Unsere Gesellschaft muss aufwachen. Hier ist jeder Einzelne gefordert. Das kann nicht alleine der Staat regeln. Das hat auch etwas mit Werten zu tun.
Wir haben 2008 den runden Tisch „Hilfe für Kinder in Not“ ins Leben gerufen. Damit geht die nordrheinwestfälische Landesregierung einen Weg, der in Deutschland einzigartig ist. Unter Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen und der Kommunen wird gemeinsam an einem Strang gezogen. Mit der Öffnung des runden Tisches für weitere Institutionen und Akteure ab Juli 2009 wurde dieser Weg konse
Durch die offene Diskussion und Vernetzung haben wir den Wirkungsgrad des Themas deutlich erhöht. Damit können alle Ressorts der Landesregierung auf allen Ebenen mit betroffenen Institutionen und Akteuren beraten und letztlich gemeinsame Lösungen und Handlungsansätze entwickeln.
In einem ersten Schritt hat die Landesregierung im März letzten Jahres an dieser Stelle einen Zwischenbericht vorgelegt. Ein wesentliches Ergebnis sind Leitziele des weiteren Entwicklungsprozesses. Nicht am grünen Tisch wurde über Lösungswege nachgedacht. Vielmehr hat eine breite Diskussion mit Experten unterschiedlicher Organisationen sowie Praktikern vor Ort stattgefunden. Wichtig war uns dabei, die Ergebnisse und Vorschläge aufzunehmen und sie zu einem integralen Bestandteil des Ihnen vorliegenden zweiten Zwischenberichts zu machen.
Meine Damen und Herren, wer die Lebensverhältnisse von armen Kindern und Jugendliche wirklich ändern will, der darf nicht an seinen eigenen Zuständigkeitsgrenzen halt machen. Er muss den Blick öffnen für die Vielfältigkeit der Benachteiligten und damit auch für die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses.
Das heißt in der Konsequenz auch: Andere Meinungen und Vorstellungen werden nicht ausgeblendet und verschwiegen. Wir haben sie in den Bericht aufgenommen, auch wenn einiges nicht unseren eigenen Vorstellungen entspricht. Wir haben den fachlich zuständigen Verbänden die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem vorliegenden Bericht gegeben. Wir haben sie im Wortlaut im Anhang aufgenommen, wie es sich für einen wirklichen Beteiligungsprozess gehört.
Meine Damen und Herren, nun komme ich zu den Ergebnissen. Die sechs folgenden zentralen Handlungsfelder haben sich herauskristallisiert: Familie stärken, frühe Förderung, Bildungsort Schule, Übergang Schule/Beruf, Kinderarmut und Gesundheit, Kinderarmut und Sozialraum. Diese Handlungsfelder geben das weitere Vorgehen auf Landesebene vor.
Beginnend mit dem zweiten Halbjahr 2010 sollen diese Handlungsfelder in den Mittelpunkt von übergreifenden Aktivitäten gestellt werden. Bestehende und geplante Programme und Maßnahmen sollen darauf überprüft werden, ob sie dem Ansatz der Bekämpfung und Vermeidung von Kinderarmut gerecht werden.
Mit diesem runden Tisch setzt sich die nordrheinwestfälische Landesregierung für die Kinder in unserem Land ein. Wir nehmen Teilhabegerechtigkeit von Kindern ernst. Die Arbeit des runden Tisches „Hilfe für Kinder in Not“ soll verstetigt werden, um auch zukünftig fach- und ebenenübergrei
Meine Damen und Herren, schauen Sie mal in den Bericht. Ich freue mich, dass sich der Sozialverband VdK, die Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, die Freie Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen und viele mehr an diesem Dialog beteiligt haben.
Wenn Sie deren Stellungnahmen lesen, erkennen Sie, dass sie auch vieles über das hinaus fordern, was wir zurzeit machen. Das sehe ich auch; das halte ich auch für gerechtfertigt. Aber Sie können darin auch lesen, dass all diese Verbände den Dialog, den wir in Nordrhein-Westfalen zu diesem Thema begonnen haben, begrüßen,
dass all diese Verbände mitarbeiten und dass all diese Verbände froh sind, dass die Sprachlosigkeit der Landesregierung gegenüber diesen Problemen durch die neue Landesregierung überwunden wurde. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben gerade versucht, Bilanz zu ziehen. Sie haben vor drei Jahren der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in einer Abschlussbilanz vorgeworfen, sie hätten zu wenig gegen Armut getan. Sie haben im Mai und September 2007 an dieser Stelle laut verkündet, es werde anders. Alle waren gespannt, welche radikalen Änderungen passieren sollten. Alle dachten: Jetzt geht’s los. – Der Enquetebericht 2008 – das ist auch schon etwas her – hat ganz deutlich im Namen des gesamten Parlaments Äußerungen manifestiert, die im Grunde genommen heute von Ihnen wiederholt wurden.
Herr Minister, Sie haben gerade schon gesagt, dass Sie sich nicht zu schade waren und sich nicht haben abschrecken lassen, auch die Stimmen, die anderes sagen, in Ihren Bericht aufzunehmen.
Dieser Bericht liegt uns seit gestern Abend vor. Immerhin umfasst er 58 Seiten. Punkt 2 betrifft die Ergebnisse des Dialogs – das sind die Seiten 7 bis 21 –, der Anhang – ab Seite 37- enthält die erwähnten schriftlichen Stellungnahmen. In dem Bericht wird deutlich geschildert, was die Träger und die Beteiligten im Sozialprozess uns vorschreiben.
Ich stimme ausdrücklich mit Ihrer Aussage auf Seite 5 überein: „Wir müssen aber mehr tun und noch wirksamer handeln.“ Das unterstützen wir mit allem Nachdruck.
Dann wird das beschrieben, was Sie vorhin zugestanden haben. Es wird zum Beispiel deutlich gemacht, dass das Land es zulässt, dass in Nordrhein-Westfalen keine einheitlichen Lebensverhältnisse mehr herrschen.
Herr Dr. Hensel vom Caritas-Verband der Erzdiözese Köln sagt das viel deutlicher, indem er uns den Spiegel vorhält. Herr Dr. Hensel betont, dass es nicht um das utopische Ziel der Herstellung von gleichen Lebensverhältnissen gehen könne. – Meine Damen und Herren, ich möchte hier einschieben, dass wir nach der Verfassung verpflichtet sind, diese herzustellen. – Aber Ihnen wird der Spiegel vorgehalten: Das ist bei Weitem nicht mehr so. – Er sagt dann, es könne lediglich um die Angleichung von Verwirklichungschancen in den Kommunen gehen. – Wenn es so weit ist, meine Damen und Herren, dann müssen wir uns als Land natürlich fragen, ob wir hier nur einen Bericht oder ein Handlungskonzept vortragen.
Ich hatte gehofft, Herr Minister, hier wesentlich deutlichere Worte zu hören, wie Sie Ihre Maßnahmen und weiteren Schritte angehen wollen. Sie stellen analog zum Enquetebericht des Landtages zum weiteren Vorgehen auf Seite 34 fest:
Die Kinder und Jugendlichen aus diesen Quartieren sind vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt. Um einheitliche Lebensbedingungen zu schaffen, müssen vorrangig in diesen problematischen Lebensräumen Lösungen entwickelt werden. Diese Herangehensweise wird auch zu einer zielgenaueren Verwendung der begrenzten kommunalen Mittel beitragen.
Dies möchte ich am Essen, also nicht der Stadt Essen, sondern an den Mahlzeiten, in unseren Bildungseinrichtungen und den Kindertagesstätten deutlich machen. Auf Seite 170 des Berichts der Enquetekommission heißt es unter der Empfehlung 3.3 an das Land, an die Landesregierung:
Das Ziel muss sein, dass kein Kind aufgrund der finanziellen und sozialen Situation der Eltern von einem Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Schulen mit Ganztagsangeboten ausgeschlossen wird.
Die klare Forderung von vor anderthalb Jahren lautet: Landesregierung, handele! Anschließend wurde im Rahmen vieler Antragsberatungen im Plenum deutlich gemacht: Lasst uns die Mittel nicht mehr streuen, sondern zielgerichtet einsetzen! – Wie „zielgerichtet“ Sie diese Mittel einsetzen, haben Ihnen ja am runden Tisch die Teilnehmer offenbart. Oder: Es war ja gar nicht der runde Tisch. Sie haben vorhin den Eindruck erweckt, als wenn die Fachveranstaltungen zum runden Tisch der runde Tisch wären. Das haben Sie bis heute, wie ich finde, sehr stark verdeckt. Die Teilnehmer an den Fachveranstaltungen meinten nämlich, sie wären am runden Tisch.
Sie sollten einmal deutlich machen, was der runde Tisch seit 2007 getan hat. Er ist ein Jahr später, nach der Sozialberichterstattung, im Land anscheinend als interministerielle Arbeitsgruppe gegründet worden. Wiederum ein Jahr später, im Juli, hat er zu einer Fachveranstaltung – das war die Öffnung, die Sie vorhin beschrieben haben – und zur Beteiligung auf Augenhöhe der Verbände und aller Institutionen hier im Land eingeladen. In der zweiten Hälfte des Jahres 2009 hat er Regionalkonferenzen durchgeführt, wo Sie, wie ich vorhin sagte, zugegebenermaßen offen widerspiegeln, was die Beteiligten im Land fordern. Das ist anerkennungswürdig.
Aber dann müssen Sie auch den nächsten Schritt gehen. Im Bericht der Enquetekommission wird beim Thema „Mahlzeiten in den Kindertagesstätten und in den Schulen“ deutlich, dass niemand ausgeschlossen werden darf. Vor dem Hintergrund müsste die Landesregierung beim Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ die Mittel eigentlich anders streuen. Sie dürfte die Mittel nicht in die Fläche streuen, sondern sie müsste die Mittel dort einsetzen, wo es notwendig ist.
Ich will dies beispielhaft machen: In der Fachkonferenz im Februar wurde deutlich gemacht, dass die Diakonie bei der Bezahlung von Mittagessen starke Einbrüche hat. Will sagen: Von großen Teilen der Eltern von benachteiligten Kindern, die die bedienen, bekommen sie kein Geld. Hier finden Sie keinen Handlungsansatz.
Die Handlungsstrategien, die Sie auf Seite 35 ff. empfehlen, finde ich richtig. Ich vermisse aber bei Ihnen seit zwei Jahren aktive Politik in diesem Bereich. Die Enquetekommission und auch viele Organisationen haben Ihnen deutlich gemacht: Handelt endlich!
Ich fand es sehr bedauerlich und schade, dass Sie, Herr Minister Laumann, immer auf die alte rot-grüne Landesregierung bis 2005 verweisen. Wenn Sie immer noch nicht weiter sind, als die Arbeit der alten Landesregierung zu beurteilen, dann sind das vertane fünf Jahre im Land Nordrhein-Westfalen, dann sind das vertane Jahre für Handlungsstrategien gegen Armut von Kindern in diesem Land. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Zunächst einmal ein Dankeschön an das Ministerium und den Minister Karl-Josef Laumann für den umfangreichen Bericht.
Kinderarmut ist ohne Zweifel ein herausforderndes Thema. Wer den zweiten Bericht des runden Tisches für Kinder in Not liest, dem fällt sofort auf, dass es durch die Besetzung und die große Fachlichkeit gelingt, die Bekämpfung von Kinderarmut zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu heben. Es muss festgestellt werden, dass Kinderarmut kein nordrhein-westfälisches Phänomen ist. Aber in unserem Bundesland wird jetzt deutlich anders damit umgegangen als früher. Alfred Herrhausen, der Banker, hat einmal gesagt: Man muss es nicht nur wissen, sondern auch können. Man muss es nicht nur können, sondern auch tun.
Dieser Maßstab wurde in den vergangenen Legislaturperioden bei der Bekämpfung von Armut von der SPD und den Grünen verletzt. Ihr Sozialbericht führte nie zum Handeln. Sie haben sich wie Wegweiser verhalten. Sie sind aber nie den Weg gegangen, den Sie gezeigt haben. Ich muss ganz deutlich sagen: Normalerweise müssten Sie wegen unterlassener Hilfeleistung an armen Kindern verklagt werden.
Da nutzt auch Ihr heutiger Entschließungsantrag nichts. Kinder sind immer von der Armut oder der Not ihrer Eltern betroffen. Das weiß diese Landesregierung, und sie handelt konsequent. Mangelnde Bildung ist einer der Hauptgründe für Armutsrisiken. Wir wollen uns nichts vormachen: Der Schlüssel zur Bekämpfung von Kindernot liegt auch in einer gesunden und guten Wirtschaftsentwicklung. Nur durch Beschäftigung und nachhaltig auskömmliches Einkommen lässt sich auf Dauer Armut bekämpfen. Deshalb ist unsere gute Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik auch eine Perspektive für unsere armen Kinder.
Meine Damen und Herren, Armutsbekämpfung ist schon seit Jahrzehnten ein Schlüsselthema. Schon vor über 20 Jahren habe ich als Jugendhilfeausschussvorsitzender in meiner Heimatstadt über das Phänomen der ausgehungerten Montagskinder einen Vortrag von Dr. Palentien aus dem Referat Hurrelmann, damals noch Universität Bielefeld,