Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Dies werden sich Eltern nicht gefallen lassen. Das wird zur Folge haben, dass sich ein zweites, wirklich segregatives Schulsystem etablieren wird. Dorthin werden dann die Kinder der Eltern gehen, für die Geld keine Rolle spielt.

Das ist mit der CDU nicht zu machen. Für eine solche Politik sind wir keine Partner. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kaiser. – Für die FDP spricht nun Frau Kollegin Pieper-von Heiden.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offenbar wollen die Grünen jedes Schulangebot, das ihren eigenen ideologischen Zielen entgegensteht, zerstören.

(Beifall von der FDP)

Die Kinder, die Lehrer und die Eltern sind in der Schulpolitik der Grünen offensichtlich nur sekundär beteiligte Personen. Anders lassen sich die Ausfälle von Frau Löhrmann und besonders von Frau Beer in der „Rheinischen Post“ vom 2. März 2010 wohl kaum erklären. Nachdem Sie die Hauptschulen über Jahre kaputt geredet haben – ich erinnere nur an den von Frau Beer vorgenommenen Vergleich mit dem Reiten eines toten Pferdes – und auch die Realschulen auf Ihrer Zerstörungsagenda standen, haben die Grünen nun die Abschaffung der Gymnasien zum Wahlziel erhoben. Die Krokodilstränen bei Ihrer „G8“-Kampagne und die geheuchelte angeblich verbesserte Unterstützung der Kinder und Jugendlichen an dieser Schulform können einem schon den Atem verschlagen.

(Zuruf von der SPD: Leider nicht!)

Das nächste Ziel sind jetzt die Bekenntnisschulen, denen Frau Beer unverhohlen mit der Abschaffung droht, wenn diese sich nicht den grünen Überzeugungen unterwerfen. Da werden die Bekenntnisschulen der sozialen Spaltung von Stadtteilen beschuldigt und unterstellt, dass sie Kinder wegen ihres Bekenntnisses bei der Aufnahme diskriminieren.

Die Liberalen haben viele Jahrzehnte dafür gekämpft, dass es auch nichtkonfessionelle Schulen gibt und Schulpolitik nicht im Klammergriff von Religionsgemeinschaften gemacht wird. Das haben wir in der Vergangenheit erreicht. Wir haben heute in Nordrhein-Westfalen ein vielfältiges Angebot, das den Eltern Wahlmöglichkeiten erlaubt.

Die Debatte, die wir heute führen, handelt aber nicht von der Freiheit der Religion, sondern davon, dass es in einem vielfältigen Schulsystem auch die Möglichkeit geben muss, Schulen mit religiösem Profil zu besuchen.

(Beifall von der FDP)

Dass Frau Löhrmann und Frau Beer diese Schulen nun in den Blick nehmen und pauschal der Diskriminierung beschuldigen, ist abstrus. Es zeigt auch, wie heuchlerisch der stetig wiederholte Elternwille bei den Grünen ist. Elternwille zählt für sie nur dann, wenn er ihren Vorstellungen entspricht. Das zeigt auch, dass sich die Grünen völlig zu Unrecht immer als die Anhänger der Vielfalt und unterschiedlicher Lebensstile und Einstellungen präsentieren.

(Beifall von der CDU)

Auch die Behauptung, dass an Bekenntnisgrundschulen viel zu wenig Kinder mit anderem Glauben – das steckt eigentlich hinter der Debatte – anzutreffen sind, ist so nicht richtig. Laut offizieller Schulstatistik für das Schuljahr 2008/2009 sind an evangelischen Bekenntnisschulen mehr als 50 % der Schüler nicht evangelisch. An katholischen Bekenntnisschulen sind mehr als ein Drittel der Schüler nicht katholisch.

Ich möchte die Grünen auch einmal fragen, wie es sich eigentlich mit den zwei jüdischen Bekenntnisschulen verhält. Sind das aus Ihrer Sicht auch diskriminierende Einrichtungen? Drohen Sie diesen Schulen auch mit der Abschaffung?

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Selbstverständlich ist es für Bekenntnisschulen wichtig, dass sie eine gewisse Anzahl von Schülern ihres Bekenntnisses aufnehmen. Hierfür haben sie schließlich das entsprechende Profil. Die Eltern haben die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie ihr Kind an einer Schule mit einem religiösen Profil anmelden. Wenn man sich hierfür entscheidet, ist es doch richtig, dass die Kinder auch an den diesbezüglichen Erziehungsprinzipien teilhaben. Sie selbst sprechen doch immer von möglichst vielfältigen interreligiösen Kenntnissen.

Im Übrigen muss hier deutlich gesagt werden: Wenn eine Gemeinschaftsgrundschule nicht in zumutbarer Entfernung besucht werden kann, können Eltern ihre Kinder auch an Bekenntnisschulen anmelden. Diese Kinder sind dann natürlich nicht zur Teilnahme am Religionsunterricht verpflichtet.

Die Grünen kritisieren, dass der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund an Bekenntnisschulen geringer sei als an Gemeinschaftsschulen. Na und? Aber liegt dies, wie von den Grünen unterstellt, nur an der Aufnahmepraxis an Bekenntnisschulen? Kann es nicht ebenfalls daran liegen, dass Eltern mit anderer Konfession ihr Kind nicht an eine bestimmte Bekenntnisschule schicken möchten? Das ist ihr gutes Recht, wie ich betonen möchte.

Meine Damen und Herren, die FDP möchte, dass in Nordrhein-Westfalen ein vielfältiges Schulwesen besteht, und hierzu zählt auch ein Angebot an Schulen mit religiösem Profil.

Wie dezent bisweilen die Stolperstricke der Grünen für die unterschiedlichen Schulformen oder Trägerschaften daherkommen, lässt sich auch an der unverhohlenen Attacke auf die Privatschulen erkennen. Da heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

Schulen in freier Trägerschaft sind Bestandteil des öffentlich verantworteten Schulwesens. Sie können Impulsgeber für Schulentwicklung sein und müssen ihren Beitrag zur Chancengleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Inklusion leisten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ja!)

Die öffentliche Finanzierung orientiert sich am Einhalten des Sonderungs- und Diskriminierungsverbots.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Natürlich, ja si- cher!)

Es darf keine sozialen, kulturellen oder religiös motivierten Ausschlussgründe von den Bildungsangeboten geben.

Ende des Zitats aus dem Programm der Grünen. – Das klingt zunächst einmal freundlich und positiv. Der Pferdefuß ist hierbei jedoch die Frage, wer die Deutungshoheit hat. De facto sagen die Grünen auch hier: Ob ihr die Kriterien erfüllt, das bestimmen wir, die Grünen.

Die Gymnasien und die Bekenntnisschulen haben Sie offenbar als Ihre strategisch wichtigsten Opfer auserkoren, und die Ersatzschulen sollen folgen. Die Gesellschaft würde ärmer und eintöniger, wenn die Grünen in diesem Land entscheiden dürften. Die FDP will keine uniforme Gesellschaft. Liberale schätzen die Vielfalt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von der SPD: Eine gespaltene Gesellschaft!)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die SPD spricht Kollege Sichau.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eher den Eindruck – das zeigen die bisherigen Reden –, dass Sie von Ihrer schlechten Politik ablenken

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und ein neues Feld politischer Auseinandersetzung aufmachen wollen. Ich kann das – das wird sich im Laufe der weiteren Diskussion noch ergeben, Herr Kaiser – auch schon an ein paar Stichworten festmachen.

Sie reden vom Elternwillen, aber dann, wenn es um den Übergang in das Sekundarschulwesen geht, spielt der keine Rolle.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Da können Sie ruhig abwinken, so ist es. – Sie reden von Gleichmacherei. Kennen Sie eigentlich den Schulartikel der Weimarer Reichsverfassung, der durch den Reichskanzler und Düsseldorfer Oberbürgermeister Marx 1928 gekippt worden ist? Dort sollte die Idee von Wilhelm von Humboldt umgesetzt werden: Eine Schule für alle. – Das ist keine sozialistische Idee,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

das ist eine Idee des Humanismus. Wilhelm von Humboldt hat diese Schule gefordert.

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

Im weiteren Verlauf kommen wir auch noch zu anderen Punkten.

(Weitere Zurufe von der CDU)

Nehmen Sie doch gleich mal dazu Stellung! Beweisen Sie mir das doch mal! Ich sage Ihnen, das ist so, und einer Ihrer Münsteraner Kollegen hat darüber eine Vorlesung gehalten. Aber die weitere Diskussion wird es ergeben.

Zu den Bekenntnisschulen – das ist der Nukleus –: Dieser Bereich ist seit 1968 geregelt, und zwar mit Verfassungsrang. Sie unterstellen, dass eine Gruppe wie die Grünen dies einfach kippen kann. Das glauben Sie doch wohl selber nicht.

(Heiterkeit von den GRÜNEN – Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich nenne nur Art. 12.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie sind be- sorgt um Ihre Umfragewerte!)

Für uns kann ich sagen: Wir haben keine Änderungsabsichten und sehen auch keine. Sie bauen – das habe ich eingangs schon gesagt – einen Pappkameraden auf, nichts anderes.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Jetzt positiv zu den Bekenntnisschulen: Wir erkennen die Arbeit der Bekenntnisschulen einschließlich des Religionsunterrichts an.

(Sören Link [SPD]: Immer auf die Omme!)