr Lienenkämper nach Berlin gefahren und haben dagegen protestiert. Und man höre und staune: Sie haben sogar etwas erreicht.

(Bodo Wißen [SPD]: Verwundert Sie das?)

Ich sage ausdrücklich: Sie haben nicht alles erreicht, aber sie konnten erreichen, dass diese Summe aufgestockt wurde. – Das ist das eine.

Das andere ist: Herr Priggen, Sie sprachen von einem Zehnjahresprogramm. Dann ist es kein Konjunkturprogramm mehr, sondern dann muss man sagen, dass man diesen Bereich der Wirtschaft subventioniert. Das wäre aber eine Politik, die wir alle nicht wollen. Konjunkturprogramme sind in der Tat kurzfristiger angelegt. Sie sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten antizyklisch angelegt – in der Regel jedenfalls –, und daher gibt es sicherlich bestimmte Mechanismen, die die Gremien möglicherweise bewogen haben, so oder so zu verfahren.

Einerseits sind wir mit der Initiative von Frau Thoben und Herrn Lienenkämper, die ich gerade schon angesprochen habe, aktiv geworden. Andererseits möchte ich in besonderer Weise auf die Wohnraumförderrichtlinien und auf das Wohnungsbauförderungsprogramm des Landes hinweisen. Wir haben im letzten Jahr 1,15 Milliarden € für Wohnraumförderung ausgegeben. Seit drei Jahren wird ein erheblicher Teil dieser Mittel für energetische Erneuerung und für Gebäudesanierung insgesamt ausgegeben. Das nimmt zu; das ist richtig so, und das findet unsere ausdrückliche Unterstützung. Von daher ist der Appell, dass hier mehr getan werden muss, richtig, und wir unterstützen ihn. Aber die

Einbettung in diesen Rahmen – das habe ich gerade angesprochen – ist so nicht hinzunehmen.

Wir sind der Auffassung, dass gerade Gebäudesanierungen in der gegenwärtigen Situation unbedingt notwendig sind.

Erstens. Viele Wohnungen und viele Wohngebäude in unserem Bundesland sind in die Jahre gekommen. Dr. Krupinski, den die meisten noch kennen, hat vor einiger Zeit die Formel geprägt: 50 % des Wohnungsbestandes sind älter als 50 Jahre. – Das bedeutet, dass insbesondere die großen Wohnungsbestände aus den 50er- und 60erJahren umfassend saniert werden müssen. Das liegt in der Natur der Sache; man braucht es hier gar nicht im Einzelnen zu begründen.

Zweitens. Tatsache ist auch, dass gerade diese Wohnungsbestände sehr oft nicht barrierefrei oder barrierearm sind und schon gar nicht den energetischen Anforderungen des Klimawandels und der Situation ansteigender Energiekosten gerecht werden. Wir sind ausdrücklich für mehr Klimaschutz und mehr Energieeffizienz.

Drittens. Bauliche Sanierungen sind ein riesiges Auftragspaket für das örtliche Handwerk; Sie haben zu Recht darauf hingewiesen. Es werden Arbeitsplätze gesichert und möglicherweise neue geschaffen. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Von daher messen wir diesem Ansinnen, diesem Schwerpunkt ausdrückliche Priorität bei.

Viertens. Durch bauliche Sanierungen wird mehr Lebensqualität geschaffen. Auch dies ist für uns eine wichtige Zielsetzung. Deshalb ist für uns die Schwerpunktsetzung im Rahmen der Wohnraumförderung, nämlich Geld für Gebäudesanierung auszugeben, richtig.

Dass die Bundesmittel jetzt so gekürzt worden sind, ist bedauerlich. Ich habe dargelegt, dass diese Landesregierung tätig geworden ist. Aber, wie es im Leben ist: Man kann nicht alles erreichen. Ich darf auch in Erinnerung rufen: wenn, dann ginge das, Herr Wißen, nur über eine Neuverschuldung. Aber ich höre Leute, die sehr laut rufen: Mit der Verschuldungspolitik geht es so nicht weiter. Das muss in dem Zusammenhang ebenfalls berücksichtigt werden.

Also: Es sind richtige Argumente genannt worden, die wir auch tragen und stützen. Dennoch ist dieser Antrag in Polemik eingebettet, und aus diesem Grunde und weil die Landesregierung inzwischen bereits tätig geworden ist, sehen wir keine Veranlassung, eine weitere Initiative zu unterstützen. Der Antrag hat sich in der Sache erledigt, und wir lehnen ihn ab.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Sahnen. – Als nächste Rednerin hat

für die Fraktion der SPD die Abgeordnete RuffHändelkes das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die einen sagen, der Antrag ist polemisch, und die anderen sagen, der Antrag spricht die Wahrheit aus. Ich denke, Letzteres ist richtig. Lieber Herr Sahnen, ein Appell reicht einfach nicht. Sie können dem Antrag zustimmen. Ich will noch einmal das unterstreichen, was Herr Priggen gesagt hat, und einiges hinzufügen.

Sie wissen, dass wir in der Bundesrepublik 3 bis 4 % des Altbaubestandes energetisch sanieren müssen, um einzuhalten, was wir uns vorgenommen haben. Wahr ist aber, dass in NRW höchstens 1 % energetisch saniert wird. Das hat viel mit Geld zu tun. Das hat viel mit dem Geld zu tun, das aus Berlin kommt, und Herr Sahnen und liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat auch viel mit dem Geld zu tun, das wir hier im Land zur Verfügung stellen.

Der letzte Bundesbauminister Tiefensee hat noch – eben ist es gesagt worden – die Mittel für energetische Gebäudesanierung von 1,5 auf 2,2 Milliarden € aufgestockt. Minister Ramsauer hat sich wie unsere Bauminister in NRW vom Finanzminister in die Tasche greifen lassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nur durch die SPD-Vertreter im Haushaltsausschuss – das wissen Sie genauso gut wie ich –

(Christof Rasche [FDP]: Nein!)

sind die Mittel auf 1,5 Milliarden für 2010 angehoben worden. Ich muss nicht erst die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bemühen, die ganz klar gesagt hat: Wir haben einen sehr hohen Nachholbedarf. Wir brauchen ca. 94 Milliarden €, um das überhaupt stemmen zu können.

Ich würde gerne noch auf etwas Aktuelles kommen. Wir haben alle gelesen, dass Herr Seehofer und Herr Rüttgers sich getroffen haben. Das ist jetzt nicht Bayern und Baden-Württemberg, sondern Bayern und Nordrhein-Westfalen. Sie wollen eine Allianz bilden. Wenn man aber sieht, wie die KfWMittel für die Gebäudesanierung fließen, stellt man fest – das müssten auch Sie getan haben –, dass fast die Hälfte aller Mittel nach Bayern und nur knapp über 10 % nach NRW fließen. Wenn man gemeinsame Stärke darstellt, wie es der NochMinisterpräsident getan hat, muss man doch auch bemerken, dass man auf diesem Feld völlig abgehängt wird.