Protokoll der Sitzung vom 23.03.2010

Sie haben erkannt, dass kaum jemand in NordrheinWestfalen der Meinung ist, dass unter Ihrer Verantwortung viel Positives im Schulwesen passiert ist.

(Bernhard Recker [CDU]: Das muss Frau Schäfer gerade sagen!)

Herr Recker, Ihr Antrag umfasst 20 Zeilen.

(Dietmar Brockes [FDP]: 16.000 Stellen!)

Einen solchen Antrag schreibt man nur, wenn man mit leeren Händen vor den Menschen in NordrheinWestfalen steht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Alles, was Sie heute sagen und schreiben, klingt sehr bemüht. Sie wissen nämlich genau, dass es im Land eine ausgesprochen negative Stimmung gegen schwarz-gelbe Bildungspolitik gibt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist der kleinste gemeinsame Nenner!)

Denn an den Schulen in Nordrhein-Westfalen ist nichts besser, sondern eher einiges schlimmer geworden. Mit der Einführung des Turboabiturs Hals über Kopf haben Sie das Bildungssystem grob fahrlässig beschädigt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Bodo Lött- gen [CDU]: Wer hat das denn gemacht? – Ralf Witzel [FDP]: Rot-Grün hat das 2004 be- schlossen!)

Es gibt keine Lehrpläne, Herr Witzel. Es gibt keine Schulbücher, Herr Witzel. Es gab am Anfang keine Unterstützung der Kommunen für den Ganztag. Es herrschte Chaos.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Es gab eine 40-Stunden-Woche für die jüngsten Jahrgänge. Die letzte Fehlleistung – ich weiß gar nicht, ob diese Information CDU und FDP überhaupt schon erreicht hat – ist: Im nächsten Schuljahr fehlen die Schulbücher für den doppelten Jahrgang, der jetzt in die Oberstufe kommt. Darüber hat von Ihnen in den letzten fünf Jahren niemand auch nur einmal nachgedacht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Frau Schäfer, es gibt eine Zwischenfrage.

Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage.

(Ralf Witzel [FDP]: Feige!)

Haben Sie ein Problem damit? Ich glaube, bei Ihnen kommt das öfter vor.

(Lachen von der FDP)

Wer muss das ausbaden? Die Städte- und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und natürlich die Schülerinnen und Schüler. Es gibt keine Schulbücher für den doppelten Abiturjahrgang. Wie finden

Sie das denn? Es gibt keine Schulbücher für die jungen Menschen, die jetzt in die Oberstufe kommen.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Das haben Sie fünf Jahre lang nicht bemerkt.

Und wenn Sie heute den Frieden an den Schulen als höchstes Ziel beschwören, lassen Sie sich bitte sagen: Sie haben mit der Verkürzung der Sekundarstufe I an den Gymnasien massiver und einseitiger in eine Struktur eingegriffen, als es je eine Reform vor Ihrer Zeit getan hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben im Jahr 2005 eine Hauptschuloffensive gestartet, die gerade vor Ihren Augen krachend scheitert. Uns werfen Sie vor, diese Schulform vernachlässigt zu haben. Dazu nenne ich nur eine Zahl: Mit 13,6 % liegt die Übergangsquote zu den Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen auf dem historischen Tiefstand.

(Bernhard Recker [CDU]: Warum denn?)

Wenn jemand die bildungspolitische Landschaft in Nordrhein-Westfalen beschädigt hat, dann sind Sie es, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie führen die Kinder und die Eltern mit Ihrer Behauptung in die Irre, Sie hielten am mehrgliedrigen Schulsystem fest. Die CDU ist mit dieser Position inzwischen völlig isoliert. Der FDP – das ist sehr deutlich zu spüren – ist seit Langem unbehaglich dabei, sich an dieser Schullüge der CDU zu beteiligen. Frau Pieper-von Heiden, entweder waren Sie nicht auf dem FDP-Parteitag, oder Sie sollten das Ganze noch einmal mit Herrn Pinkwart erörtern, wenn Sie über die Hauptschulen des Landes sprechen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Damit komme ich zu einem Mitglied der Landesregierung: Was sagt die zuständige Ministerin in einem Interview am 18. März 2010 mit der „Westdeutschen Zeitung“? Die Überschrift lautet:

Ministerin Sommer: „Wir müssen das gegliederte Schulsystem weiterentwickeln.“

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Das Interview mit diesem Satz wurde um 12 Uhr von der Pressestelle freigegeben. Um 18 Uhr erfolgte die Korrektur – Zitat: Die Ministerin hält am gegliederten Schulsystem fest.

(Lachen von SPD und GRÜNEN – Zuruf von Bernhard Recker [CDU])

Auf die Frage in demselben Interview, ob sie denn diejenige sein werde, die in der letzten Hauptschule in Nordrhein-Westfalen das Licht ausmache, folgt die Antwort:

Ich bin guter Hoffnung, dass ich ein Lichtlein werde brennen lassen können.

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Ich überlasse jedem im Landtag die Interpretation dieser Aussage. Aber Sie sehen, meine Damen und Herren: Die Drehbuchschreiber der Staatskanzlei haben offensichtlich noch nicht alles unter Kontrolle.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Ewald Groth [GRÜNE]: Sie haben doch 70 einge- stellt!)

Den Unmut über Ihre Bildungspolitik bekommen Sie, wie gesagt, im ganzen Land zu spüren. So verändern Sie Ihre Wahlkampftaktik. Aus Ihrem geplanten ruhigen Wahlkampf, Herr Rüttgers, wird auf einmal ein Angstwahlkampf. Das nenne ich eine Schluckauftaktik. Denn das Strickmuster ist uns gut bekannt. Der gescheiterte Generalsekretär, Herr Wüst, hatte dies bereits am 1. April 2009 versucht. Da hieß es – zur Erinnerung –: Rot-Rot-Grün wird unsere Schulen zerschlagen. – Jetzt heißt es: RotRot will unsere Schulen schließen. Also: Die Schule wird geschlossen, wenn Rot-Rot regiert.

(Demonstrativer Beifall von Josef Hovenjür- gen [CDU] – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir sind auch dabei! – Weitere Zurufe)

Herr Wüst wandte sich damals gegen Rot-Grün; Herr Krautscheid wendet sich jetzt gegen Rot-Rot.

Herr Kollege Pinkwart, Ihnen wird sicherlich aufgefallen sein, dass die CDU natürlich um einen anderen Koalitionspartner wirbt. Wie ist das denn sonst zu verstehen?

(Beifall von der SPD – Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart)

Mir fällt an Ihrer Art und Weise, Bildungspolitik zu diskutieren, wie es vor allen Dingen Frau Pieper-von Heiden heute tat, Folgendes auf: Bei allem, was Sie tun, spielen die Interessen von Kindern und Eltern die allerkleinste Rolle.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Das müssen Sie gerade sa- gen! – Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Sie haben in fünf Jahren Ihren Bonus völlig verspielt. Ihre politische Glaubwürdigkeit opfern Sie jedem taktischen Kalkül.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Dafür gab es in den letzten Jahren einige Beweise.